Liebe Gemeinde,
unser heutiger Predigttext steht im Ersten Johannesbrief. Drei Johannesbriefe finden wir in unserer Bibel.
In ihnen schreibt der alte Apostel an „seine“ Gemeinde. Anders als bei Paulus sind das keine Briefe an Gemeinden, die hunderte von Kilometern entfernt waren, und ihren Gründer nur ganz selten sahen oder von ihm hörten.
Die Johannesbriefe gehen an eine Gemeinde, die der Schreiber sehr gut kennt. Man ist miteinander vertraut, und das merkt man bisweilen auch an den Formulierungen.
Allerdings schreibt Johannes gerne etwas weitschweifig und mit einem eigenen Stil.
Um diesen Text ihnen vorzulesen, habe ich eine neuere Übersetzung gewählt. (Hoffnung für alle)
7 Was ich euch jetzt schreibe, meine Lieben, ist für euch nicht neu. Es ist kein neues Gebot, sondern die Botschaft Gottes, die ihr von Anfang an gehört habt.
8 Und trotzdem ist dieses Gebot neu, weil Christus es verwirklicht hat und ihr jetzt danach lebt. Denn die Finsternis schwindet, weil das wahre Licht – Jesus Christus – für uns leuchtet.
9 Nun kann freilich jeder behaupten, daß er in diesem Licht lebt. Wenn er aber seinen Bruder haßt, dann beweist er damit nur, daß er immer noch in der Finsternis ist.
l0 Nur wer seinen Nächsten liebt, der lebt wirklich im Licht. An ihm läßt sich nichts Anstößiges finden.
11 Wer da gegen seinen Nächsten haßt, der lebt ganz und gar in der Finsternis und weiß nicht, wohin er geht. Er ist wie ein Blinder, der nichts sehen kann in all der Dunkelheit, die ihn umgibt.
12 Ihr aber, meine geliebten Kinder, müßt nicht hilflos in der Finsternis umherirren; denn durch Jesus Christus ist eure Schuld vergeben.
13 Euch Väter soll mein Brief im Glauben ermutigen; ihr kennt ja Christus, der schon immer, von aller Ewigkeit her, da ist. Ich schreibe aber auch euch, ihr jungen Leute; denn ihr habt den Bösen besiegt.
14 Euch Kindern schreibe ich, weil ihr den Vater kennt. Ebenso habe ich euch Vätern geschrieben, weil ihr den kennt, der von allem Anfang an da war. Und euch, ihr jungen Leute, habe ich geschrieben, weil ihr in euerm Glauben stark geworden seid. Gottes Wort ist in euch lebendig, und ihr habt den Bösen besiegt.
15 Liebt nicht diese Welt, die von Gott nichts wissen will. Hängt euer Herz nicht an sie, auch nicht an irgend etwas, das zu dieser Welt gehört. Denn wer die Welt liebt, kann nicht zugleich Gott, den Vater, lieben.
16Was gehört nun zum Wesen dieser Welt? Menschliche Leidenschaften, die Gier nach Besitz und Macht, überhaupt ein Leben voller Selbstgefälligkeit und Hochmut. All dies kommt nicht von Gott, unserem Vater, sondern gehört zur Welt.
17 Die Welt aber mit ihren Verführungen und Verlockungen wird vergehen. Nur wer den Willen Gottes tut, wird bleiben und ewig leben. (1. Johannes 2, 7-17)
Liebe Gemeinde,
viel steckt drin, in diesen Worten, und in dieser Vielfalt wird es auch leicht unübersichtlich.
Man kann aber auch ein gemeinsames Thema entdecken: „Der Lebensweg des Christen – und wie man ihn führt“. Und dabei stellt Johannes zwei Fragen an seine Leser – und die dürfen wir als Christen auch gerne an uns selber stellen:
Die erste Frage: „Wie gehst du auf deinem Weg mit deinen Nächsten um?“
Die zweite Frage: „Wie findest du deinen Weg zwischen Gott und der Welt?“
„Wie gehst du auf deinem Weg mit deinen Nächsten um?“
Zur ersten Frage: „Wie gehst du auf deinem Weg mit deinen Nächsten um?“
Für Johannes ist es ganz klar: Als Christen gehen wir den Weg des Lichtes – nicht den Weg der Dunkelheit. Denn schließlich haben wir in Christus denjenigen, der uns das Licht ist. Von ihm her wird unser Lebensweg ausgeleuchtet.
Seine Zuwendung zu uns macht es hell, die Hoffnung auf sein kommendes Reich strahlt vom Horizont her. Seine Nähe macht auch düstere Passagen licht, und weist mit seinen Strahlen einen Weg in die Zukunft. So steht hier: Denn die Finsternis schwindet, weil das wahre Licht – Jesus Christus – für uns leuchtet. – Als Christen haben wir es gut.
