Predigt: Ein Wunder repariert deine Welt – ein bisschen (Apostelgeschichte 3, 1-10) 7. Sept 2025

Apg 3, 1-10
Wieder mal eine Heilungsgeschichte. Kann man Heilungen als „Reparatur“ der kaputten Welt verstehen? Bei dem Gelähmten am Tempeltor schauen wir mal genauer hin.

Apg 3, 1-10

1 Petrus aber und Johannes gingen hinauf in den Tempel um die neunte Stunde, zur Gebetszeit. 2 Und es wurde ein Mann herbeigetragen, der war gelähmt von Mutterleibe an; den setzte man täglich vor das Tor des Tempels, das da heißt das Schöne, damit er um Almosen bettelte bei denen, die in den Tempel gingen. 3 Als er nun Petrus und Johannes sah, wie sie in den Tempel hineingehen wollten, bat er um ein Almosen. 4 Petrus aber blickte ihn an mit Johannes und sprach: Sieh uns an! 5 Und er sah sie an und wartete darauf, dass er etwas von ihnen empfinge. 6 Petrus aber sprach: Silber und Gold habe ich nicht; was ich aber habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi von Nazareth steh auf und geh umher! 7 Und er ergriff ihn bei der rechten Hand und richtete ihn auf. Sogleich wurden seine Füße und Knöchel fest, 8 er sprang auf, konnte stehen und gehen und ging mit ihnen in den Tempel, lief und sprang umher und lobte Gott. 9 Und es sah ihn alles Volk umhergehen und Gott loben. 10 Sie erkannten ihn auch, dass er es war, der vor dem Schönen Tor des Tempels gesessen und um Almosen gebettelt hatte; und Verwunderung und Entsetzen erfüllte sie über das, was ihm widerfahren war.

Liebe Gemeinde,

am Anfang des Gottesdienstes habe ich davon erzählt, dass es doch schön wäre, wenn Gott wie so ein Klempner kommen würde und alles reparieren würde was uns in unserem Leben gerade nicht wirklich funktioniert. Diese biblische Geschichte scheint ja das Idealmodell von so einem Reparatureinsatz zu sein:
Da ist der Gelähmte,
es kommen die Jünger Petrus und Johannes vorbei
und nach wenigen Minuten hüpft der Gelähmte wie ein Teenager durch die Stadt Jerusalem.

Wunder gibt es NICHT immer wieder

Ach, wenn es doch immer so wäre, dass auf Zuruf sämtliche Probleme vom himmlischen Vater erledigt würden. Wir ahnen es: Normalerweise ist es nicht so! Auch in der Bibel nicht! Unsere Erzählung endet ja auch entsprechend: Die Menschen, die diese Wunderheilung miterlebt haben, sind völlig entsetzt, verwundert und können das gar nicht so richtig einsortieren.

„Wunder gibt es immer wieder?“ Nein! Auch in der Bibel sind sie die absolute Sensation. Natürlich kennen wir die Wundergeschichten wo Blinde sehend werden, und Lahme wieder gehen. Aber wenn Jesus in einem Ort einen Blinden heilt, hat es wahrscheinlich Dutzende Sehbehinderte gegeben, die ihm nicht begegnet sind und weiterhin im dunklen Sitzen geblieben sind.

An dieser Geschichte ist etwas besonders: hier sind es die Jünger Jesu, Johannes und Petrus, die dieses Wunder geschehen lassen. Nur wenige biblische Berichte erzählen von solchen Wundern, die Jesu Jünger vollbracht haben. Viel häufiger finden wir in den Evangelien den Verweis darauf, dass Jesu Jünger bei solchen Versuchen eher kläglich versagt haben und Jesus ihnen sehr deutlich zu verstehen gegeben hat, dass sie viel zu kleingläubig und zweifelnd wären. Die Jünger Jesu sind eher diejenigen, die von Wundern betroffen sind, als dass sie selbst Wunder tun würden.

Überhaupt: In der Bibel sind Wunder nie die Hauptsache. Zum einen geschehen sie oft symbolhaft, als ein Zeichen: Mit dem Kommen von Jesus verändert sich diese Welt, eine neue Zeit bricht an, dazu gehört eben auch, dass Menschen wieder heil werden können, dass ihre Welt wieder in Ordnung gebracht wird. Dafür stehen diese Wunder.

