Im zweiten Korintherbrief fliegen die Fetzen. Aber trotz aller persönlicher Verletzungen kämpft Paulus um die Einheit der Parteien. Mit Ratschlägen, die auch in unseren Konflikten eine Hilfe sein können.
Predigttext (2. Kor 13, 11-13):
11 Zuletzt, liebe Brüder, freut euch, lasst euch zurechtbringen, lasst euch mahnen, habt einerlei Sinn, haltet Frieden! So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein. 12 Grüßt euch untereinander mit dem heiligen Kuss. Es grüßen euch alle Heiligen. 13 Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!
Liebe Gemeinde,
sind das nicht schöne, freundliche Worte, die der Apostel Paulus da am Ende seines Briefes an die Gemeinde in der Stadt Korinth formuliert hat? Von Einigkeit und Frieden untereinander ist da die Rede.
Fast könnte man sagen: Naja … halt typisch Kirche … alle sind nett, alle sind lieb, und irgendwie auch harmlos.
Aber leider nur auf dem ersten Blick!
Wenn man in seiner Bibel nämlich zwei, drei Seiten zurückblättert, ist es nichts mehr mit dem kirchlichen Friede-Freude-Eierkuchen. Denn einige Korinther haben diesen Paulus nach allen Regeln der Kunst gemobbt. So würde man heutzutage das nennen, was Paulus damals durchlebt hat.
Paulus im Konflikt
Eigentlich war ja alles in bester Ordnung gewesen. Paulus hatte diese Gemeinde gegründet. So sollte man davon ausgehen, dass sich diese Gemeinde und ihr Gründer eigentlich gut verstehen sollten. Und man würde erwarten, dass sich die Leute dort etwas von Paulus, sagen lassen und ihm Respekt entgegen bringen.
Aber es kam anders, vor allem kam es hintenrum! Das kennt man ja.
Hintenrum wird gelästert und attackiert. Da ist Paulus vielen nicht mehr gut genug. Man vergleicht … da gibt es ja durchaus andere, die besser predigen können, die die Leute ganz anders begeistern können, echte Charismatiker eben! Und überhaupt ist Paulus vielen viel zu stur und besserwisserisch, hat seine Lieblingstehmen. Genau genomen ist er ja nur einer von der zweiten Liga, gehörte nicht zu den 12 Jüngern, die mit Jesus durch das Land gezogen sind.
Über manche Kritik kann man diskutieren, anderes ist einfach nur persönlich und verletzend – vor allem muss Paulus damit umgehen, dass er momentan ja gar nicht vor Ort ist, und sich nur über Briefe verteidigen kann. Und das tut er dann auch.
In diesem Brief, den zweiten Brief an die Gemeinde in Korinth, lässt Paulus an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Paulus spricht seine Kritikpunkte ohne Umschweife an: Falsche Apostel sind es, die in Korinth nun spektakulär für Furore sorgen, es geschieht Unrecht in der Gemeinde, und er will bald nach Korinth reisen, um hier wieder für Klarheit zu sorgen. Er geht ordentlich zu Sache, Paulus schimpft, kritisiert und arbeitet auch mit Ironie und Sarkasmus. Wenn man das, was man da liest, in einer Besprechung hören würde, könnte man sagen: Da sind gescheit die Fetzen geflogen.
Und da, wo Paulus zum Ende kommt, wo alles gesagt ist, kommt der Schluss des Briefes, den wir ja eben schon gehört haben: Zuletzt, liebe Brüder, freut euch, lasst euch zurechtbringen, lasst euch mahnen, habt einerlei Sinn, haltet Frieden! So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein.
Paulus will nicht im Streit schließen – er will nicht beleidigt mit den Türen knallen, sondern er wünscht sich einen guten Kontakt miteinander – so dass es in der Gemeinde weitergehen kann.
Liebe Gemeinde,
leider ist uns nicht überliefert, wie es nach diesem Brief und mit der Gemeinde der Korinther weiterging. Aber interessant ist es, zu sehen, wie sehr Paulus trotz aller Differenzen und Verletzungen nach Einheit strebt. Und ich glaube, dieser Briefschluss ist ein interessanter Wegweiser für unseren Umgang mit solchen Streitigkeiten, Differenzen, mit solchen Erlebnissen von Hintergangen- und verleumdet werden.
Lass dich korrigieren!
Schauen wir auf den ersten Rat:
„Lasst euch zurechtbringen, lasst euch mahnen!“ Sagt Paulus. Nehmt einen Rat von außen an! Das gilt nicht nur für Konflikte zwischen Gemeinden und ihren Leitern, sondern ganz grundsätzlich in Streitigkeiten, in die wir verwickelt sind. Die Sicht eines Menschen von außen kann da oft eine große Hilfe sein. Wenn mir jemand sagt, wo meine Anteile am Konflikt sind; wo ich auch falsch oder ungeschickt agiere.
„Von außen”, bedeutet vor allem, dass derjenige auch eine neutrale Position braucht! Wie oft fragen wir in Konflikten nur die Menschen um Rat, von denen wir erwarten, dass sie uns in unserer Sicht bestätigen? Das hilft nicht weiter, wenn jeder nur seine Kumpels hinter sich in Stellung bringt und dann behauptet: Der und der sieht das auch so. Dann geht der Krach genauso weiter, nur eben mit noch mehr Beteiligten.
