Andachten im November auf 98,6 Charivari

Klein anfangen

Im Neubaugbiet entsteht mal wieder ein neues Häuschen. Oder soll ich es Hütte nennen? Als ich die Baugrube und die frisch betonierte Bodenplatte gesehen habe, kam ich schon ins grübeln: Da wirkt so winzig … wie soll man dann da eine ganze Familie leben?

Ein paar Wochen später kam ich wieder vorbei, inzwischen war sogar schon das Dach fertig gedeckt – und es ist ein ganz normales ordentlich großes Haus. Ich hatte mich einfach mal wieder beim Anblick der Bodenplatte total verschätzt. Auf der riesigen Fläche des Baugebiets wirken die paar betonierten Quadratmeter eben winzig. Und jetzt schaue ich zu einem beeindruckenden Haus auf, in dem viele Menschen wohnen können.

Ja, die kleinen, unscheinbaren Anfänge, die werden ja oft belächelt:
Die erste vollgeschriebene Seite der Erstklässlerin.
Die ersten gesparten Cent im Sparschwein.
Die erste seltbstgekochte Suppe.

Wenn es diese kleinen Anfänge nicht gäbe, würden wir auch nie etwas Großes zustande bringen. Deshalb will ich mir demächst das Lächeln verkneifen, wenn ich etwas scheinbar Mickriges sehe. Wer weiß, was daraus noch einmal werden wird.

Benvenuto Francesco!

Wussten Sie, dass Francesco auf der Liste der beliebtesten italienischen Namen für männliche Babies die Spitzenposition verloren hat? Seit fast 20 Jahren hat Francesco geführt, jetzt ist Leonardo an ihm vorbeigezogen. Ob das was mit dem Papst Fanziskus zu tun hat? Ist jetzt Leonardo da Vinci der attraktivere Namenspatron? Auch wenn der schon seit 501 Jahren tot ist?

Da fällt mir ein: Ein Zeitgenosse von Leonardo war Benvenuto Giovanni – auch ein Künstler. Der hat ja auch einen interessanten Namen: Benvenuto – das Wort kennen viele  von der Eingangtür ihrer Pizzeria: Benvenuto heißt einfach “Willkommen”.

Wie kann man nur sein Kind so nennen? “Willkommen” Obwohl – warum eigentlich nicht? Wenn der Name Programm ist? Schön, dass du da bist, unser Kind. Wir freuen uns über dich – wir sind glücklich, dich zu haben. Und wir werden dich lieben, egal wie erfolgreich du in der Schule und im Berufsleben sein wirst. Wir sagen einfach “Willkommen”

Wenn ich überlege, wie sich das anfühlt, wenn man im Namen eines Kindes schon den übertriebenen Ehrgeiz und die Erwartungshaltung der Eltern spürt … dann ist Benvenuto ein wundervoller Name voller Zärtlichkeit.

Sankt Martin fällt nicht aus

“Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, Sankt Martin muss in diesem Jahr leider ausfallen….” So kann ich es seit Tagen lesen. Ja, es ist schade, dass wir keine Martinsumzüge machen können. Aber der Tag ist ja trotzdem da. Die Geschichte vom Soldaten Martin, der mit einem Bettler seinen Mantel teilt, verschwindet ja nicht aus der Weltgeschichte.

Vielleicht ist sie ja viel aktueller als noch vor einem Jahr? Denn gerade jetzt gibts auch welche, die die Corona-Situation in diesen Wochen wirklich absolut hart trifft – bis ins Mark. Die stehen vor dem Nichts!
Und andere, denen gehts besser. Aber sie wissen auch: Wenn ich anderen unter die Arme greife, dann wirds für mich selber auch schwieriger. Ich weiß ja auch nicht, ob ich in den nächsten Wochen auch Probleme bekomme. Da ist es wohl besser, erst mal an mich selber zu denken.

Das kann ich gut verstehen. Aber genau da ist St. Martin anders. Er teilt den Mantel, den er gerade selber dringend braucht. Von jetzt an, ist auch ihm kalt – aber der Andere hat nun halt doch eine Chance, über die Runden zu kommen. Diesen Mut von Martin, den feiern wir heute.

