
Gottesdienst zum Feuerwehr-Jubiläum
Wir sind dankbar für die großartige Arbeit von Feuerwehr und Rettungsdiensten. Aber was wäre, wenn wir nur noch die 112 rufen, statt uns selber von den Nöten der Anderen berühren lassen?
Hinweis2:
(1) Die Erzählung vom Barmherigen Samariter wurde bereits als Lesung vorgetragen. Die Predigt paraphrasiert am Anfang die „andere“ Version der Erzählung.
(2) Ein Highlight war für viele Besucher das Interview mir zwei Mitarbeitenden des Wünschewagens des ASB. Sie erzählten von ihrer Arbeit, was sie antreibt, und was sie durch ihr Engagement fürs Leben lernen. Das Interview finden sie hier.
Ein Mann geht von Jerusalem nach Jericho. Unterwegs wird er von Räubern überfallen. Sie plündern ihn aus, schlagen ihn zusammen und lassen ihn halb tot liegen.
Der nicht-mehr-barmherzige Samariter
Nun kommt zufällig ein Priester denselben Weg herab. Er sieht den Verwundeten … und kniet sich neben ihm nieder und kramt in seinem Rucksack. Schließlich findet er sein Handy, ruft die 112 und setzt einen Notruf ab. Schön ordentlich mit den 5 W-Fragen: Wo, Was, Wie viele Menschen, welche Verletzungen und Wer ruft an. Danach steht er wieder auf und macht ein Foto vom bewusstlosen Opfer, vielleicht kann man das ja noch brauchen, für Insta, oder für abends beim Stammtisch. Ein mitleidiger Blick auf den Verletzten, aber schon muss er weiter, als Priester ist es ja ein vielbeschäftigter Mann. Ähnlich verhält es sich mit dem Leviten.
Aber als der Samariter kommt, wird alles anders: Er spricht den Schwerverletzten an, fasst an seine Schulter, und genau in dem Moment als der langsam seine Augen öffnet, hört der Samariter von Ferne ein Martinshorn. Ah! Rettung naht, na dann kann ich ja weiter! Also tschüss Kumpel, halte durch, Rettung ist ja auf dem Weg. Dann ist das ja nicht mehr meine Baustelle. Und schwubbs ist er weg, der barmherzige Samariter … der jetzt eigentlich kein barmherziger Samariter mehr ist, sondern nur noch Samariter. Die Barmherzigkeit hat er ausgelagert: Dafür sind jetzt der Rettungsdienst und die Feuerwehr zuständig.
Leben mit den Profis beim Retten und Helfen
Liebe Gemeinde, das biblische Gleichnis, das Jesus erzählt hat, war mit dem herzlosen Priester und Leviten ja schon gruselig genug. Aber was ist, wenn jetzt auch der Samariter schwächelt? Weil er ja weiß: Es gibt die Profis! Diejenigen, die dafür ausgebildet sind, zu retten, zu reanimieren, zu versorgen, zu trösten, die Straße abzusperren, und vieles mehr.
Warum soll er als Amateur sich daran jetzt versuchen? Als ungelernter Ersthelfer? Vielleicht überfordert und voller Angst, etwas falsch zu machen?
Ein bisschen kann ich ihn verstehen. Je professioneller unsere Profis sind, umso schneller fühle ich mich im Vergleich klein und inkompetent. „Was kann ich denn da jetzt groß ausrichten? Ich hab da ja keine Erfahrung.“
Liebe Mitglieder der Feuerwehren. Eigentlich darf man das auch ein bisschen als Kompliment hören. Dieses große Vertrauen, das Menschen in euch haben. Auch im letzten Jahr haben 94% der deutschen Bevölkerung großes und sehr großes Vertrauen in Feuerwehrleute als Person. Sicher hat das mit damit tun, dass es immer beeindruckt, wenn jemand ehrenamtlich so viel Zeit, Kraft und Herzblut für andere Menschen einsetzt.
Auch eure Fähigkeiten sind in 150 Jahren förmlich explodiert. Angefangen hats 1875 mit ein paar Wassereimern als Hilfsmittel. Da lag der Fortschritt vor allem darin, dass man koordiniert zusammenstand, wenn man gebraucht wurde. 1961 gabs die erste Pumpe, und heute können wir alle auf der Blaulichtmeile ein atemberaubendes Arsenal von Hilfs-, Rettungs- und Löschmitteln bewundern. Und drumherum Mannschaften mit hoher Spezialisierung, toller Ausbildung und hoher Motivation und Frustrationstoleranz.
Eine große schlagkräftige Feuerwehr haben wir. Das ist auch das Ergebnis von erfolgreicher Jugendarbeit und funktionierender Kameradschaft. Und es ist auch ein Geschenk, denn man hat es oft nicht wirklich in der Hand, wie sich das menschliche Miteinander entwickelt.
