Liebe Gemeinde,
der Gollhöfer Tradition gemäß. möchte ich am Kirchweihmontag wieder mit Ihnen einen Blick in die Geschichte unserer Kirchengemeinde werfen.
Ein Jahr bietet sich in besonderer Weise heuer an: Die Reformation in Gollhofen anno 1552 – also vor 450 Jahren
Darum möchte ich heute aus der Chronik, die Pfarrer Schmerl ums Jahr 1912 verfasst hat, vorlesen.
An einigen Stellen verlasse ich den Text Schmerls, und werde ihnen einige zusätzliche Informationen geben.
Lesung aus der Geschichte Gollhofens
1552
Für die Reformation der Gemeinde Gollhofen war ein Ereignis von höchster Bedeutung, das im Jahre 1552 unerwartet eintrat. Da plünderten hessische Reiter bei einem Einfall in Gollhofen den hiesigen katholischen Pfarrer Kaspar Spankuch. Der Landesherr Schenk Karl meldet das in einem Brief vom 28. April nach Würzburg. Er gibt der Besorgnis Ausdruck: „Wenn wir einen andern päpstlichen -also katholischen – Priester hierher bekommen, könnten die Reiter vielleicht mit ihm ebenso umgehen.“ Darum bat er, einen der Pfarrer aus dem evangelischen Uffenheim nach Gollhofen zu senden.
Nebenan in Uffenheim hatte während dessen Pfarrer Christoph Zeller erhebliche Auseinandersetzungen mit verschiedenen Persönlichkeiten am Ort. So willigte er gerne ein, in die Dienste von Schenk Karl zu treten und nach Gollhofen zu kommen.
Hiervon wird am Samstag, den 7. Mai 1552 dem Amt in Uffenheim Mitteilung gemacht.
Um den Uffenheimern den Verlust nicht zu schwer werden zu lassen, wird ihnen alsbald ein neuer Pfarrer zugesagt.
Es ist also gut möglich, dass schon am Sonntag, dem 15. Mai 1552 der erste evangelische Gottesdienst in Gollhofen gehalten wurde. Jedenfalls kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden dass im Sommer dieses Jahres in Gollhofen durch Pfarrer Christoph Zeller die Reformation eingeführt wurde.
1558
Am 12. Juni schreibt Schenk Karl an den Markgrafen Friedrich von Ansbach-Bayreuth, dass er sich dem Frankfurter Rezess anschließe.
Mit dieser Notiz geraten wir direkt in eine der großen Streitigkeiten der Protestanten in jener Zeit. Damals hatten sich zwei verschiedene Lager gebildet, die sich in wenigen Punkten erbittert stritten. Die einen folgten einer strengen lutherischen Linie, die anderen schlossen sich Philip Melanchthon an, der gegenüber der katholischen Lehre kompromissbereiter war. Ein Beispiel: Die Anhänger Melanchthons waren der Meinung, das gute Werke grundsätzlich zum christlichen Heil dazugehören. Die andere Gruppe, sie nannten sich „Gnesiolutheraner“ vertraten den Position, dass gute Werke eigentlich schädlich sind für das eigene Heil, weil man sich vor Gott seiner guten Taten nicht rühmen sollte. |
Auf dem Reichstag zu Frankfurt 1558 schlossen sich mit dem Frankfurter Rezess sechs große Fürsten zusammen, die sich auf die Seite Melanchthons stellten.
Offensichtlich war Schenk Karl dieser Theologie zugetan und schloss sich diesen Rezeß an.
Im gleichen Jahr noch starb Schenk Karl. Er wurde in der Gruft zu Einsersheim begraben.
Sein Tod bedeutete für die Grafschaft einen schweren Verlust. Dass man aber in limpurgischen Landen auf der durch den Frankfurter Rezess bezeichneten Linie auch nach dem Tode Schenk Karls weiter ging, dürfte damit zur Genüge bewiesen sein, dass man unter den Unterzeichnern der Konkordienformel die Namen der Limpurgischen Herrn und Pfarrer vergeblich sucht.
Mit anderen Worten: Etliche Jahre später, 1577, hatte man im deutschen Protestantismus nach zähen Verhandlungen eine gemeinsame theologische Linie zwischen den vorhin genannten extremen Positionen gefunden und in einen dicken Buch, der so genannten Konkordienformel, die theologischen Grundsätze festgelegt. – man könnte es eine Art Koalitionsvertrag nennen. – Kirchengeschichtlich war es für die Protestanten ein Meilenstein. Pfarrer Schmerl stellt fest, dass die Limpurger Herren offensichtlich von diesen Ergebnissen wenig hielten, und darum diese Konkordienformel nicht unterzeichneten. |
Die Einführung der Reformation ging in Gollhofen bei dem wohl damals schon sehr konservativen Zuge der Bevölkerung nicht im Sturme vor sich. Wohl war man schon mit den Gedanken der neuen Lehre in Berührung gekommen, lag doch Gollhofen rings umgeben von Markgräflichen Landen, in denen die Reformation schon seit 1528 im Gange war. Auch muss man gewusst haben, dass die Landesherren dem neuen Glauben schon seit geraumer Zeit zugetan waren.
