Predigt: Jesu Kelch ist kein heiliger Gral – Gründonnerstag 2024

Der Kelch ist nicht nur das Symbol des Festes, sondern oft auch des des Leidens. Wir nähern uns der Erfahrung, gerade im Leiden und in eigener Unvollkommenheit die Nähe Jesu zu erfahren.

Kennen Sie den heiligen Gral? Also die Geschichte um die Gralsritter, die Gralsburg, manche Wagner-Fans denken an Lohengrin … die Sache mit dem „Heiligen Gral“ ist sehr verworren .. da gibts so viele verschiedene Traditionen aus über 600 Jahren europäischer Mythengeschichte.

Der Gral

Also ganz vereinfacht betrachtet gibt es da die Vorstellung, dass der Heilige Gral der Kelch des Letzten Abendmahls Jesu mit seinen Jüngern ist, der auf einer unbekannten Burg gehütet wird. Dieser Gral hat Zauberkräfte, kann ewige Jugend, Glückseligkeit und vieles mehr verleihen. Aber in den meisten Erzähltraditionen kommt man an diesen Gral nicht so einfach heran, denn nur wer wahren Mut, edle Gesinnung und Reinheit sich bewahrt, wird den Gral finden können.

Jesu Kelch

Was Jesus und seine Jünger am Gründonnerstag vor sich in ihrer Mitte stehen hatten, war wahrscheinlich meilenweit von dem entfernt, was man sich in den Grals-Erzählungen da ausmalt.
Jesu Kelch wird wahrscheinlich kein edelsteinbesetzter Goldkelch gewesen sein. Eher schlicht – aus Ton gebrannt. Eben ein ganz einfaches Trinkgefäß der damaligen Zeit. Vielleicht war da auch schon ein bisschen Material abgeplatzt. Damals gab es noch keine Wegwerfmentalität, da wurden Dinge verwendet, solange sie funktionierten. Mag sein, dass Jesu Kelch tatsächlich kein besonderes Gefäß war, sondern schon ein bisschen abgenutzt und mit ein paar dunklen Flecken.

„Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut…“ als Jesus das sagte, war es für ihn und die Jünger egal, wie dieser Kelch aussah. Sie spürten, das ist gerade nicht nur irgendein Gefäß, sondern es geht um viel viel mehr in diesem Moment.

Und zugleich hat sich im Kopf der Jünger wohl auch die Bedeutung des Kelches verändert. Denn eigentlich ist der Kelch voller Wein ja etwas überaus positives! Da wird gefeiert. Manchmal auch nicht zu knapp – wenn ich an die Geschichte von der Hochzeit zu Kana denke, wo hunderte von Litern Wasser zu Wein wurden, und wo sich auch genügend Konsumenten fanden. Der Kelch mit Wein als Zeichen des Festes, der Gemeinschaft, des Fröhlichseins. Und mit dieser Erwartung sind die Jünger auch mit Jesus zusammen gekommen. Das Passa wollten sie miteinander feiern. Das Fest, bei dem sie an die Befreiung ihrer Vorfahren aus der Unterdrückung in Ägypten zurückdachten.

Und zugleich waren ihre Ohren wohl auch offen für Zwischentöne, für symbolische Handlungen – denn bei diesem Passahfest hatten viele Kleinigkeiten auch immer eine weitergehende Bedeutung.

Und da greift Jesus zum Kelch und fängt an, von seinem Blut zu sprechen. Jesu Wort zum Brot hat sicher die meisten von ihnen schon aufhorchen lassen. Aber wenn Jesus den Kelch in der Hand hält und davon spricht, dass sein Blut vergossen wird … da hat auch der Letzte gepürt: Die Lage ist ernst – todernst.

Jesu Kelch-Anspielungen

Ich denke an Jakobus und Johannes, die beiden Brüder. Es war erst einige Tage her gewesen, da hatten beide darum gebeten, in Jesu künftigen Reich an seiner Seite mitherrschen zu dürfen. Und da hatte Jesus sie gefragt: „Ihr wisst nicht, was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, oder euch taufen lassen mit der Taufe, mit der ich getauft werde?“ Sie hatten das heftig bejaht; und doch wird es ihnen noch länger im Kopf herumgegangen sein, worauf Jesus da wirklich angespielt hatte. Hatten sie es in ihrer Erinnerung, dass der Kelch als Kelch des Unheils oder des Gotteszorns bei den biblischen den Propheten immer wieder als Symbol gebraucht wurde?
Ich denke an Jesus, wenige Stunden nach dem Abendmahl im Garten Gethsemane. Da bittet er „Abba, Vater, alles ist dir möglich; nimm diesen Kelch von mir; doch nicht, was ich will, sondern was du willst!“ Für Jesus war der bittere Kelch ein geläufiges Symbol für ein schweres Schicksal.