Darum feiern wir gerne mit euch heute diesen Festgottesdienst, weil es so viel gibt, worüber wir einfach froh und dankbar sind. Eine gut aufgestellte Feuerwehr darf man auch als Gottesgeschenk betrachten.
Nächstenliebe lässt sich nicht delegieren
Zurück zu unserem nicht-mehr-barmherzigen Samariter.
Weil Rettungsdienst und Feuerwehr so einen tollen Job machen, lässt er den Verletzten zurück, und verliert eigentlich die Eigenschaft, die ihn über 2000 Jahre in unserer Erinnerung bewahrt hat:
Dass er das Elend des anderen gesehen hat.
Dass er spürt: Da kann ich nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, denn da braucht jemand gerade meine Nähe.
Nähe! Es ist ja nicht immer so, dass unsere ganze Rettungskompetenz gebraucht wird. Dem armen Kerl am Straßenrand hilfts ja schon mal, dass da jemand da ist, der sich um ihn kümmert. Dass er spürt: Ich bin nicht allein. Jeder, der schon mal mit einem Verletzten auf Hilfe gewartet hat, weiß wie quälend lang sich diese Minuten ziehen, bis man irgendwann zum ersten Mal in der Ferne das Martinshorn hört.
Der barmherzige Samariter hat das getan, was er mit seinen Mitteln konnte. Und das war dann auch gut so. „Geh hin und tue das Gleiche“ sagt Jesus.
Das Gleiche tun:
Die Augen offen halten.
Nicht wegsehen, wenn man das Gefühl hat, dass es jemanden gut tut, wenn man ihn spüren lässt: Du bist nicht allein.
Gerade abseits von Unfällen und Katastrophen: Da nimmst du wahr, dass da was nicht stimmt, dass es jemanden schlecht geht. Und du ahnst: Wirklich helfen … ich wüsste nicht wie …
Stopp! Der barmherzige Samariter geht hin, auch auf die Gefahr hin, dass er nicht wirklich weiterhelfen kann. Aber er war da! Er hat den Anderen nicht alleine gelassen. Und vielleicht war das viel wichtiger als eine Intervention von einem Spezialisten.
Wenn du miterlebst, wie grade jemand vor den Trümmern seiner Partnerschaft steht. Wie jemand mit einer Erkrankung in der Familie nicht zurechtkommt. Wie jemand sich verkriecht, weil seine Welt ihn überfordert. Da gibt’s oft auch nicht einfach ne 112, die schnelle Rettung verspricht. Da ist da sein wichtig, zuhören, Empathie. Das Signal ich sehe dich, und du bist nicht allein. Da muss man auch aushalten, dass man nicht der Retter und Problemlöser ist. Aber man war da, war Samariter, hat mit seiner Nähe vielleicht viel mehr bewegt, als man sich ausmalen mag.
Beispiel Wünschewagen
Liebe Gemeinde, es ist so verständlich, dass wir lieber „Retter“ sind, als Helfer oder Tröster. Aber das Leben ist anders. Manchmal können wir die Probleme der anderen nicht lösen. Aber wir können sie begleiten, nicht alleine lassen.
Auf unserer Blaulichtmeile hat auch der „Wünschewagen Franken / Oberpfalz“ einen Stand. Der Arbeiter-Samariter-Bund trägt dieses Angebot.
Dazu gehört auch die Gesamtkoordinatorin für diesen Wünschewagen, Andrea Bänker, die bitte ich mal kurz mal hier nach oben.
Willkommen, schön dass Sie da sind.
– Was macht denn der „Wünschewagen“?
– Wo waren sie gestern unterwegs?
– Wie erleben Sie die Begegnungen mit den Menschen, deren Wünsche Sie erfüllen – und was nehmen Sie selbst davon mit?
– Was würden Sie mit ihren Wünschewagen-Erfahrungen uns heute gerne ins Stammbuch schreiben?
Herzlichen Dank!
… und mach es ebenso
Liebe Gemeinde,
wir sehen es: Helfer sein, das hat viele viele Facetten. Feuerwehr – das feiern wir heute in besonderer Weise. Rettungsdienste, Polizei … wir haben viele Profis. Und dafür können wir in unserem Land dankbar sein.
Unsere Wilhelmsdorfer haben ja den Blick in Übersee, wo sie in Paraguay erlebt haben, wie ein alter Rettungsspreizer und andere Geräte dort ein großer Segen sein können. Weil die Rahmenbedingungen dort für Profis so viel schwieriger sind.
Aber barmherziger Samariter sein, dass ist ein Job für uns alle. Und ich erinnere an das Ende des Gesprächs von Jesus und dem Schriftgelehrten über die Samariter-Story:
Jesus fragte: Was meinst du: Wer von den dreien ist dem Mann, der von den Räubern überfallen wurde, als Mitmensch begegnet?«
Der Schriftgelehrte antwortete: »Der Mitleid hatte und sich um ihn gekümmert hat.«
Da sagte Jesus zu ihm: »Dann geh und mach es ebenso.«
Amen