Aber dennoch hat man – wohl in absichtlicher Schonung – auch nach dem Jahre 1552 das Alte nicht rücksichtslos, sondern allmählich vom Schauplatz abtreten lassen. Wenn aus Nacht Tage wird, so kämpft erst eine Zeit lang licht und dunkel miteinander in der Zeit der Dämmerung. Dieses Dämmerlicht konfessionellen Übergangs scheint in Gollhofen geraume Zeit geherrscht zu haben. Ein sehr interessantes Dokument ist ein Predigtentwurf für einen Marientag, den wir durch glücklichen Zufall genau auf den 22. März 1566 datieren können. Dieses kleine Zettelchen fand sich in der Kirche in einem Summarium eingelegt.
Diesem Zettel ist anzumerken, dass noch deutliche Reminiszenzen aus der katholischen Zeit durchschimmern. Vor allem in der verschiedentlichen Wiederholung lateinischer Worte zu deutscher Übersetzung und umgekehrt. Luther wird als Autorität angeführt, friedlich neben dem Papst Leo. Maria wird, der Bedeutung des Tages angemessen, in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt. Aber schließlich endet die Predigt mit evangelischen Tönen, die das Verdienst Christi nennen und preisen.
Der Zettel, der da aufgefunden wurde, ist zwar nur ein Predigtentwurf, aber doch immerhin so formuliert, dass man ihn heute eigentlich so predigten könnte. Ich möchte dies einmal versuchen:
Liebe Gemeinde, auf diesem Fest zelebrieren und begehen wir heute das Fest des Tages, an dem Adam geschaffen sein soll, und die Israeliten aus Ägypten erlöst, und der ewige Sohn Gottes heute vor 1566 Jahren Mensch geworden sei, in dem jungfräulichen Leib Marien. Diesen Tag würden wir mit 3 Namen bezeichnen. Ecclesia, die Kirche, aber nennt diesen Tag Verkündigung Mariae. Als Lutherische aber nennen wir das Fest die Menschwerdung Christi, denn durch die Empfängnis ist Christus gekommen. Es hat aber Christus auch ohne menschlichen Samen a spiritus sancto, das heißt durch den Heiligen Geist sollen empfangen werden,concipi debuit, auf dass angezeigt würde, Christus würde Gott und Mensch sein. De genua causa, Leo in epistalua Flavianum, von welcher Sache Papst Leo in der Epistel an Flavianum also geschrieben hatte: Die Geburt des Fleisches ist eine Offenbarung der menschlichen Natur, die Geburt der Jungfrau ist eine göttliche Natur. Zum ersten die Botschaft, die der Engel Gabriel der Jungfrau Maria bringt. Zum andern von der Jungfrau Maria, die sich ob solcher Botschaft entsetzt. Zum dritten und letzten reprecatio angelino Gabrielis, dass ist die Antwort, die der Engel Gabriel auf die Frage der Jungfrau Maria gibt. Darum soll uns seine Menscherdung, die uns der Anfang unseres Heiles ist, freuen. Und wir entgegen allen Anfechtungen des diaboli, des Teufels, frei würden in alle Ewigkeit. Wir sagen Gott dem Vater aller Gnade und Barmherzigkeit Lob und Dank, weil er uns seinen eingeborenen Sohn geschenkt hat, und bitten er wolle seine Heilige Menschwerdung und seinen vollkommenen Gehorsam im Leiden und Opfer an uns armen Sündern nicht lassen verloren sein. Amen |
1577
Durch die gräfliche Herrschaft wird die Herrenmühle neu erbaut
1581
Schenk Gottfried stirbt und wird in der Kirche zu Einersheim begraben.
Im selben Jahr werden auch die in Gollhofen und anderen speckfeldischen Kirchen noch üblichen lateinischen Gesänge, die Lichter, dass Kreuz machen und andere Gebräuche abgeschafft.
1588
Es wurde befohlen, die Kinder bei der Taufe nichtmehr aufzuwickeln, sondern in Kissen auf die Stirne zu taufen
1584
300 morgen Äcker und Wiesen ringsum Gollhofen, bisheriges Eigentum des Domkapitels zu Bamberg wurden gegen ein jährliches Getreidegeld gewissen Einwohnern in Gollhofen käuflich überlassen. Die Kaufsumme ist unbekannt.
