Dialog-Predigt zu Himmelfahrt: Unfassbar groß (1. Könige 8, 22-28) 29. Mai 2025

1 Kön 8: Salomos Tempelweihgebet

Alle erwarten die feierliche Einweihung des Jerusalemer Tempels. Endlich haben wir ein Haus für Gott! Aber schnell wird deutlich:
Gott ist zu groß für dieses Haus, zu groß für unsere Welt. Aber so ist der denn dann? Genau diese Unfassbarkeit kann ein Schlüssel für uns sein.

    Dialogpartner dieser Predigt waren zwei Pfarrer: A und M

    A

    Himmelfahrt, das ist ja irgendwie so ein leichtes Kirchenfest. Fast wie ne Gartenparty. Wir haben keine schweren Themen wie  Kreuzigung oder die dramatische Suche nach einer Unterkunft für Jesu Geburt.

    Wir haben die Jünger auf einem Berg und einen – zugegebenermaßen ungewöhnlichen – Abschied; aber kein großes Drama. Da passt es ja auch, wenn wir an Himmelfahrt dann solche luftigen Gottesdienste feiern.

    Aber Himmelfahrt ist auch ein krasser Einschnitt für die Jünger gewesen. Denn bis dahin war die Zeit mit Jesus keine große Herausforderung:

    Er war der Gute und ging ihnen voran. Er hat geheilt, gepredigt, Wunder vollbracht. Sie sind ihm treu hinterher.
    An seiner Seite war es kein Problem, Gott zu vertrauen. Alles erschien mit ihm in einem wunderbar glänzenden Licht.
    Klar … Nächstenliebe als zentrales Gebot! Warum sind wir da nicht eher draufgekommen?

    Aber nach Himmelfahrt?
    Jesus schwirrt ab, verabschiedet sich. Er verspricht, dass der Heilige Geist bei ihnen sein wird, ihnen den rechten Weg weisen wird.

    Aber in echt? Hat das so gut geklappt? Kann es sein, dass die Nachfolger von Jesus in den Jahrzehnten und Jahrhunderten danach recht bald irgendwie die Bedienungsanleitung verlegt haben?  … und dann wurde halt irgendwie weitergewurstelt.

    So ist es bei Kirchens und auch sonst im Leben: Alles wird immer komplexer, undurchschaubarer. Was ist richtig? Was ist falsch? Wer blickt da noch durch?

    Achja, da wünsche ich mir manchmal die gute alte Zeit zurück. So eine kleine, einfach überschaubare Welt.

    M

    Gute alte Zeit?
    Wieviele Jahrhunderte zurück dürfen es für dich sein? Hundert, Fünfhundert, zweitausend, oder etwas mehr?

    Wie würde dir das Israel zur Zeit des Köngs Salomo gefallen? Das war – wenn ich in meine Bibel schaue – ein goldenes Jahrhundert. Stabile Regierungsverhältnisse, sichere Grenzen, wirtschaftlicher Aufschwung.

    Jerusalem wächst und glänzt. Oben auf dem Tempelberg thront der neuerbaute Tempel. Ein Prachtstück von Gotteshaus.
    Über Generationen hatte man darauf hin gearbeitet … und dann war es fertig, so dass der Tempel mit einem großen Fest eingeweiht werden konnte.

    A

    Aha. Ich weiß, was du meinst. Das war je schon eine besondere Phase in der Geschichte Israels. So ein bisschen löst das Disneyland-Gefühle aus. Eine wunderbare, aufgeräumte kleine Welt.  Alles ein bisschen zu schön, zu perfekt, zu harmonisch. Das lässt einen auch schon wieder skeptisch werden, wo da der Dreck unter dem Teppich liegt.

    M
    Warte mal ab. Ich lese dir mal vor, was da über diese Tempeleinweihung in der Bibel steht. Denn König Salomo hat persönlich ein Gebet für diesen Tag formuliert.

    1 Kön 8, 22-24.26-28

    22 Und Salomo trat vor den Altar des HERRN angesichts der ganzen Gemeinde Israel und breitete seine Hände aus gen Himmel 23 und sprach: HERR, Gott Israels, es ist kein Gott weder droben im Himmel noch unten auf Erden dir gleich, der du hältst den Bund und die Barmherzigkeit deinen Knechten, die vor dir wandeln von ganzem Herzen; 24 der du gehalten hast deinem Knecht, meinem Vater David, was du ihm zugesagt hast. Mit deinem Mund hast du es geredet, und mit deiner Hand hast du es erfüllt, wie es offenbar ist an diesem Tage.

