Ein Bild von Rüdiger Pfeffer regt am Pfingstsonntag zum Nachdenken an. Mit einem Himmel, der nicht „oben“ ist und einer Taube, die mich eher an eine Schwalbe denken lässt.
Liebe Gemeinde
„Aber der Tröster, der heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“ (Joh 14, 26) – So hat Jesus es seinen Jüngern verheißen.
Da wird einer kommen, der sie auf dem Weg, den Jesus mit Ihnen gegangen ist, weiter begleiten wird. Der Verbindung schafft zwischen ihnen und ihrem Herrn Jesus, der nun, nach Himmelfahrt nicht mehr da ist.
Wir brauchen Bilder
Wie soll das werden – mit dem Heiligen Geist.
Überhaupt: Wie soll man sich das vorstellen?Unser Verstehen braucht ja Bilder – Szenen – Symbole. Gerade, wenn es um etwas geht, was sich schwer in Worte fassen lässt, hilft oft ein einfaches Bild.
Himmelfahrt ist so ein Bild. Jesus, der vor den Augen der Jünger nach oben entrückt wird, bis eine Wolke ihnen die Sicht nimmt. Jesus hätte auch einfach so verschwinden können, aber für das Verstehen der Jünger und derer, die später davon hörten war es wohl gut, so ein inneres Bild vom zurückkehrenden Jesus zu haben.
Und bei Pfingsten ist das nicht anders. Wie soll man das verstehen, dass der Heilige Geist zu den Menschen kommt? Wo spürt man das, wie wird das sichtbar und erlebbar? Das hätte ja auch ein stiller und unspektakulärer Prozess sein können. Aber unser Gott, der um die menschliche Begriffsstutzigkeit weiß, gönnt uns Menschen das eindrucksvolle Bild, das wir aus unserer Bibel kennen: Die Flammen auf den Köpfen der Jünger, das Sturmbrausen und die wundersame Fähigkeit der Apostel, von Menschen aller Sprachen verstanden zu werden.
Diese Szenen haben wir seit fast 2000 Jahren im Kopf, wenn es um Pfingsten und Heiligen Geist geht.
Liebe Gemeinde,
Solche anschaulichen inneren Bilder sollen uns helfen, zu verstehen, was da geschieht. Damals, wie heute. So möchte ich heute mit ihnen ein Bild, ein Gemälde, ansehen, das auch Pfingsten zeigen will. Es ist von einem deutschen Künstler. Rüdiger Pfeffer heißt er. Manchen ist er bekannt von seinen Illustrationen von Kinderbibeln oder von Comics, die oft auch religiöse Themen aufgreifen. So hat er auch einmal Jesu Leben sehr feinfühlig als Comic (Jesus der Galiläer, Bd.1 ) gestaltet.
Der Himmel beginnt hier
Schauen wir also mal darauf: Was gibts zu sehen?
Die Taube, als Symbol des Heiligen Geistes kennen wir. Aber wo kommt sie nur her? Sie kommt aus einem tiefen Blau heraus – so, als wäre es ein langer Tunnel, der nach hinten hin immer blauer und die Farbe immer satter wird.
Blau, das ist die Farbe des Himmels. Nur ist diesmal der Himmel nicht „oben”, sondern mittendrin im Bild.
Gottes Himmel ist nicht irgendwie fern oben, quasi im Weltraum, sondern er beginnt hier! Mitten unter uns, da beginnt der Himmel und von hier aus führt der blaue Weg wie ein Tunnel in Gottes Welt. Die Verbindung zwischen Gott und Mensch hat keine geografische Koordinate, sondern sie entsteht im Hier und Jetzt. Und die Taube, der Heilige Geist ist es, der auf diesem Weg zu uns kommt. „Der heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe”, sagt Jesus.
An Pfingsten feiern wir diesen Tunnel mit dieser Taube.
Wir freuen uns, dass es diesen Weg zwischen Gottes Welt und unserer Welt gibt. Jesus hat ihn für uns geschaffen. Wir denken daran, dass mit dieser Taube, etwas von Gott zu uns kommt, was wir niemals allein erringen könnten. Seine Nähe in uns selbst. Dass wir seine Kraft in uns drin spüren. Heiliger Geist – das heißt, das Gott nicht fern ist, sondern ganz ganz nah, nämlich in mir selber ein Nest baut.
Farbe kommt ins Leben
Die Dynamik, die Pfingsten entfaltet, hat der Künstler mit kräftigen Farben ausgedrückt. Ein kräftiges Gelb kommt uns entgegen, die Farbe des Lichts und der Sonne. Obwohl der Tunnel ja eigentlich dunkelblau erscheint, kommt das Gelb anscheinend genau aus dieser Richtung, im diesen Tunnel herum ist das knalligste Gelb. Und an der Grenze der Flächen mischen sich Gelb und Blau zu Grün, zur Farbe der Hoffnung.
