Predigt: Wie soll ich dich empfangen? (Liedpredigt zum EG 11) 3. Advent, 11. Dezember 2016

Das 20161210_121637_richtonehdralte Lied von Paul Gerhard ist ein sehr persönliches und sehr hoffnungsstiftendes Lied, das zufällig gut zum Advent passt. Vor 14 Jahren habe ich schon mal drüber gepredigt; jetzt gibts eine Neuauflage.

Verse 1+2
1. Wie soll ich dich empfangen und wie begegn ich dir,
o aller Welt Verlangen, o meiner Seelen Zier?
O Jesu, Jesu, setze mir selbst die Fackel bei,
damit, was dich ergötze, mir kund und wissend sei.
2. Dein Zion streut dir Palmen und grüne Zweige hin,
und ich will dir in Psalmen ermuntern meinen Sinn.
Mein Herze soll dir grünen in stetem Lob und Preis
und deinem Namen dienen, so gut es kann und weiß.

Liebe Gemeinde,
wenn wir hohen Besuch empfangen, dann rollen wir einen roten Teppich aus. So kennen wir das aus dem Fernsehen, wenn Politiker oder Stars willkommen geheißen werden. Den roten Teppich nimmt man nur dann, wenn ein ganz besonderer Gast sich angemeldet hat. Für die übrigen Leute tut es die üblichen Auslegware.
Wir haben Advent – auf deutsch: die Ankunft Gottes.
Welchen Teppich sollen wir denn für die Ankunft Gottes ausrollen? Welcher ist da passend? Diese Frage stellt sich unser Lied, das wir eben gesungen haben, schon in der ersten Zeile. ”Wie soll ich dich empfangen und wie begegn ich dir” – welcher Teppich heißt Gott passend willkommen?Im zweiten Vers gibt es gleich zwei Antworten: „Dein Zion streut dir Palmen und grüne Zweige hin!“ Damit spielt der Liederdichter Gaul Gerhards auf Jesu Einzug in Jerusalem an. Zion, also Jerusalem und seine Bewohner, haben damals Palmen und grüne Zweige genommen und ihm damit zugejubelt.

Er selbst hat einen anderen Vorschlag: “Und ich will dir in Psalmen ermuntern meinen Sinn.” Also mit Psalmen statt Palmen! Das Lob Gottes, der Dank an Gott, das ist der Teppich, den Gott sich von uns wünscht. Ein dankbares fröhliches Loblied ist der passende Empfang für unseren Gott.
Das alles ist natürlich nicht nur ein Adventsthema. Ich möchte ja, dass Gott immer in meiner Nähe ist. Und so ist das fröhliche Lob Gottes ein … sagen wir: mobiler roter Teppich, den ich immer dabei haben kann.
Und das kann ganz unterschiedlich aussehen:
Heute zum Beispiel: Unsere Lieder im Gottesdienst und unsere Gebete, in denen wir Gott danken. Die sind Gotteslob; ganz ohne Zweifel. Natürlich sind sie so eine Art „organisiertes Gotteslob”, weil die Lieder uns ja quasi durch die Liedtafel vorgeschrieben sind. Aber trotzdem kann und soll unser Singen am Sonntag ein Lob Gottes sein.

Aber auch daheim kann man Gott loben. Der eine betet vor dem Schlafengehen und sagt Gott, was ihm durch den Kopf geht. Der andere trällert bei Spazierengehen, beim Kochen oder sonstwo ein Loblied vor sich hin. Das alles sind Gelegenheiten, an denen wir Gott loben, ihm danke sagen, für das Gute, das er für uns tut.

Eine Art des Lobes Gottes ist in einem mittlerweile ganz profanen Ausdruck versteckt: “Gott sei Dank” – das sagen viele Menschen, wenn sie einem Unglück entronnen sind. Oft genug werden diese drei Worte ohne einen Gedanken, an ihre wörtliche Bedeutung gebraucht. Aber vielleicht denke ich beim nächsten Mal bewusst drüber nach, was da passiert ist, und was ich da sage. Und ich entdecke,dass das mehr war, als bloß “Glück gehabt” – und darum will ich meinem Gott tatsächlich danken – mit meinem “Gott sei Dank”.
In diesen Worten entdecke ich dann auch den roten Teppich, den ich damit ausrolle, weil ich spüre: Hier hat gerade der lebendige Gott meinen Weg gekreuzt und war unsichtbar für mich da.

