Predigt: Für dich solls Gottes Worte regnen… (Jesaja 55, 10-12) 18. Februar 2001

Jesaja 55, 10-12:
Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und läßt wachsen, daß sie gibt Samen, zu säen, und Brot, zu essen, so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende.
Denn ihr sollt in Freuden ausziehen und im Frieden geleitet werden.

Liebe Gemeinde,

Heute scheinen sie sich mal wieder ganz besonders einig zu sein: die Evangelien-Lesung von vorhin und der Predigttext aus dem Alten Testament – beide sprechen vom Gotteswort und von der Landwirtschaft. Das ist mir recht, an meinem letzten Gottesdienst hier in Herzogenaurach, bevor ich zum Land-Pfarrer werde.

Gottes Wort – was ist das eigentlich? Als erstes fällt mir natürlich die Bibel ein, die Heilige Schrift, als Gottes Wort. Es ist mir dabei schon klar, dass die Bibel von Menschen geschrieben wurde, aber trotzdem: sie ist Gottes Wort, weil sie nicht nur über Gott redet (das können ja viele), sondern weil sie von Gott her redet. Sie ist nicht nur eine Informationsquelle, wie irgendein Lexikonartikel, sondern dieses Buch sagt mir etwas von Gott her. Ist eher Brief als Zeitung. Gottes Brief an mich… Gottes Wort.
Aber ich denke, dass Gott uns auch anders Briefe schreibt, dass auch auf andere Weisen Gott mit uns redet. Wo das dann passiert dann können wir das auch „Gottes Wort“ nennen.

Das Wort Gottes ist, so sagt es der Prophet Jesaja, von ganz besonderer Qualität. Das Wort Gottes ist so wie der Regen, der vom Himmel fällt. Er fällt dorthin, wo es ihm gefällt… nämlich so ziemlich überall hin.
Nun ja, das machen viele Worte. Ich habe manchmal den Eindruck, dass es Menschen gibt, die auch immer und überall viele Worte fallen lassen, ihren Senf dazugeben. Ungefragt und auch nicht unbedingt sinnvoll. Und es gibt Menschen die sagen wohl überlegte Dinge, die beeindrucken und einen vielleicht sogar anregen. Aber: Eher selten bewirken diese Worte wirklich etwas, das über den Tag oder die Woche hinausgeht.

Das Wort Gottes, von dem der Prophet spricht, aber fällt nicht einfach irgendwohin und versickert lautlos und spurlos, sondern es feuchtet die Erde an, macht sie fruchtbar, lässt etwas wachsen, bringt Leben.

Gotteswort als effizientes, wirksames Wort. Ein Wort, das sein Ziel nicht verfehlt: der Prophet sagt: es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen sondern wird tun was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende.

Mir gefällt das Bild vom Wort Gottes als Regen, als Landregen, wie ich ihn als Junge kennen gelernt habe: Ein Regen, der nicht auf die Straße fällt und über die Regenrinne in den Gully fließt. Dieser Regen fällt auf Wiesen und auf Äcker, wird vom Boden aufgesogen. Diesen Regen kann man auch dann noch spüren, wenn es schon aufgehört hat zu regnen. Wenn man über die Flur geht, kann man die feuchte Erde riechen. Und es gibt ganz spezielle Geräusche. Das muss man erlebt haben: Eine regennasse Wiese kann man hören. Wenn man am Waldrand entlang geht, hört man noch einige Zeit den Regen im Wald, wie die Wassertropfen von Blätterreihe zu Blätterreihe weitergegeben werden.

So weitflächig, wie der Regen unsere Natur begießt, so vielfältig geht auch der Regen des Wortes Gottes nieder. Ich möchte mit ihnen einige Orte aufsuchen, wo dieser Landregen Gottes niedergeht. Vielleicht ein bisschen lauschen, was da passiert, schnuppern, hingucken.
(Gottesdienst)
An einem Ort regnet es wöchentlich: am Sonntag in der Kirche – eben wie heute. In der Lesung hören wir Abschnitte aus der Bibel, in der Predigt gibt es Gedanken zu einem biblischen Text. Gottes Wort ist im Schwange. Mal mehr mal weniger deutlich oder verständlich. Aber die Pfarrer sind nicht die Regenmacher. Trotz Studiums und theologischer Erfahrung. Aber mit diesen Regenwasser Gottes hantieren sie trotzdem: sie geben von dem weiter, was sie in der letzten Woche von diesen Regen Gottes abbekommen haben. Und da kann es dann schon passieren, dass so eine Predigt jemanden anspricht, er durch die Worte des Pfarrers hindurch Gottes Worte hört.
Aber das hat unsereins nicht im Griff. Für den einen ist das, was dort am Sonntag passiert ein Regenguss mit Gottes Wort, das ihm Mut macht, aufbaut, gut tut. Für den andern bleibt es Menschenwort.

(Die Christen untereinander)
Ortswechsel! – Das heilige Wort sucht sich nicht nur heilige Orte. Unter den Dächern unserer Wohnungen regnet es manchmal rein, das Gotteswort. Überhaupt überall dort, wo Menschen über ihren Glauben zu sprechen kommen, beim Kaffeetrinken oder im frommen Hauskreis, da ist Gottes Wort im Raum. Da braucht man keinen Pfarrer dazu. Im Predigttext steht „mein Wort wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen wozu ich es sende“.
In einem kleinen Tante-Emma Laden, den ich kenne, kommt öfter jemand rein, der eigentlich nur einen Reißverschluss will. Aber dann bleibt die Kundin doch eine halbe Stunde. Denn da, bei dieser Verkäuferin, kann sie ihren Kummer mal aussprechen, da hört jemand zu. Und diese Frau da hinterm Tresen sagt oft auch was aus der Sicht des Glaubens dazu. Vielleicht hört so manche Besucherin in diesen Bemerkungen Trost und Ermutigung von Gott her – eben Gottes Wort zwischen Reißverschluss und Nähseide.

