Liebe Gemeinde,
in den letzten Sonntagen vor dem Advent kreisen unsere Lesungen und Predigttexte um einen großen Themenkomplex: Es ist die Rede vom kommenden Reich Gottes, von Gericht, vom Sterben.
Mit diesen Themen tut sich Menschen oft recht schwer.
– Die Rede vom Gericht mag mancher nicht gerne hören, weil er sich seinen Gott nicht als einen vorstellen mag, der auch harte Urteile über Menschen fällt.
– Worten vom Ende des Lebens mögen auch manche gerne lieber aus dem Weg gehen. Das erinnert an liebe Menschen, die man zu Grabe getragen hat – aber auch daran, dass man selbst einmal sterben muss.
– Und wenn wir vom Reich Gottes reden, sind sich viele unsicher, was damit gemeint sein könnte: Ist dieses Reich Gottes jetzt schon unter uns, oder meinen wir damit, dass irgendwann in der Zukunft diese Welt ein Ende haben wird?
Unser Predigttext von heute greift gleich alle drei problembeladenen Themen auf. Weil er aber sehr kurz und prägnant ist, kann er uns, so glaube ich, eine Hilfe sein, angesichts dieser drei Themen nicht gleich zu kapitulieren.
2. Petrus 3, 8-13
Eins aber sei euch nicht verborgen, ihr Lieben, daß ein Tag vor dem Herrn wie tausend Jahre ist und tausend Jahre wie ein Tag.
9 Der Herr verzögert nicht die Verheißung, wie es einige für eine Verzögerung halten; sondern er hat Geduld mit euch und will nicht, daß jemand verloren werde, sondern daß jedermann zur Buße finde.
10 Es wird aber des Herrn Tag kommen wie ein Dieb; dann werden die Himmel zergehen mit großem Krachen; die Elemente aber werden vor Hitze schmelzen, und die Erde und die Werke, die darauf sind, werden ihr Urteil finden.
11 Wenn nun das alles so zergehen wird, wie müßt ihr dann dastehen in heiligem Wandel und frommem Wesen,
12 die ihr das Kommen des Tages Gottes erwartet und erstrebt, an dem die Himmel vom Feuer zergehen und die Elemente vor Hitze zerschmelzen werden.
13 Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt.
1000 Jahre sind vor Gott wie ein Tag
„1000 Jahre sind vor Gott wie ein Tag“ – dieser Satz ist und bleibt für viele Christen die Rettung, wenn man sie mal wieder hämisch fragt:
„Wo bleibt es denn, euer tolles Reich Gottes – hat Jesus nicht versprochen, dass er wiederkommt? Ich sehe ihn jedenfalls nicht…“ – Praktische Antwort: „Warte einfach noch mal 1000 Jahre.“
Dieser Satz kann auch eine Hilfe für uns selber sein. Wenn wir selbst ins Grübeln kommen und uns fragen, warum Gott diese Welt nicht schon längst verändert hat. Wenn wir daran denken, dass wir in jedem Vaterunser sprechen „dein Reich komme“ – aber zugleich merken, dass davon heutzutage herzlich wenig zu sehen ist.
Die Dimensionen in denen Gott handelt, sehen anders aus als unsere Praxis der Zeitmessung.
Wenn wir den Text genau ansehen, steht da nämlich „ein Tag ist vor Gott wie 1000 Jahre, und 1000 Jahre wie ein Tag!“ So rum und andersherum steht es also da! Will Petrus damit sagen, dass Gott einen ganz anderen Zeitbegriff hat als wir? Dass für ihn Ungeduld und Warten gar kein Thema ist. Wer umgeben von Ewigkeit existiert, für den spielt Zeit eben eigentlich keine Rolle.
Aber bei uns! Wir sind eben nicht in der Ewigkeit eingebettet, unsere eigene Zeit ist begrenzt. Und die Zeit, in der wir unter den Bedingungen einer unvollkommenen Welt leiden, nehmen wir sehr deutlich war. Darum warten wir Christen eben oft ungeduldig auf das Reich Gottes, in der es kein Leid und keine Tränen mehr geben soll.