Aber Vorsicht – sagt Johannes. Ganz schnell kannst du auch im Finstern stehen; nämlich dann, wenn du deinen Nächsten hasst und verachtest. Wer das tut, tritt ganz schnell vom Licht in die Finsternis, wo man nichts mehr sieht und wie blind gegen alles stößt, über alles stolpert, was sich ihm in den Weg stellt.
Der Weg der Verachtung und des Hasses kann kein Weg im Licht sein. Nur der Weg der Liebe zum Nächsten ist der Weg im Licht.
Eigentlich klingt das ganz einfach, und ist für uns als Christen wirklich nichts neues. Und wenn sie jetzt eine Schulkasse wären, würde ich erwarten, dass oben auf der Empore schon jemand demonstrativ gähnen würde und halblaut sagen würde: „Ja, Herr Pfarrer, das kennen wir, das haben wir doch schon x mal in den letzten Jahren durchgenommen… “
Ja! Wir kennen das alle, schon von Kind an. — Aber dennoch ist es immer wieder unheimlich schwer. Die Frage „Wie gehst du auf deinem Weg mit deinen Nächsten um?“ erinnert mich daran, wie ich mit Menschen umgehe, über die ich mich ärgere. Da gibt es welche, da sehe ich, dass sie sich anders verhalten, als ich es mir wünschen würde. Oder es ist jemand, der nicht zu mir passt, der ganz anders ist, der wohl niemals mein Freund werden würde, weil wir zwei einfach so unterschiedlich sind.
Da merke ich, wie das Gefühl der Abneigung entsteht. Ich merke, dass daraus auch Feindschaft oder Verachtung werden könnte. Dann nämlich, wenn ich innerlich immer nur mich als richtig und den Andern als falsch ansehe. – Und dabei bin ich schon mitten dabei, mich selbst mit großen Schritten in die Finsternis zu begeben.
Es ist nicht immer leicht, den anderen so zu achten, wie sich selber auch; anzuerkennen, dass der Andere genauso von Gott geliebt wird, wie ich auch.
Daran zu denken, dass Jesus für dessen Fehler genauso gestorben ist wie für meine.
„Wie gehst du auf deinem Weg mit deinen Nächsten um?“ – Wie gut, dass Johannes seine Gemeinde und auch uns wieder einmal daran erinnert.
„Wie findest du deinen Weg zwischen Gott und der Welt?“
Da war noch eine zweite Frage: „Wie findest du deinen Weg zwischen Gott und der Welt?“
Unser Predigttext nennt zwei Alternativen: „Wer die Welt liebt, kann nicht zugleich Gott, den Vater, lieben.“
Zwischen Welt und Gott – da müssen wir Menschen unseren Weg finden. Auf welche Seite wollen wir uns schlagen; was liegt uns näher?
Da hilft es mir, zu wissen, was denn Johannes mit „der Welt“ eigentlich meint. Unter Welt verstehen wir heute ja eigentlich alles: Die Erdkugel, die Natur, die Menschen, den Baum, das Fass Wein und den Wollpullover. Aber das kann ja kaum gemeint sein! Denn das ist ja schließlich Gottes Schöpfung, die er selbst für „gut“ erklärt hat.
„Die Welt“ in den Briefen des Johannes und auch im Johannesevangelium ist etwas anderes: Das ist der Teil unserer Wirklichkeit, der Gott den Rücken kehrt. Zur Welt … gehört also derjenige, der beschlossen hat, sein Leben ohne Gott zu führen. Wer Gott für sich als unbedeutend erklärt hat, sich von ihm nichts erwartet und sich von ihm nichts sagen lassen will, derjenige gehört zur „Welt“ … ist eben „weltlich“.
„Wie findest du deinen Weg zwischen Gott und der Welt?“ – Diese Frage zeigt die Möglichkeiten:
– Ich kann Gott aus meinem Leben ausklammern. Kann sagen: „Es geht auch ohne!“. Dann werde ich mein Leben nach den Bedingungen und Eigengesetzlichkeiten dieser Welt führen. Mit Chancen, Angenehmes und Gutes zu erleben; Spaß zu haben. Ich begebe mich in die Dynamik einer Welt hinein, die ohne Gott funktioniert. Ohne sein Reinreden zu ertragen, aber auch ohne seine Hilfe zu erhoffen. Ich bin selbst mein Chef – ich bin vielleicht der einzige, der in meinem Leben eine Rolle spielt. So ein Leben, das dem Lauf der Welt folgt, ist auch hinsichtlich seines Endes vorhersehbar: Es endet als ein Häufchen Staub.