Der Kelch in Jesu Hand – er braucht weder Gold noch Edelsteine – seinen  Wert hat er allein von der Fülle an Bedeutung, die er in sich vereint.

Der Kelch der Gegenwart Jesu

Vereint sind auch die Jünger um den Kelch. Es gibt ein recht bekanntes modernes Abendmahlsgemälde von Sieger Köder. Es zeigt die Abendmahlssituation aus der Perspektive Jesu. Alle Jünger sind abgebildet, wie sie den Betrachter des Bildes erwartungsvoll ansehen. Am unteren Bildrand sieht man die Hände Jesu, wie sie auf dem Tisch liegen. Und man erkennt den Kelch mit einem kräftig roten Wein.  Man schaut quasi von oben in den Kelch … und wenn man genau hinsieht, spiegelt sich in der Weinoberfläche Jesu Gesicht.

Das ist das Besondere an diesem Bild: Im Kelch mit Wein begegnet mir Jesus. Ein Bild mit einer starken Symbolik: Im Abendmahl blickt mir Jesus entgegen. Er ist da.
Da hat wohl jeder von uns seine eigene Vorstellung. Wie Jesus da ist; gegenwärtig.
Im Brot.
Im Wein.
Steht er unsichtbar in unserer Mitte oder neben mir, hinter mir?

Sich Jesu Gegenwart vorzustellen ist wirklich nicht einfach. Da kommen wir schnell an unsere Grenzen. Irgendwie helfen uns da innere Bilder, je einfacher und anschaulicher umso besser. Aber zugleich merke ich: Je bildhafter ich es mir vorstelle, umso eher fühlt es sich auch naiv oder kindlich an. Das ist ein Dilemma, an dem sich kirchliche Lehrer vor allem seit dem Mittelalter abgearbeitet haben.

Wie Jesus anwesend ist, wird sein Geheimnis bleiben. Vielleicht reicht es mir ja, darauf zu vertrauen, dass er es damals seinen Jüngern gesagt hat, und ich bleibe bei meinen inneren Vorstellungen, die mir helfen, mir seine Nähe deutlich zu machen.

Kelch und Leid

Zuletzt noch einmal ein Blick auf den Kelch als Kelch des Leids. Aus dem Bonhoeffer-Lied „von guten Mächten“ kennen wir den dritten Vers: „Und reicht du uns den schweren Kelch den bittern, mit Leid gefüllt bis an den höchsten Rand, so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern aus deiner guten und geliebten Hand“. Ein Vers, der – je näher man ihn anschaut, umso mehr die Gänsehaut aufstehen lässt.

Bin ich bereit, auch den schweren Kelch zu nehmen? Meistens werden wir da sowieso nicht gefragt. Aber wie ist es, wenn ich mir bewusst mache, dass sich in diesen Kelch Jesu Gesicht wiederspiegelt? Dass ich ihm im schweren Kelch besser erkenne als im Cocktailglas?

Im Leiden Gott nahe zu sein. In der eigenen Schwäche die Stärke des Glaubens zu erkennen. In den eigenen Zweifeln zu entdecken, was wirklich zählt.
Diese Gedanken erscheinen einem bisweilen absurd erscheint. Aber sie sind ein Teil des Geheimnisses unseres Glaubens und die Kraftquelle, die dazu beiträgt, dass wir auch heute noch Jesus nachfolgen.
Und zwar als ganz normale Menschen. Anders als die Gralsritter müssen wir nämlich nicht über jeden Zweifel erhaben sein, mutig, edel, reinen Gemüts. Die edlen Ritter sollen sich meinetwegen um den Heiligen Gral streiten. Ich bin froh, als ganz gewöhnlicher Mensch, ohne Hürden, in Brot und Wein meinem Gott – meiner Kraftquelle – nahe kommen zu dürfen.

Amen

Hinweis zum Bild von Sieger Köder: Es handelt sich um das Bild „Abendmahl“ aus dem Jahr 1989. Drucke in Postkartengröße können sie hier finden: https://shop.gottesdienstinstitut.org/grundonnerstag-2003-zur-karte-abendmahl-sieger-koder.html

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