1586
Anlegung des ältesten Kirchenbuches von Gollhofen durch Pfarrer Pankratius Müller.
1588
Kaspar Lederer, Limpurgischer Richter, Schulheis und Gotteshausmeister in Gollhofen, wie auf der Inschrift der unter ihm1588 gegossenen großen Glocke im hiesigen Kirchturm steht, wird als Gefangener auf das Bergschloss Speckfeld abgeführt und da selbst enthauptet, der er nicht recht Haus gehalten hat.
1590
In der damaligen Zeit wurden solche Personen, wie sich gegen das 6. Gebot vergangen hatten, in das Gefängnis geworfen (die alte Pforte mit unterirdischen Gewölben), sie mussten einander ehelichen oder wurden sogar aus der Herrschaft verwiesen.
1595
In diesem Jahr wurde die ehemalige Frühmesskapelle in Gollhofen, nämlich die Überreste der ehemaligen Sankt Johannes Kirche in das alte Rathaus umgewandelt und der Boden zum herrschaftlichen Getreidespeicher eingerichtet der mit dickem Gewölben versehene kleine Chor gegen morgens, in welchem man 1794 noch einen Weihkessel bemerkte, blieb stehen. Über dem selben wurde die Ratsstube für die 12 Gerichtsherrn oder Schöffen eingerichtet. Daher führte das alte Rathaus bis zu seinem Abbruch 1794 die Benennung “ die Capell“, und der Brunnen in der Mitte den Namen Kapellbrunnen.
Ansprache zur Geschichtslesung
Liebe Gemeinde,
das waren über 50 Jahre Kirchen-Geschichte in Gollhofen.
An einer Stelle, hat mich diese Erzählung ins Schleudern gebracht: Vom Frankfurter Rezess hatte ich keine Ahnung. Und ich glaube, Pfr. Schmerl musste auch erst nachschlagen, denn in seiner Kirchenchronik zitiert er ein Kirchengeschichtliches Lehrbuch seiner Zeit.
Was sagt mir das: Die Christen hier hatten schon ihren eigenen Kopf! Sie waren überzeugt, dass ihre von Melanchthon geprägte Theologie die rechte Auslegung des Evangeliums war. Darum die Unterschrift zu dem Rezess. Sie haben sich nicht beeindrucken lassen von der Mehrheit der Protestanten in Deutschland, sondern blieben ihrer spezifischen Position treu. Eine kleine, unbeugsame Minderheit – die festhält an dem, was sie als wahr erkannt hat.
Wenn wir heute, mit dem Abstand von über 400 Jahren, mit kirchengeschichtlichen Blick auf diesen Streit sehen, müssen wir sagen: Es war letztlich ein Streit um Nuancen evangelischer Bibelauslegung. Für uns heute kaum noch nachvollziehbar, dass man darüber tagelang die Köpfe heißgeredet hat.
Lieder wissen wir nicht, ob das nur für die Pfarrer ein Thema war, oder ob das die Gemeindeglieder selber mitdiskutiert haben.
Aber ganz grundsätzlich ist da etwas passiert, was ich ganz wichtig finde: Dass hier die Gemeinden vor Ort an dem festhalten, was sie als biblische Wahrheit für sich erkannt haben. Da kann kommen wer will, und da kann die große Mehrheit der evangelischen Landesherrn anderer Meinung sein: Die selbst erkannte Wahrheit hat man sich nicht per Mehrheitsbeschluss nehmen lassen.
Oft genug kann ich es als Christ heute erleben, dass die öffentliche Meinung, oder besser gesagt, die von den Medien veröffentlichte Meinung, mich in Bedrängnis, in die Defensive bringt. Da kann es passieren, dass ich in Erklärungsnot komme, weil ich immer noch an so alten biblischen Werten und Vorstellungen hänge.
Manchmal passiert das sogar innerhalb unserer Kirche. –
Liebe Gemeinde in Gollhofen,
ich möchte nicht, dass wir an verstaubten Traditionen hängen bleiben, unbeweglich und träge werden. Aber ich wünsche mir, dass wir die Tradition unseres Glaubens festhalten; unser Bekenntnis nicht aufgeben und die Bibel niemals als veraltet zu den Akten legen.
Letztlich hat Luthers Reformation genau da gleiche getan:
Martin Luther hat sich mit alten Traditionen und Lehrsätzen überworfen, die weder Gott noch den Menschen gerecht wurden.
Und er hat sich gegründet auf die Worte der Bibel, die Botschaft des Evangeliums. Genau deshalb heißen wir evangelisch.
AMEN