Ein unmoralisches Angebot

Oliver hatte eigentlich alles, was er brauchte, aber auch nicht viel mehr: Durchschnittlicher Job, die Raten für den Kredit seines Häuschens erlaubten im Alltag keine großen Sprünge. Es war halt so ein fränkisches “passt-scho”-Leben, ohne Glamour. Manchmal hätte er sich schon ein bisschen “mehr” gewünscht.

Bis ihm ein ehemaliger Schulfreund, ihm das Angebot machte, in sein Unternehmen einzusteigen. Er suchte Leute, auf die er sich verlassen konnte, und die in Gesprächen zu überzeugen wussten. Vor allem war es wichtig, den Kunden immer ein bisschen mehr zu versprechen, als im Vertrag eigentlich wirklich stand. “Gier frisst Hirn, die Menschen wollen verarscht werden”, sagte der Freund, “rechtlich ist alles sicher, dir kann keiner was! Und mit den Provisionen hast du dein Haus in drei Jahren abbezahlt.”   

Oliver hatte ein paar unruhige Nächte. – Bis ihm sein Konfirmationsspruch eingefallen ist, der ihm bis dahin nie etwas bedeutet hatte. Da hieß es: “Was hilft es dem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen und doch Schaden zu nehmen an seiner Seele?”

Drei Tage später hat Oliver abgesagt. Seiner Frau hat er nie etwas davon erzählt. Aber ihr ist aufgefallen, dass er von diesen Tagen an mehr Zufriedenheit ausstrahlte als zuvor.

Winterreifen-Menschen

Dreieinhalb Milimeter Profil haben meine Winterreifen noch. Das hat mir mein kleiner Mess-schieber angezeigt. Naja, mit so wenig Profil brauche ich mich nicht in die Wintersaison stürzen. Also habe ich mir jetzt neue Winterreifen gekauft. Dann ist wieder alles im grünen Bereich.

Was beim Reifen problemlos gelingt, funktioniert bei menschlichen Charakter nicht: Da kann man sich kein Profil kaufen. Es gibt ja Menschen, die haben ein klares Profil, eindeutige Positionen und besitzen auch die Entschlossenheit, dafür einzustehen und das notfalls das auch mit anderen auszufechten. Sie zeigen bissig Kante.

Andere sind sich ihrer Position nicht immer so sicher. Sie hören sich alle Seiten an, nehmen sie ernst und merken, wie schwer es ist, sich auf eine Seite zu schlagen. Die kommen da öfter mal ins Schlingern.

Ich glaube ja, dass das keine schlechteren, profillosen Menschen sind. Ich glaube, das sind die Sommerreifen unter den Menschen. Und die mit dem scharfen Profil, das sind die Winterreifen.

Und wir wissen ja: Je nach Wetterlage sind mal die einen, und mal die anderen im Vorteil.

Elisabeth: Fremder Mann im Ehebett

Es wird erzählt, dass Ludwig auf einer Dienstreise war, als ihn seine Mutter informierte: Daheim bei euch im Ehebett liegt ein fremder Mann! Ich habe dich schon immer vor Elisabeth gewarnt. Komm schnell zurück und sorge für klare Verhältnisse!

So beginnt eine Legende über das Leben von Elisabeth von Thüringen. Ihre vermeintliche Affäre war in Wirklichkeit ein schwerkranker Mann, den sie aus Platzgründen im Schlafzimmer ihres Schlosses gepflegt hatte.

Wie das mit dem Mann im Bett weitergegangen ist, können Sie ja selber mal googeln. Die Gräfin Elisabeth von Thüringen beeindruckt mich, weil sie keine Charity-Lady, war, die von ihrem Reichtum ein bisschen was abgibt, und sich dafür feiern lässt.

Elisabeth hat sich selber nichts gegönnt, auch immer wieder ihre eigenen Schmuckstücke und Teile ihres Eigentums verkauft, um den Armen und Kranken zu helfen. Das hat sie ihr Leben lang weitergeführt – gegen allen Widerstand der adligen Verwandtschaft. Gedankt haben ihr das nur wenige – aber das war ihr egal. Sie wollte einfach für Andere da sein – und damit ist sie vielen Menschen auch nach fast 800 Jahren immer noch ein Begriff.

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