Einmal kamen die Anhänger von Johannes dem Täufer zu Jesus und wollten wissen, ob er denn nun der Messias sei und Jesus antwortet ganz einfach: „Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt“. Für die Menschen damals waren Jesu Wunder ein Zeichen dafür, dass er von Gott gesandt ist.

Aber es gibt noch einen anderen Aspekt: bei etlichen Wundern hört man zwischen den Zeilen heraus, dass Jesus einfach Erbarmen mit den leidenden Menschen hatte und ihnen weiterhelfen wollte. Jesus als der Heiland, der Menschen eben wieder heil machen wollte.

Endlich einmal gesehen werden

Liebe Gemeinde

Sind wir damit vielleicht doch wieder bei dem Bild von Gott als demjenigen, der unsere lädierte Welt wieder repariert? Schauen wir doch einfach mal darauf, wie sich in unserer biblischen Geschichte die Welt für den Gelähmten verändert hat. Denn diese Erzählung stößt da einiges an Ideen an.

Und es wurde ein Mann herbeigetragen, der war gelähmt von Mutterleibe an; den setzte man täglich vor das Tor des Tempels, das da heißt das Schöne, damit er um Almosen bettelte bei denen, die in den Tempel gingen. Als er nun Petrus und Johannes sah, wie sie in den Tempel hineingehen wollten, bat er um ein Almosen. Petrus aber blickte ihn an mit Johannes und sprach: Sieh uns an! 

Da sitzt also dieser Mann tagtäglich zum Betteln an der Straße. Die Leute laufen an ihm vorbei, so richtig guckt ihn keiner an, er ist halt einer von den Bettlern, und hie und da wirft einer eine Münze zu ihm hin. Er ist buchstäblich eine Randfigur.

Und dann kommen Petrus und Johannes und bleiben stehen und nehmen Blickkontakt mit ihm auf. Ja sie fordern ihn direkt auf, sie auch anzusehen. Auf einmal wird dieser Mann gesehen, wahrgenommen, plötzlich gibt es da zwei Menschen, die sich wirklich für ihn interessieren! Das ist nicht selbstverständlich!

So oft passiert es, dass Menschen sich nicht gesehen fühlen. Dass Sie den Eindruck haben: „Keiner interessiert sich für meine Probleme und Sorgen. Keiner fragt ernsthaft, wie es mir geht. Anscheinend bin ich dieser Welt egal.“ – Daran leiden viele Menschen. Egal ob krank oder gesund.

Wir kennen natürlich auch die andere Seite. Man bekommt zwar mit, dass jemand gerade eine schwere Zeit durchmacht. Aber man braucht manchmal ungeheuer viel Mut, um denjenigen anzusprechen, um ihn das Gefühl zu geben, gesehen zu werden: „Was soll ich demjenigen sagen? Was sind die richtigen Worte? Was ist wenn ich etwas sage was denjenigen vielleicht noch mehr verletzt?“  Und so bleibt man eher still und drückt sich um eine Begegnung herum.
Ich kenne das gut – auch als Pfarrer hat man da manchmal seine Scheu. Man will sich nicht ungefragt jemanden aufdrängen. Und Schwuppdiwupp ist man auch mit dabei in der Gruppe derer die halt irgendwie einen scheinbar nicht sehen.
Umgekehrt habe ich mit meiner Erkrankung erlebt, dass Menschen sich mit mir schwergetan haben, weil Ihnen schon klar war, dass das mit den richtigen Worten in so einer Situation echt schwierig ist. Dabei habe ich gelernt, dass die richtigen Worte gar nicht wichtig sind, sondern einfach dass jemand den Mut hat einen anzusprechen und zu fragen wie es denn so geht.

Petrus und Johannes hatten den Mut genau hinzuschauen und mit dem Gelähmten Kontakt aufzunehmen. Ich weiß nicht so recht, ob die beiden in dem Moment ahnten, was noch dann alles passieren würde.