Singen wir die nächsten drei Verse:

3. Was hast du unterlassen zu meinem Trost und Freud,
als Leib und Seele saßen in ihrem größten Leid?
Als mir das Reich genommen, da Fried und Freude lacht,
da bist du, mein Heil, kommen und hast mich froh gemacht.
4. Ich lag in schweren Banden, du kommst und machst mich los;
ich stand in Spott und Schanden, du kommst und machst mich groß
und hebst mich hoch zu Ehren und schenkst mir großes Gut,
das sich nicht läßt verzehren, wie irdisch Reichtum tut.
5. Nichts, nichts hat dich getrieben zu mir vom Himmelszelt
als das geliebte Lieben, damit du alle Welt
in ihren tausend Plagen und großen Jammerlast,
die kein Mund kann aussagen, so fest umfangen hast.

In den ersten beiden Versen hat der Liederdichter Paul Gerhardt theoretisch über das Lob Gottes geschrieben. In den Versen, die wir soeben gesungen haben, hat er das dann ganz praktisch getan: Er lobt Gott, er dankt ihm für das, was er an Hilfe durch Jesus Christus in seinem Leben erfahren hat.

Er schreibt über sich selbst: Buchstäblich ganz unten war ich mit meinem Leben, im tiefsten meiner Seele betrübt und auch körperlich niedergeschlagen. Aber du, mein Gott, hast es geschafft, mich wieder froh und zuversichtlich zu machen. “Ich lag in schweren Banden”, gefesselt war ich, war nicht mehr Herr über mich selbst. Hilflos, abhängig von anderen Menschen oder Dingen – vielleicht gefesselt von einer lähmenden Depression. Aber du bist hergekommen und hast meine Fesseln gelöst und damit mir die Freiheit wiedergegeben.

“Ich stand in Spott und Schanden”, ich wurde von Anderen nur noch verächtlich angesehen, habe mir sogar selbst nichts mehr zugetraut. Vor 350 Jahren sah das anders aus als heute, wo man in den sozialen Medien quasi vom Sofa aus Menschen an den Pranger stellen, verspotten und fertig machen kann – scheinbar ohne sich die Finger schmutzig zu machen. Im Ergebnis aber kommt immer das gleiche heraus: Menschen, die bis ins Mark getroffen und verletzt sind.

Aber es ging wieder aufwärts! Das Lied beschreibt es: Ich fühlte mich minderwertig und verachtet – ich war am Boden. Aber du hast mich hochgehoben, hast mir wieder Selbstbewusstsein gegeben, hast mir die Ehre wiedergegeben, die ich als Ebenbild Gottes habe.
Und du hast mich ausgestattet mit einem großen Reichtum, der nicht wieder vergeht. Nämlich dem inneren, geistlichen Reichtum, dem Vertrauen auf dich.

Liebe Gemeinde,
Paul Gerhard hat hier aus seiner eigenen Erfahrung geschrieben. Sein Leben war geprägt von schlimmen Verlusten in der Familie: Vier der fünf Kinder sind als Kleinkinder gestorben, seine Frau musste er nach 13 Jahre Ehe zu Grabe tragen. Und im Beruf als Pfarrer hatte ihn sein zuständiger Fürst auf der Abschussliste.
Diese Zeilen geben das Auf-und-Ab in seinem Leben wieder. Paul hat es nicht nur einmal erfahren, dass ihm die Hilfe Gottes begegnet ist. Es ging manchmal eben auch nach den guten Erfahrungen mit Gott irgendwann wieder bergab. Gottes Hilfe in schwierigen Situationen bewahrt nicht davor, in Zukunft wieder einmal in ein tiefes Tal zu stürzen. Aber zumindest weiß ich, dass Gott mir wieder aufhelfen kann.

