Jona
Einmal (fast) das ganze Buch Jona mit der Gemeinde in einem Durchgang in den Blick nehmen! Die Predigt wechselt sich mit Lesungen aus der Jona-Erzählung ab. Dabei erkennen wir an mehreren Stellen, dass Gott mit uns Menschen enorm viel Geduld hat.
Lesung 1: Jona 1,1-2,1
1 Eines Tages empfing Jona, Amittais Sohn, eine Botschaft vom HERRN. Gott sprach zu ihm: 2 »Geh in die große und mächtige Stadt Ninive und kündige ihren Bewohnern mein Strafgericht an! Denn ihre Bosheit schreit zum Himmel, ich kann sie nicht länger mit ansehen!« 3 Jona machte sich auf den Weg – aber in die entgegengesetzte Richtung! Er floh vor dem HERRN und kam zunächst in die Hafenstadt Jafo. Dort fand er ein Schiff, das gerade nach Tarsis segeln sollte. Er bezahlte das Geld für die Überfahrt und ging an Bord. 4 Doch als sie auf dem Meer waren, ließ der HERR einen starken Sturm aufkommen. Das Unwetter tobte so heftig, dass das Schiff auseinanderzubrechen drohte. 5 Angst packte die Seeleute, und jeder schrie zu seinem Gott um Hilfe. (…)
7 Die Seeleute sagten zueinander: »Schnell, lasst uns das Los werfen! Wir müssen herausfinden, wer an unserem Unglück schuld ist!« Das Los fiel auf Jona, 8 und so stellten sie ihn zur Rede: »Komm, sag uns, warum uns dieses Unglück getroffen hat! Was machst du hier? Aus welchem Land kommst du, und zu welchem Volk gehörst du?« 9 Jona antwortete: »Ich bin ein Hebräer und verehre den HERRN, den Gott des Himmels, der das Land und das Meer geschaffen hat.« 10 Dann verriet er ihnen, dass er vor Gott auf der Flucht war. Die Seeleute bekamen noch mehr Angst und machten Jona Vorwürfe: »Warum hast du das getan? 11 Was sollen wir jetzt mit dir machen, damit das Meer uns nicht länger bedroht?« Denn die Wellen türmten sich immer höher auf. 12 Da sagte Jona: »Werft mich ins Meer! Dann wird es sich beruhigen und euch verschonen. Ich weiß: Dieses Unwetter ist nur durch meine Schuld über euch gekommen.« 13 Die Seeleute ruderten mit aller Kraft, um doch noch an Land zu gelangen. Aber sie schafften es nicht, weil der Sturm immer heftiger tobte. 14 Da schrien sie zum HERRN: »Ach, HERR, lass uns nicht umkommen, wenn wir jetzt das Leben dieses Mannes opfern müssen! Bestrafe uns nicht wie Mörder, die unschuldiges Blut vergießen! Denn du hast es ja so gewollt.« 15 Sie nahmen Jona und warfen ihn ins Meer. Sofort legte sich der Sturm. 16 Die Männer erschraken und fürchteten sich vor dem HERRN. Sie brachten ihm ein Schlachtopfer dar und legten Gelübde ab.
1 Der HERR ließ einen großen Fisch kommen, der Jona verschlang. Drei Tage und drei Nächte war Jona im Bauch des Fisches.
Ansprache A
Liebe Gemeinde,
Der Prophet Jona – er gehört zu den wenigen Personen, die in unserer Bibel mit einem eigenen Buch vertreten sind. Das Buch des Prophten Jona ist zwar recht kurz, aber immerhin: Es gehört zu den 12 Prophetenbüchern – Er gehört in die Reihe der Männer, die im Auftrag Gottes unterwegs waren.
Obwohl: Das passt hier ja nur bedingt. Jona macht ja genau das Gegenteil von dem, was Gott will: Nach Ninive soll er gehen, und er macht sich idie entgegengesetzte Richtung auf.
Helden sehen anders aus! Jona ist eher so ein Anti-Held. Einer, der es nicht hinbekommt. Als Prophet zunächst mal eine Fehlbesetzeung.
Wobei: Er ist ja nicht Prophet von Beruf. Jedenfalls steht hier nichts davon. Und das ist auch keine Überraschung. Die bedeutenden Propheten der Bibel waren keine Profis. Nur ganz selten Priester – eher Landwirte oder Handwerker.
Jona ist jemand, der merkt, dass Gott etwas von ihm will … nach Ninive soll er … aber dazu hat er gerade nicht sonderlich viel Lust.