Der Focus auf das, was wirklich zählt

Und der Gelähmte sah sie an und wartete darauf, dass er etwas von ihnen empfinge. Petrus aber sprach: Silber und Gold habe ich nicht; was ich aber habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi von Nazareth steh auf und geh umher!

Petrus scheint zu spüren: der Mann will jetzt Geld von uns. Und das ist ja auch irgendwie logisch, denn der braucht sein Geld zum Überleben. Darum steht es für ihn im Mittelpunkt.

Und da sagt ihm Petrus: Ich gebe dir kein Geld, ich gebe dir etwas viel Wichtigeres: deine Gesundheit, die Möglichkeit aufrecht zu gehen und dein Leben selbst in die Hand zu nehmen.
Es geht um neue Prioritäten! Bei dieser Geschichte vom Gelähmten leuchtet es uns ganz selbstverständlich ein, dass Geld in seiner Situation zweitrangig ist.

Bei uns selber sieht es da manchmal ein bisschen anders aus, weil wir uns in einem Geflecht von Verpflichtungen und finanziellen Notwendigkeiten befinden, denen wir uns nicht so einfach entziehen können. Manche Menschen haben es auch schon erlebt, wie belastend es fürs gesamte Leben ist, wenn man gerade finanzielle Sorgen hat.

Da kann es manchmal schon auch ein bisschen Reparatur unseres Lebens sein, wenn wir für uns entdecken:  So wichtig das Geld für unser Leben ist, es gibt so viele Dinge die viel wichtiger sind, die wir manchmal viel zu schnell aus den Augen verlieren. Wenn der Fokus unserer Aufmerksamkeit einmal woanders hingeht als auf die Finanzen und man entdeckt, womit man eigentlich beschenkt ist.

Eine etwas reparierte Welt

Zurück zu unserer biblischen Geschichte:

Und Petrus ergriff ihn bei der rechten Hand und richtete ihn auf. Sogleich wurden seine Füße und Knöchel fest, er sprang auf, konnte stehen und gehen und ging mit ihnen in den Tempel, lief und sprang umher und lobte Gott. 

Eigentlich erzeugt dieser Schluss ein wunderschönes Bild in unserem Kopf: der Geheilte hüpft in sein neues, heiles Leben. Aber wahrscheinlich hat er nicht das Schlaraffenland betreten. Bisher haben sich immer andere um ihn gekümmert weil er selbst ja nicht konnte und plötzlich muss er für sich selbst Verantwortung übernehmen, Arbeit finden, überhaupt erstmal lernen einen ganzen Tag bei der Arbeit durchzuhalten, er muss sich selbst organisieren und sich selbst versorgen. Heutzutage würde man ihn erst einmal für einige Wochen in eine Rehaklinik schicken.

Die reparierte Welt unseres ehemaligen Gelähmten ist kein Paradies, aber in sein Leben fällt der goldene Schimmer von Gottes Liebe.

Er wird sich vieles hart erarbeiten müssen und wird auch erleben, dass man sich vergeblich abmüht und Enttäuschungen verarbeiten muss. Unser Planet bleibt einer, der viele Reparaturen bräuchte. Eine Erdkugel die sich danach sehnt, dass der Schöpfer irgendwann alles wieder in Ordnung bringt. Das ist die christliche Sehnsucht nach Gottes neuer Welt am Ende der Zeit. Bis dahin müssen wir mit dem auskommen, was wir haben – und da gehört in den seltensten Fällen ein heilender Petrus dazu.

Aber ein bisschen „heiler“ kann unsere Welt werden, wenn wir aufeinander achten, uns gegenseitig wahrnehmen, damit gerade die sich gesehen fühlen die gerade jemanden bräuchten der ihnen zuhört.

Sie könnte ein bisschen „heiler“ werden, wenn wir uns immer wieder bewusst machen dass Gold und Silber eigentlich Nebensache sind. Und dann beginnen an manchen Stellen unser Leben neu zu sortieren,  auf eigenen Beinen zu stehen, unser Leben im Vertrauen auf Gott zu gestalten.

Wenn das klappt dann ist das ja auch schon ein kleines Wunder für uns als Kinder Gottes.

Amen

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