Und vom blauen Himmel zu uns hin, da sehen wir … ja was sehen wir denn da? Sind das wir, diese bunten Farbkleckse?
Ist das unsere Welt, die durch Gottes Liebe erblüht?
Ich sehe da jedenfalls viele verschiedene Farben. Der Geist Gottes ins uns macht uns nicht gleichförmig und gleichfarbig. Obwohl in jedem der gleiche Gott am Wirken ist, entfaltet jedes Leben seine eigene Farbe.
Rot sehe ich sehr häufig blühen. Da, wo Liebe empfangen und weitergegeben wird. Menschen spüren, dass Gott sie annimmt und sind darum auch bereit, diese Liebe an andere weiterzugeben, auch an die, die auf dem ersten Blick nicht so liebenswert erscheinen.
Violett, die Farbe der Nachdenklichkeit und Zurückhaltung. Sie ist da durch aus auch zu sehen. Pfingsten haben wir ja eigentlich als „rauschendes” Kirchenfest im Kopf: Enthusiastische Jünger, Trubel im Tempel, eine feurige Predigt des Petrus. Aber der Geist lehrt uns auch Bescheidenheit und Zurückhaltung. Auch wenn Gott in mir wohnt, ist nicht alles schön und gut in meinem Leben. Traurigkeit, Depression, Selbstzweifel – das gehört zu den Lilatönen im Leben, die gibt es auch.
Ich kann mich an Gespräche mit Christen erinnern, die meinen: Wenn du Gott in deinem Herzen hast, wenn der Geist Gottes in dir wohnt, dann ist alles gut, dann wirst du nicht krank, schon gar nicht psychisch, dann ist dein Leben von vorn bis hinten glücklich. Ich denke: Das ist frommer Selbstbetrug und lässt sich mit unserer Bibel schon mal gar nicht begründen. Aus Düsterkeit kann zum Leben eines Gotteskindes dazugehören.
Nicht zu übersehen ist das Grün in diesem bunten Allerlei: Die Farbe, die ja neben der Hoffnung auch Wachstum ausdrückt. Hier wächst etwas! Glaube ist nicht auf Stagnation aus. Er will von Mensch zu Mensch weitergesagt werden. Er will in jedem einzelnen von uns wachsen, an Bedeutung gewinnen, unser Leben bereichern.
Wo der Geist weht, da ist es bunt, wobei es wahrscheinlich kein Zufall ist das die rötlichen Farbtöne überwiegen.
Taube oder Schwalbe?
Liebe Gemeinde,
wissen Sie, worüber ich mich bei diesem Bild besonders freue? Über die Art, wie der Künstler die Taube gemalt hat! Und auch wenn das Folgende lustig klingt, ist es mir ziemlich ernst, und vielleicht hat es auch damit zu Tun, dass ich zu wenig über Tauben weiß:
Ich habe nämlich mit unseren Heilig-Geist-Tauben in unseren Kirchen ein kleines Problem. An Kanzeln und Altären sehen wir sie, und meist sind das kräftig gebaute, fette Vögel. So ähnlich, wie ihre Geschwister draußen auf den Dächern. Die hocken da behäbig auf der Dachrinne oder dem Giebel und machen Dreck!
Ehrlich: Die haben ja so gar nichts vom Heiligen Geist; dieser Kraft Gottes in uns, die uns antreibt, belebt, die uns bewusst macht, dass Gott uns liebt.
Und dann sehe ich auf dieser Karte diese Silhouette der Taube. Mit weiten Flügeln, mit einer dynamischen Form. Leicht und beweglich erscheint mir dieser Vogel. Und ich stelle mir vor, wie er seine Kreise zieht, dicht über denen, die hier unten zu sehen sind – fast so, wie die Schwalben manchmal am Abend. Bringt Farbe in ihr Leben, stuppst die an, reißt sie aus ihrer Lethargie und versetzt sie in Bewegung.
Mal saust dieser Vogel im Tiefflug über mich hinweg und schreckt mich auf.
Wenig später zieht er über uns seine Kreise und ich fühle mich geborgen.
Wann er was tut, habe ich nicht in der Hand. Der Geist Gottes weht, wo er will – aber er ist da. Er lässt mich spüren, dass Gottes Himmel nicht irgendwo ist – sondern ganz nahe. Denn da wo, ich Gottes Nähe in mir spüre, da ist dieses blaue Tor zum Himmel.
Amen
Bücher mit Illustrationen von Rüdiger Pfeffer:
Komm, lass uns feiern: Die Bibel für Kinder mit Fragen zum Leben