Lass dich korrigieren! Gehe davon aus, dass du nicht die Wahrheit und das Rechthaben für dich gepachtet hast! Finde Menschen, die dir ehrlich sagen, wo du gerade auf dem falschen Dampfer bist. Und gehe mit diesen Menschen gut um, weil die in deiner Situation wertvoller sind, als fünf andere, die aus lauter Freundschaft sich nicht trauen, dir ihre ungeschminkte ehrliche Einschätzung zu sagen.
Umgekehrt bedeutet das auch: Wenn dich eine Freundin oder ein Freund nach deiner Einschätzung fragt, dann tue ihm etwas Gutes und sage ihm ehrlich, was dein Eindruck ist. Auch wenn es viel einfacher ist, einem ohnehin verletzten oder wütenden Menschen in seiner Sicht der Dinge zu bestätigen.
Natürlich ist es ein Kunststück, dies so zu tun, dass es auch gehört und verstanden wird. Je nach Mentalität sind mache Menschen da sehr hellhörig, und andere fast taub. Manche sind fähig mit ehrlicher Kritik umzugehen, und andere sind da sensibel und wittern sofort Verrat, wenn man nicht wie bestellt Partei ergreift. Aber es ist auch ein Dienst der Nächstenliebe, manchmal jemanden etwas anderes zu sagen, als er es eigentlich wünscht. Ein Sprichwort sagt: „Man sollte die Wahrheit dem anderen wie einen Mantel hinhalten, dass er hineinschlüpfen kann – nicht wie ein nasses Tuch um den Kopf schlagen.” – Und das ist zweifellos ein enormes Kunststück.
Jage dem Frieden nach
Ein zweiten Wunsch formuliert der Apostel Paulus am Ende seines Briefes: Habt einerlei Sinn, haltet Frieden!
Wobei „Wunsch” der falsche Begriff ist: Frieden ist für ihn die einzig denkbare Option: Nämlich dass Konflikte letztlich beigelegt werden, dass man sich versöhnt, dass man in Frieden miteinander leben kann.
Der dauerhafte Streit, das Anlegen von inneren Schützengräben ist für Paulus undenkbar. Für uns als Nachfolger Jesu ist die gelebte Nächstenliebe ein klarer Auftrag – und auch eine enorme Herausforderung.
Es ist ja nicht so, dass wir uns alle nur lieb haben! Es gibt Menschen, die können sich nicht ausstehen. Manchmal sind es alte Geschichten die nicht aus der Welt zu schaffen sind, manchmal ist man einfach so unterschiedlich gestrickt, dass man regelmäßig aneinander gerät. Das gehört zum Leben dazu und scheint in unserer Welt unvermeidlich. Wir leben in einer Welt, in der die Spuren des Sündenfalls auch in diesem zwischenmenschlichen Bereich deutlich zu sehen sind. Wir sind Sünder, die auch da immer wieder versagen.
Aber: Auch wenn der Auftrag manchmal unerfüllbar erscheint, ist er deshalb nicht aufgehoben. Jesu Gebot der Nächstenliebe bleibt. Das unterscheidet uns als Christen von denjenigen, die ihrem verhassten Gegenüber gegebenenfalls die Pest an den Hals wünschen.
Jesus weist uns auf den Weg der Liebe und der Vergebungsbereitschaft – auch wenn wir uns manchmal daran die Zähne ausbeißen. Dann müssen wir uns eingestehen, dass wir es nicht schaffen, dann dürfen wir dankbar annehmen, dass Gott uns auch dieses Versagen vergibt – aber: Das Gebot nach der Einheit und Frieden zu streben bleibt bestehen – der Weg der Liebe bleibt unser Weg.
Unter Gottes Segen
Liebe Gemeinde,
das klingt nach mühevoller Arbeit. Nach aufreibenden Ringen mit den Anderen, und auch nach anstrengendem Sich-Abkämpfen mit sich selbst.
Darum, will ich den letzten Vers aus unserem Predigttext noch einmal hervorholen: Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Diese Worte klingen uns so vertraut, da hört man fast routiniert darüber hinweg. Aber was da drin steckt, ist nicht nur die Anspielung auf den dreieinigen Gott, was wohl dazu geführt hat, dass dieser Abschnitt heute an Trinitatis offizieller Predigttext ist. Viel wichtiger ist: Paulus schließt seinen konfliktgeladenen Brief mit einem Wort der Hoffnung. Nämlich mit dem Verweis auf die helfende und gütige Hand Gottes bei dem, was wir in seinem Namen tun.
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus – die mich erinnert, dass mir vergeben ist, wo ich beim Ringen um Frieden und Liebe versage.
die Liebe Gottes – die mir sagt: du bist von Gott geliebt, und diese Liebe kannst du auch weitergeben, weil Gott sie durch dich zum Anderen weiterfließen lässt.
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes – die mir bewusst macht: In uns allen ist Gottes Geist am Wirken. Ich bin nicht allein auf mich gestellt, sondern er gibt meiner Seele und meinem Herzen Kraft, Mut und Zuversicht.
Unter dieser Flagge können und wollen wir es versuchen: Konflikte nicht zu scheuen und gleichzeitig für den Frieden zu kämpfen.
Amen
Bild oben: Robin Backes / pixelio.de