Eigentlich könnte man sich schon fragen: Warum macht sich unser Herr im Himmel soviel Mühe um uns Menschen? Im 5. Vers lesen und singen wir: Nichts, nichts hat dich getrieben zu mir vom Himmelszelt als das geliebte Lieben, damit du alle Welt in ihren tausend Plagen und großen Jammerlast, die kein Mund kann aussagen, so fest umfangen hast.

Bei diesen Zeilen entsteht in mir ein Bild: Ich sehe unseren runden Planeten, verletzt von Ungerechtigkeit und Jammer, er ist dreckig, hat Dellen und Kratzer. Unsere Welt eben. Und diese kaputte verschrammte Kugel nimmt Jesus Christus ganz ganz liebevoll in seine Arme und drückt sie an seine Brust.
Die Liebe ist es, die uns das zuteil werden lässt – dass Gott in Jesus Christus zu uns gekommen ist.

Singen wir als Nächstes die Verse 6 7 8

6. Das schreib dir in dein Herze, du hochbetrübtes Heer,
bei denen Gram und Schmerze sich häuft je mehr und mehr;
seid unverzagt, ihr habet die Hilfe vor der Tür;
der eure Herzen labet und tröstet, steht allhier.
7. Ihr dürft euch nicht bemühen noch sorgen Tag und Nacht,
wie ihr ihn wollet ziehen mit eures Armes Macht.
Er kommt, er kommt mit Willen, ist voller Lieb und Lust,
all Angst und Not zu stillen, die ihm an euch bewußt.
8. Auch dürft ihr nicht erschrecken vor eurer Sünden Schuld;
nein, Jesus will sie decken mit seiner Lieb und Huld.
Er kommt, er kommt den Sündern zu Trost und wahrem Heil,
schafft, daß bei Gottes Kindern verbleib ihr Erb und Teil.

Nun sind wir beim 8. Vers angekommen. Ich möchte fast meinen, dass Paul Gerhardt einen ganz guten Kameramann abgegeben hätte. Im ersten Vers habe ich den großen Teppich gesehen, der für den kommenden Herrn ausgerollt wird, dann kam der Kamera-Schwenk hinüber zu Paul Gerhardt, der von seinem Leben erzählt, dann die Aufnahme mit der Erdkugel, wie Jesus Christus sie in seine Arme nimmt, und jetzt sehe ich eigentlich die singende Gemeinde, der Paul Gerhard eine Predigt hält:

Ihr, die ihr verzweifelt und betrübt seid, verzagt nicht. Denn jetzt in der Adventszeit steht nämlich nicht der Weihnachtsmann vor der Türe, sondern ein ganz anderer: “seid unverzagt, ihr habet die Hilfe vor der Tür; der eure Herzen labet und tröstet, steht allhier!”
Darum sollt ihr auch nicht verzweifeln, und euch so in eure Sorgen hinein steigern, dass ihr nicht mehr schlafen könnt. Verlasst euch doch besser auf die Hilfe Gottes.
Und lasst euch nicht verunsichern. Gott weiß, dass ihr Sünder seid und ihr eigentlich keinen Anspruch auf seine Hilfe hättet; aber für eure Sünde ist ja Jesus Christus gestorben. Darum habt auch Mut, Gott um etwas zu bitten, auch wenn ihr selbst nicht perfekt seid.

Paul Gerhardt ist ein Mutmacher. Der, der so viele Niederlagen in seinem Leben erlitten hat, macht anderen – macht auch uns – Mut zu einem zuversichtlichen Leben als Christ.
Seine Perspektive ist eben eine langfristige. Er sieht das aktuelle Elend, die Probleme, die eigenen Katastrophen – aber er hat eben auch erfahren, dass letztlich Gott der Herr dieser Welt ist, und am längeren Hebel sitzt.

Darum kann er Gott loben, trotz aller Sorgen und Probleme.
Diese Zuversicht ist nicht jedem in die Wiege gelegt. Aber es lohnt sich, um diese Zuversicht zu ringen. Dabei kann dieses Lied – oder ein anderes fröhliches und dankbares Lied – hoffentlich ein wenig helfen.

AMEN

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