(Internet)
Verlassen wir den heimeligen Textilladen… gibts den Landregen Gottes auch in der virtuellen Welt, im Internet? Natürlich – Gottes Wort bricht sich auch auf dem Datenhighway Bahn, und das in enormen Ausmaßen. Das Internet hat gewisse Strukturen unserer Informations-Welt völlig umgekrempelt. Jeder und jede hat die Möglichkeit, ohne großen Aufwand seine Überzeugungen, im Internet zu veröffentlichen. Ohne Druckerpresse, ohne Verlag, fast zum Nulltarif. Der Modellbastler zeigt dort seine Werke, die Pfeiferaucher veröffentlichen ihre Tabak-Tipps – und manche Christen machen ihren Glauben zum Thema ihrer Homepage. Unsere Kirchengemeinde machts, ich mache es, und es gibt noch weitere Herzogenauracher, die so etwas machen.
Da kann man natürlich fragen: Macht das noch einen Sinn? Oder ist das verlorene Mühe im schier endlosen Meer von Milliarden Internetseiten?
Ich bin überzeugt: Ja, es macht Sinn! – Wegen dieses Wortes von Jesaja: Das Wort Gottes sucht sich seinen Weg zu den Menschen, es kommt nicht leer zurück … auch im Internet.
Zum Beispiel bei Dirk. Ich kenne ihn nicht persönlich; nur seine Internetseite. Sie ist nicht toll gemacht – grafisch eher bescheiden. Dirk, der wohl so um die 20 Jahre alt sein wird, schreibt dort sehr offen und sehr fromm über seinen Glauben; wie so manche. Nichts besonderes …eigentlich.
Aber dann habe ich mir das Gästebuch dieser Seite angesehen. Dutzende von Einträgen, die wütend und beleidigend über diese Seite, Dirk, und über Religion schimpften. Aus den Texten konnte man ersehen: Freidenker, Atheisten und Satanisten hatten sich hier eingetragen. Machten ihrem Ärger über diese frommen Worte Luft.
Ich glaube: Dirks schlecht gemachte Seite war für diese Leute Gottes Wort geworden: Es hat sie genau an dem Nerv getroffen, an dem sie am empfindlichsten sind. Es hat sie in Frage gestellt. Dieses Wort Gottes ist nicht immer nur nett, freundlich und handzahm. – Es kann mir auch durch Mark und Bein gehen, wenn es mich in Frage stellt. Wort Gottes, das zweischneidige Schwert.

(Lebenslinien)
Als letztes möchte ich mit ihnen einen Tropfen dieses Wort-Regens Gottes ansehen. Es ist der Wochenspruch für den heutigen Sonntag. „Heute, so ihr meine Stimme hört, verstockt euer Herz nicht“. – Dieser Vers aus dem Hebräerbrief hatte eine Schlüsselrolle, als ich mich vor 11 Jahren entschied, Theologie zu studieren. Das war das Wort, das mich auf diesen Weg gebracht hat.
Vor drei Jahren, es war ein Tag vor dem Beginn der mündlichen Prüfungen, hatte ich die Krise. Hatte Angst vor dem Examen, und war unsicher, ob der eingeschlagene Weg auch der richtige ist. Ich saß am Sonntagmorgen in der Kirche und blätterte unschlüssig im Gesangbuch herum, hinten, beim liturgischen Kalender: Welchen Tag haben wir denn heute? Und dort fand ich ihn wieder, diesen Spruch. . „Heute, so ihr meine Stimme hört, verstockt euer Herz nicht“- In dem Moment war dieser Vers mein direktes Wort Gottes, der sagte: „Hab keine Angst. Ich bleibe bei dir. Du bist auf dem richtigen Weg“.
Und jetzt – in dieser Woche mein Abschied aus Herzogenaurach. Und unser Einzug ins Pfarrhaus von Gollhofen. Eine Herausforderung, der ich nicht nur mit fliegenden Fahnen entgegengehe. Auch mit einer gehörigen Portion Respekt vor dieser Verantwortung.

Aber: Diese Woche steht schon wieder unter diesem Wort. Was will ich mehr?
Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt […] so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende. Denn ihr sollt in Freuden ausziehen und im Frieden geleitet werden. Liebe Gemeinde
wir haben sie aufgesucht, die Orte, an denen wir Gottes Wort hören.
Den Sonntagmorgen, wo Gott mich in der Predigt ansprechen kann.
Das Gespräch unter Christen, in dem mir Gott etwas sagen kann.
Die Konfrontation, wo Gottes Wort mich auch einmal kritisch in Frage stellt.
Die eigene Biographie, in der Gottes Wort Spuren hinterlässt, die man oft nur im Rückblick deuten kann.

Der Landregen des Wortes Gottes geht leise über die Erde.
Ich wünsche ihnen, dass sie ihn hören , ihn entdecken, er ihnen Wachstum bringt.

Amen 

 

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