Da kann ich ihn gut verstehen. Einer Stadt den Untergang ankündigen, da weiß man ja schon, dass das alles andere als lustig wird. Da kann man sicher sein, dass man sich damit lächerlich machen wird. So wie viele andere Propheten vor ihm auch nie ernstgenommen wurden. Ausgelacht, verspottet, verprügelt. Gottes mahnende Worte den Leuten sagen, ist eine heikle Geschichte. Da ist Gegenwind vorprogrammiert. Also gehts auf ein Schiff weit weg von Ninive.
Aber Gott lässt sich von Jona nicht auf der Nase herumtanzen. Er setzt das Meer in Bewegung, um Jona aufzuhalten. Und dabei wird es hochdramatisch. Eine Situation auf Leben und Tod: Ein Schiff in Seenot, keiner weiß, wie das ausgehen wird. Und die Seeleute ahnen, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Als sie herausfinden, dass sich Jona mit Gott angelegt hat, ist das für sie ein Horror. Die heidnischen Seeleute mit ihrer Vorstellung, wie Götter so sind, glauben zu wissen: Wenn es sich jemand mit den Götter verscherzt, ist ein schneller Tod noch die harmloseste Variante. Und bald fliegt Jona über Bord.
Unter normalen Bedingungen wäre die Geschichte jetzt schon zu Ende. – Aber Gott gibt nicht auf.
Er gibt Jona nicht auf, und er gibt die Stadt Ninive nicht auf. So kommt dieser Fisch ist Spiel. Sozusagen als Taxi, das den unwilligen Propheten zurück auf die Startposition bringen soll.
Das mit dem Fisch ist schon eine komische Geschichte. Aber daran haben sich diejenigen, die das aufgeschrieben haben, nicht gestört. Viel unglaublicher fanden sie wahrscheinlich etwas anderes: Dass Gott diesem Jona eine zweite Chance gibt. Dass Jona im Rückblick sagen kann: Es gab in meinem Leben einen Moment, wo ich so ziemlich alles falsch gemacht habe. Ich wusste es, und habs trotzdem getan. Und ich bin so in eine selbst verschuldete Katastrophe reingeraten, die mich und vielen anderen fast das Leben gekostet hätte. Aber Gott hat mich nicht aufgegeben – und hat mir einen Neuanfang geschenkt.
Lied
Lesung 2: Jona 3, 1-4,3
1 Da empfing Jona wieder eine Botschaft vom HERRN. Zum zweiten Mal sprach Gott zu ihm: 2 »Geh in die große und mächtige Stadt Ninive und verkünde den Menschen dort, was ich dir auftrage!« 3 Diesmal machte sich Jona auf den Weg nach Ninive, wie der HERR es ihm befohlen hatte. Die Stadt war so groß, dass man drei Tage brauchte, um sie zu durchqueren. 4 Jona ging in die Stadt hinein, und nachdem er einen Tag lang gelaufen war, rief er: »Noch vierzig Tage, dann legt Gott Ninive in Schutt und Asche!« 5 Da glaubten die Einwohner von Ninive an Gott. Sie beschlossen zu fasten, und alle, von den einflussreichsten bis zu den einfachen Leuten, zogen als Zeichen ihrer Reue Kleider aus grobem Stoff an. 6 Auch dem König von Ninive war Jonas Botschaft ausgerichtet worden. Er stieg von seinem Thron und legte sein Herrschergewand ab. Stattdessen zog er ein Bußgewand an und setzte sich in die Asche. 7 In der ganzen Stadt ließ er ausrufen: »Hört, was der König und die führenden Männer anordnen: Niemand darf etwas essen oder trinken, weder die Menschen noch die Rinder, Schafe und Ziegen. 8 Menschen und Tiere sollen Tücher aus grobem Stoff tragen und mit aller Macht zu Gott schreien. Jeder muss von seinen falschen Wegen umkehren! Keiner darf dem anderen mehr Unrecht tun! 9 Vielleicht lässt sich Gott ja noch umstimmen und hat Erbarmen mit uns; vielleicht wendet er seinen glühenden Zorn von uns ab, und wir kommen mit dem Leben davon.« 10 Gott sah, dass die Menschen von ihren falschen Wegen umkehrten. Da taten sie ihm leid, und er ließ das angedrohte Unheil nicht über sie hereinbrechen.1 Jona aber ärgerte sich sehr darüber, voller Zorn 2 betete er: »Ach, HERR, habe ich das nicht gleich geahnt, als ich noch zu Hause war? Darum wollte ich ja auch so rasch wie möglich nach Tarsis fliehen! Ich wusste es doch: Du bist ein gnädiger und barmherziger Gott. Deine Geduld ist groß, deine Liebe kennt kein Ende. Du lässt dich umstimmen und strafst dann doch nicht. 3 Darum lass mich nun sterben, HERR, das ist besser für mich als weiterzuleben!«
Ansprache B
Ach, der arme Jona. Da befolgt er Gottes Auftrag, und tatsächlich ändern sich die Menschen in Ninive und Gott entscheidet sich, die Stadt nicht zu vernichten. Wie steht er jetzt da? Da hat er die Zerstörung der Stadt prophezeit – und passiert ist nichts! Er hört sie schon, die Leute: “Ja, da macht Jona die großen Sprüche … und ihr seht: passiert ist nichts! So ein Scharlartan!”