    26 Nun, Gott Israels, lass dein Wort wahr werden, das du deinem Knecht, meinem Vater David, zugesagt hast. 27 Denn sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe? 28 Wende dich aber zum Gebet deines Knechts und zu seinem Flehen, HERR, mein Gott, auf dass du hörst das Flehen und Gebet deines Knechts heute vor dir

    Fällt dir was auf?
    Da baut Salomo ein Haus für Gott, und ist sich zum Zeitpunkt der Einweihung schon klar: Eingentlich braucht man das gar nicht! Denn so ein Haus kann Gott nicht fassen!
    Ja nicht mal der Himmel über uns kann ihn fassen. Er ist zu groß. Zu einmalig. Dieser Gott ist für uns Menschen einfach unfassbar … weil er unsichtbar ist, weil wir ihn manchmal als nah, und manchmal als fern empfinden.

    Das ist schon beachtlich: Salomo, der so viele Zeit, Energie und Ressourcen in diesem Tempelbau gesteckt hat, gesteht sich ein: Eigentlich ist mein großartiger Tempel nur ein sehr teures Schmuckkästchen, das an Gott erinnert, auf Gott hinweist, aber niemals für ihn die Wohnung sein kann.

    A

    Ich frage mich, ob die Leute das damals alle verstanden haben. Da baut man dem himmlischen König einen wundervollen Palast, und an Einweihungstag sagt der:
    „Ach … schön geworden … danke … aber einziehen werde ich nicht. Das ist zu klein für mich. Ich bin lieber überall auf dieser Erde und im Universum unterwegs.“

    Fast wie an Himmelfahrt:
    Husch … ist Jesus weg. Schwebt seinen Jüngern davon. Hinein in eine unsichtbare nebulöse Unfassbarkeit.
    Und ich als Nachfolger Jesu muss dann schauen, wie ich das alles geregelt bekomme:
    Mein christliches Leben – das ja nicht immer einfach ist.
    Und diese Welt irgendwie am Laufen zu halten. In Ordnung zu bringen, wo sie sich in eine falsche Richtung bewegt.

    Wäre das nicht eigentlich Gottes Aufgabe?

    M
    Ja, das hättest du gerne. Dass Gott alles regelt und die Kohlen aus dem Feuer holt. Aber ich frage mich, ob diese Aufgabenteilung wirklich hinhaut.

    Ich denke nochmal an dieses Gebet von König Salomo. Er formuliert da ja einen Balanceakt. Auf der einen Seite weiß er, dass Gott viel zu groß ist, viel zu unfassbar für uns Menschen. Vielleicht auch zu geheimnisvoll.

    Aber gleichzeitig ist dieses Gebet ja voller Vertrauen auf diesen Gott: „Gott du bist einzigartig. Immer wieder erlebe ich, dass du treu zu uns Menschen hältst. Auf deine Versprechen will ich vertrauen.“ Salomo bekommt das offenbar in seinem Kopf zusammen: Diesen unfassbaren Gott und den Gott auf den man vertraut, der einem Hoffnung schenkt für die Zukunft.

    A

    Wenn ich an die Himmelfahrtsgeschichte denke. Da sehe ich die Jünger, die in den blauen Himmel schauen. Jesus ist nicht mehr neben ihnen, sondern irgendwo ist er.

    Da oben über mir, oder vielleicht doch grade ganz nah bei mir.

    Der blaue Himmel, der hat ja auch so viele Aspekte: Mal kommt er mir so kühl vor; aber zum blauen Himmel gehört auch die wärmende Sonne.

    M

    Aber es ist ja mehr als bloß der blaue Himmel. Samuel hat ja trotz allem den Tempel gebaut. Und 400 Jahre nach Salomo sind die Jünger Jesu nach der Himmelfahrt auch wieder in diesen Tempel gegangen. Weil dieses Gebäude ein Gegengewicht zur Unfassbarkeit Gottes ist.

    Das Gotteshaus als steingewordene Erinnerung: Gott bleibt euch treu. Er vergisst euch nicht.
    Und die Gemeinschaft der Menschen dort ist ja auch ein ganz wichtiger Faktor. Man erlebt: „ich bin mit meinem Glauben nicht allein. Wir sind viele, die miteinander die gleiche Hoffnung teilen. Wir singen und musizieren miteinander und erleben, wie das unserem Herzen und unserer Seele gut tut!“

     A

    Genau. Ich denke, da wird Gottes Gegenwart dann auch spürbar. Wenn Menschen miteinander ihren Glauben feiern. Wenn wir am Sonntag zusammen sind, oder wenn wir Taufe oder Hochzeit feiern. Da spürt man das gemeinsame Hoffen, die Erwartung, dass Gott uns Menschen diesem Kind oder diesem Paar – die Treue hält.

    Ja, ich denke, dass das sogar bei mancher traurigen Beerdigung geschieht. Da sitzen wir und fragen uns „warum“. Und unsere Gedanken finden irgendwie keinen rechten Halt, weil das Geschehene eben mal wieder so unfassbar ist.
    Und doch ist man nicht allein: Man hat Menschen bei sich, die wahrscheinlich die gleichen Fragen haben. Aber die einem beistehen, begleiten, mal ein gutes Wort sagen. Vielleicht ist das der Punkt, an dem der unfassbare Gott, dann doch näher ist, als man es vermutet.

    Amen

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