Predigt: Der Sonntag liegt in deiner Hand (Markus 2, 23-28) 25. Oktober 2020

Mk 2, 23-28

Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen„. Lasst uns den Schatz im Feiertagsgebot entdecken und die Verantwortung auf uns nehmen, unter heutigen Bedingungen den Feiertag zu heiligen.

Liebe Gemeinde

“Das war schon immer so” diesen Satz kennt wohl jeder. Vor allem unsere Kinder kennen das: Da möchten sie daheim etwas verändern, aber die Eltern sind da nicht so recht begeistert. Manchmal kann es passieren, dass die Eltern beim Diskutieren mit ihren Argumenen nicht so wirklich überzeugen können. Dann ist der rettende Satz nicht mehr weit:
“Das war schon immer so. Und dabei bleibt es!”

Ja! Ganz oft ist es ja so, dass man dies oder jenes schon immer getan oder gesagt hat. Wir sind umgeben von guten Gewohnheiten, Regeln, Normen oder Gesetzen. Teilweise jahrhundertealt.
Auch in der Kirche kennen wir Gebote und Leitlinien, die nicht hinterfragt werden. Die für uns selbstverständlich sind; bei denen wir glauben, dass sie von unserem Schöpfer selbst uns mitgegeben wurden. Die Zehn Gebote gehören  da ja auch dazu

Wie geht man mit solchen “ewigen Regeln” um? Gelten die immer? Ganz ohne Ausnahme? Oder muss man da doch mal disktieren? Schauen wir dazu auf das, was Jesus einmal gemacht hat – als es um das dritte Gebot ging: “Du sollst den Feiertag heiligen”.

Predigttext: Mk 2, 23-28

23 Und es begab sich, dass er am Sabbat durch die Kornfelder ging, und seine Jünger fingen an, während sie gingen, Ähren auszuraufen. 24 Und die Pharisäer sprachen zu ihm: Sieh doch! Warum tun deine Jünger am Sabbat, was nicht erlaubt ist? 25 Und er sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen, was David tat, da er Mangel hatte und ihn hungerte, ihn und die bei ihm waren: 26 wie er ging in das Haus Gottes zur Zeit des Hohenpriesters Abjatar und aß die Schaubrote, die niemand essen darf als die Priester, und gab sie auch denen, die bei ihm waren? 27 Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen. 28 So ist der Menschensohn Herr auch über den Sabbat.

Zwei mal gebrochene Regeln

Ein heftiger verbaler Schlagabtausch in sechs Sätzen. Was war da passiert?

Offenbar hatten Jesu Jünger mächtigen Hunger und rupften am Wegesrand einige Getreideähren aus. Wer das mal selber gemacht hat, weiß: Da muss der Hunger schon recht groß sein, sonst isst das keiner freiwillig.

Jedenfalls haben die Pharisäer diese Aktion der Jünger als “Getreideernte” verstanden – und die war am heilgen Sabbat verboten. Ganz klar! Da gab es keinen Deutungsspielraum. So etwas machte man als Jude damals nicht. Das war schon immer so!

Und wie antwortet Jesus auf diesen Rüffel? Er erinnert seine Gegner an eine alte biblische Geschichte. Auch da waren einige Männer fast am Verhungern, und da hat ihnen ein Priester die Brote zu essen gegeben, die nach den alten Regeln kein normaler Mensch essen hätte dürfen. Denn die lagen symbolisch als Gabe für Gott auf dem Altar.

Der Hohepriester Abjatar hatte also damals gegen eine religiöse Regel verstoßen, um Davids Leuten zu helfen – und niemand hat sich darüber beschwert.

So schließt Jesus mit dem berühmten Satz:  Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen.

Regeln wirken nur, wenn wir sie befolgen

Liebe Gemeinde,

Das klingt so einfach, so logisch, und ist zugleich so schwierig. Denn wenn ich Jesus falsch verstehe, könnte ich mich auf ihn berufen und versuchen, so ziemlich alle Regeln beiseite zu schieben, die mir gerade mein Leben schwer machen:

Dieses blöde Tempo-30-Schild vor der Schule stört mich total, ich habs ja schließlich eilig.
Und das Gebot “du sollst nicht stehlen” ist echt ein Problem, wenn ich beim Elektro-Hartmann einen schönen neuen Laptop sehe, für den mir grade das Geld nicht reicht. Könnte man für 10 Minuten das Gebot nicht mal außer Kraft setzen?

Es ist klar: Regeln und Gebote können ihre gute Wirkung nur entfalten, wenn wir uns daran halten. Wenn wir bereit sind, Grenzen und Einschränkungen hinzunehmen – oder auch Dinge zu tun, die uns etwas abverlangen: Beispielsweise Bedürftigen zu helfen.
Wenn sich keiner dran hält, ist die beste Regel nichts wert. Und erinnern wir uns daran: Die Regeln sind ja eigentlich für die Menschen gemacht. Sie sind dazu da, ein gutes Miteinander zu ermöglichen.