Ja, Jona hat alles richtig gemacht – letztlich Tausenden das Leben gerettet – aber es dankt ihm keiner, weil das, was er verhindert hat, eben keiner sieht.
Eigentlich müsste das die Lieblingsbibelstelle der Virologen und Katastrophenschützer sein. Sie erleben das ja auch: Sie haben in Sachen Corona in Deutschland frühzeitig Alarm geschrien – die Menschen haben reagiert – und wir kamen glimpflich davon. Aber es wird immer Menschen geben, die ihnen vorwerfen. “Ihr habt da eine Riesenpanik geschürt … und passiert ist nichts.”
Aber auch ganz ohne Virus gibt es das auch bei uns. Bei vielen, die sich engagieren, in der Kirchengemeinde, in Vereinen, Insitutionen und anderswo: man erlebt, dass die eigene Arbeit, die Zeit und Liebe, die man da investiert, kaum gesehen und gewürdigt wird …. eben weil alles prima läuft. Erst wenn man sagen würde: Ich hör auf! – Dann würde sichtbar, was dann alles eben nicht mehr laufen würde, was dann plötzlich zusammenbrechen würde.
Jona ist enttäuscht. Der große Rums, die Zerstörung der Stadt hätte ihm und seinen Worten Recht gegeben. Dann wäre er irgendwie zufriedener gewesen. Offenbar hat er vergessen, dass er dann zusehen müsste, wie tausende von Menschen in einer Katastrophe den Tod finden. – Hätte er das wirklich gewollt? Bloß um Recht zu behalten?
Und ist es nicht so, dass erst wenige Tage oder Wochen zuvor Jona selber sein Abenteuer mit dem Schiff nur überlebt hat, weil Gott bei ihm Gnade vor Recht hat gelten lassen.
Aber wir Menschen sind vergesslich. Und auch manchmal bockig, darum will Gott seinem Jona eine Lektion erteilen, bei der er es noch einmal erleben soll:
Lesung 3
6 Da ließ Gott, der HERR, eine Rizinusstaude über Jona hochwachsen. Sie sollte ihm noch mehr Schatten geben und seinen Missmut vertreiben. Jona freute sich sehr über die Pflanze. 7 Doch am nächsten Morgen kurz vor Sonnenaufgang ließ Gott einen Wurm die Wurzeln des Rizinus zerfressen, und die Staude wurde welk und dürr. 8 Als die Sonne aufging, schickte Gott einen glühend heißen Ostwind. Die Sonne brannte Jona so auf den Kopf, dass er erschöpft zusammenbrach. Er wünschte sich zu sterben und seufzte: »Wenn ich doch nur tot wäre, das wäre besser als weiterzuleben!« 9 Da fragte ihn Gott: »Ist es recht von dir, wegen dieser Rizinusstaude so zornig zu sein?« Jona antwortete: »Mit vollem Recht bin ich wütend, am liebsten wäre ich tot!« 10 Der HERR entgegnete: »Du hast dich mit dieser Staude keinen Augenblick abmühen müssen, nichts brauchtest du für sie zu tun. In einer Nacht ist sie gewachsen, und in der nächsten ging sie zugrunde. Trotzdem hättest du sie gerne verschont. 11 Ich aber sollte Ninive nicht verschonen, diese große Stadt, in der mehr als 120.000 Menschen leben, die Gut und Böse nicht unterscheiden können, und dazu noch so viele Tiere?«
Ansprache C
Mit einer offenen Frage endet diese Geschichte.
Dabei ist die Antwort ja schon längst gegeben: Gott sagt: Mich reuen die Menschen, ich will sie nicht ins Unglück stürzen. Darum gibt er Ninive noch einmal eine Chance, darum hat er Jona nicht ertrinken lassen, darum gibt er jedem von uns immer wieder die Möglichkeit, neu anzufangen, wenn wir einmal den falschen Weg gegangen sind.
Und: Wenn ich mal wieder denke, die anderen hätten schon mal einen ordentlichen Dämpfer verdient, da müsste Gott mal so richtig …. Dann merke ich: Hoppla, da sitzt du jetzt plötzlich neben Jona unterm Rizinus, da solltest du gut überlegen, ob du deinem Gott seine Barmherzigkeit wirklich zum Vorwurf machen möchtest
Amen