– Die Alternative: Ich führe mein Leben bewusst mit Gott – natürlich in der Welt. Natürlich ist auch dieses Leben vielen Zwangsläufigkeiten der Welt unterworfen. Aber die sind nicht alles für mich: Ich weiß um Gott, der mich im Leben begleitet. Da ist einer an dem ich mich festhalten kann und der mir Orientierung geben kann. – Und zugleich weiß ich, dass sich nicht die ganze Welt um mich dreht; und das diese Welt nicht das einzige ist. Ich habe eine Perspektive, die über den Tod hinaus geht.
Aus dieser Perspektive heraus, liebe Gemeinde, habe ich ein ganz anderes Verhältnis zu der Welt, die mich umgibt. Als Christ, weiß ich um die Begrenztheit der Welt. Ich brauche mich nicht an diese Welt klammern. Ich brauche nicht jede Möglichkeit der Lust, des Genusses oder des Erfolgs ausnutzen und bis zum letzten auslutschen … den ich weiß, dass noch etwas besseres nachkommt.
Wer im Glauben lebt, hat sich ja schon längst für die Seite Gottes entschieden. Wie die Leser des Johannesbriefes auch. Aber manchmal ist es doch gut, wenn man sich immer wieder die Frage stellt: „Wie findest du deinen Weg zwischen Gott und der Welt?“
Hast du noch die Distanz? Oder hat dich die Dynamik des Welt, das Sehnen nach Macht, Geld, und Lust doch ein bisschen am Wickel?
Nutze die Welt, aber lass dich nicht von ihr gefangennehmen.
„…das wisst ihr ja alle schon“
Liebe Gollhöfer Gemeinde,
„was ich euch jetzt schreibe, meine Lieben, ist für euch nicht neu“, so steht es im Beginn unseres Predigttextes – und ich denke, sie haben das alles auch nicht zum ersten mal gehört.
Sie kennen den Witz:
Am ersten Sonntag nach seiner Einführung hielt der neue Pfarrer eine zündende Predigt, von der alle begeistert waren. Am Sonntag darauf waren die Gottesdienstbesucher schon sehr gespannt – aber der Pfarrer hielt genau die gleiche Predigt wie am Sonntag vorher. Man wunderte sich etwas – aber man dachte der Pfarrer hätte zu Beginn seiner Tätigkeit, so viel Arbeit, dass er keine Zeit für eine weitere Predigt gehabt hätte. Man war bereit, ihm dies zuzugestehen.
Als er aber am dritten, vierten und fünften Sonntag wieder die gleiche Predigt hielt, platzte den Zuhörern der Kragen: „Warum predigen Sie immer das Gleiche?“ fragten sie ihn.
Seine Antwort lautete: „Warum lebt Ihr noch genauso wie vor sechs Wochen? Wenn Ihr das in die Tat umsetzt, was ich bisher gesagt habe, dann sage ich euch etwas Neues!“
Ja, es ist nicht immer alles ganz einfach mit Leben zu füllen, was unseren Glauben ausmacht, darum brauchen immer wieder die Erinnerung und Ermutigung, den Weg des Glaubens weiter zu gehen.
Auch die Erinnerung an die zwei Fragen von heute:
„Wie gehst du auf deinem Weg mit deinen Nächsten um?“ und
„Wie findest du deinen Weg zwischen Gott und der Welt?“
Und vor allem die Erinnerung daran, dass ihr Handeln nur die Antwort sein kann auf die Zuwendung Gottes zu ihnen, die schon zuvor da war.
So energisch, wie Johannes christliches Handeln einfordert, genauso eindeutig sagt er:
Das wahre Licht – Jesus Christus- leuchtet ja schon für euch, und eure Sünden sind euch ja schon vergeben.
Auch die Kirchweih ist so ein besonderer Moment der Erinnerung. Wir denken zurück an die Gründung der Kirchengemeinde in Gollhofen. Auch wenn wir nicht genau wissen, wann im fünften oder sechsten Jahrhundert zum ersten Mal in diesem Dorf ein christlicher Gottesdienst gefeiert wurde, oder wann im Jahr 1493 diese Kirche geweiht wurde.
Wir dürfen zurückblicken auf die Geschichte des Glaubens in unserem Dorf.
Und sie dürfen auch zurückblicken auf ihre persönliche Geschichte mit ihrem Glauben. Vielleicht ist das gerade für die unter ihnen interessant, die nicht mehr in Gollhofen wohnen, aber zur Kirchweih zurückkommen, zurück ins Heimatdorf, heute morgen zurück in die Kirche, wo der Taufstein steht über dem sie getauft wurden, wo Gott „ja“ zu ihnen gesagt hat.
AMEN