Der Sabbat

Und wie ist das mit dem Sabbat? “Du sollst den Feiertag heiligen” – wo ist denn da der Vorteil, wenn ich nicht einkaufen gehen kann? Wenn kein Postbote kommt,  aber dafür schon um 8 Uhr die Kirchenglocken bimmeln? Wo ist denn das für die Menschen gemacht?

Noch dazu: Es gab Zeiten, da hat man die Kinder am Sonntag in unbequeme  Sonntagkleider gesteckt. Wer zum Dorf dazugehören wollte, musste sich früh in der Kirche blicken lassen. Und wehe, du hast am Sonntag das Auto repariert oder Wäsche zum Trocknen rausgehängt!

Ja, wie das so ist: Wo Regeln sind, da kann man auch Unfreiheit spüren. Da ist es manchmal nur ein kleiner Schritt, und schon sprießen neue Regeln und Erwartungen, die am Eigentlichen vorbei gehen. Aus einem wunderbaren guten Gebot wird ein belastendes Dickicht von erhobenen Zeigefingern, die unser Leben belasten statt bereichern.

Genau da tritt Jesus auf den Plan! Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen.

Schaut auf das, was euch dieser Tag geben kann!
Hebt den Schatz, der in einem regelmäßigen Tag der Ruhe liegt.
Aber vergesst nicht: Das funktioniert nur, wenn man auch bereit ist, sich an diese Regel zu halten.

Jerusalem

Bis heute prägt der biblische Ruhetag das öffentliche Leben in Jerusalem. Das muss man mal erlebt haben: Schon am Freitagnachmittag, spürt man, dass es in den Straßen ruhiger wird. Manche gehen schick angezogen in die Synagoge, um den Beginn des Sabbat zu feiern, andere starten ihn in der Familie. Manche traditionell, andere abgespeckt modern.

Die Buslinien und Straßenbahnen stellen ihren Betrieb ein. Deutlich weniger Autos sind unterwegs. Die Hektik der Woche hat sich beruhigt. Ein Tag, der ein anderes Lebensgefühl hat.

Vielleicht auch, weil man weiß: Den Feiertag so zu begehen, gehört zu unserer Identität als Juden. Seit zweieinhalbtausend Jahren haben wir das durchgezogen: Den Sabbat besonders begehen. Egal, was die Welt um uns herum macht, und was die anderen davon halten. Der Sabbat ist ein Teil unserer religiösen Identität Wier halten die vielen Regeln nicht, weil man uns dazu zwingt, sondern weil wir es schätzen, diese alten Traditionen zu leben. Sie machen uns zu den menschen, die wir sind.

Mittelfranken

Für uns als Christen in Franken ist der Sonntag als Feiertag nicht so identitätsstiftend. Jesus Christus steht in der Mitte unseres Glaubens. Bei uns steht und fällt nicht alles mit der Frage nach dem Sonntag.

Aber: Der Tag ist für uns da! Ein Geschenk! Es ist ist nur die Frage, ob wir etwas daraus machen.

Die Familie von Frank, zum Beispiel. Denen ist der Sonntag buchstäblich heilig. Bei ihnen gilt die Regel: Am Sonntag bleibt der Bulldog in der Maschinenhalle. Gut, er hat keine Tiere, die er füttern muss. Aber er kennt wie alle anderen auch das Dilemma, wenn man auf den Wetterbericht schaut: Soll ich dann doch lieber heute am Sonntag noch mal raus….?

Mit Jesus könnte er sogar sagen: Der Mensch steht über der Feiertagsregel, also könnte er mit guten Gewissen auch mal am Sonntag etwas erledigen. Aber er weiß auch: Wenn ich damit anfange, finde ich immer einen Grund für eine Ausnahme; und am Ende sitze ich dann jeden Sonntag auf dem Bulldog. Denn schließlich bleibt jede Woche irgendetwas liegen.

Dann ist es vorbei mit dem Sonntag als große Chance zum Nichts-Tun-Müssen.

Als Tag für die Familie, die Gott mir geschenkt und anvertraut hat.

Als Tag, wo ich mal nichts muss, sondern Freiheit spüre.

Als Tag, wo ich in der Stille des Spazierengehens auf andere Gedanken komme.

Als Tag, wo ich mit anderen Menschen eine dreiviertel Stunde mal in der Kirche eine besondere Form von Gemeinschaft erlebe.

Liebe Gemeinde,

Unsere christlich Tradition, nimmt es uns nicht die Aufgabe ab, zu überlegen, wie wir es mit dem Sonntag halten. Und auch sonst, gibt es keine Patentrezepte, wie wir mit Regeln umgehen sollen.
An Jesus und seinen Jüngern haben wir gesehen: Regeln auf biegen und brechen durchzusetzen, ohne Rücksicht auf Verluste, das ist der falsche Weg.

Der andere Weg, bei dem man selbst entscheiden muss, wie man eine gute Regel mit Leben füllt, der ist meistens deutlich anspruchsvoller, weil wir dann spüren, dass uns damit auch Verantwortung in die Hände gelegt ist.

Amen

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