Ganz seelsorgerlich öffnet uns dieser Predigttext eine oft übersehene Perspektive: Gott zögert das Kommen seines Reiches nicht hinaus, um uns zu ärgern. Er wartet ab – damit noch mehr Menschen die Chance haben, den Glauben zu ergreifen und später zu diesem Reich dazuzugehören.
Kennen Sie Nachbarn und Verwandte, die Gott den Rücken zugewandt haben, mit ihrem Schöpfer nichts zu tun haben wollen? – Genau denen will Gott auch noch die Chance geben, sich ihm zuzuwenden, eine neue Perspektive für Leben zu bekommen.
Der Tag des Gerichts
Die Schwelle zum Reich Gottes beschreibt Petrus buchstäblich in flammenden Worten. Er schreibt davon, dass die Himmel vergehen, die Elemente vor Hitze schmelzen werden, die Erde, und was darauf geschieht, sein Urteil finden wird. Alles wird diesem Gericht unterzogen. Entziehen kann sich da nichts und niemand.
Das erinnert mich an einen Hochofen, in dem das verunreinigte Eisenerz ausgeschmolzen wird, so dass sich die Schlacke vom wertvollen Metall trennt.
Das klingt auf der einen Seite bedrohlich. Aber andererseits …
Wie oft merke ich, das ganz grundsätzlich im Lauf der Dinge auf unserer Erde etwas nicht stimmt.
~ Da kann ich in mir selber anfangen, oder in der menschlichen Natur.
~ Da lässt sich über Machtstrukturen auf unserer Welt nachdenken.
~ Oder ganz aktuell daran denken, wie allein der Hass zwischen verschiedenen Völkern so grundsätzlich in den Menschen verankert sein kann, dass es eigentlich fast aussichtslos erscheint, sich dort Frieden zu erhoffen.
Wahrscheinlich braucht es tatsächlich so einen grundsätzlichen Reinigungsprozess, um das Böse, dass Zerstörerische in unserer Welt als Schlacke auszuscheiden. – So kann ich mir Gericht Gottes vorstellen. Anders wird es wohl niemals diese neue Welt geben können.
Was bleibt bei mir übrig?
Dieses Gericht, von dem hier geschrieben steht, das wird über diese Welt gehen, über die Lebenden und über die Toten. Auch da wird geschieden, zwischen Schlacke und dem Metall, dem Gold. Petrus stellt in unserem Text eine Frage: “ Wie wird dein Stand in Sachen Lebenswandel und Frömmigkeit aussehen?“ – Vorher dem Gericht und nachher?
Liebe Gemeinde,
diese Frage ist sehr persönlich und erschreckend direkt. Damit mag sich nicht jeder auseinandersetzen. Aber vielleicht hilft ihnen die Entdeckung, dass es hier nicht um ein Strafgericht geht, sondern um eine Sichtung, um ein auseinander-sortieren von dem was Bestand hat, und dem was eben keinen Bestand hat.
“ Wie wird dein Stand in Sachen Lebenswandel aussehen?“ Wer sich diese Frage gefallen lässt, kann mal einen Blick darauf werfen und sich überlegen:
– was bleibt übrig, wenn alles wegfällt, was ich an Gütern und Geld angesammelt habe?
– was bleibt übrig, wenn mein ganzes raffiniertes Agieren, meine Siege über andere Menschen bedeutungslos werden?
– was bleibt übrig, wenn mein ganzes Haschen nach dem Wind davon flattert?
Was übrig bleibt, das ist das Gold, die Werte, die das Feuer überstehen, wo ich Liebe geübt habe, wo ich anderen verziehen habe, wo gutes Miteinander gelungen ist.
Nicht nur mein Lebenswandel, auch eine Frömmigkeit soll auf dem Prüfstand. Auch da muss ich mich fragen lassen, was übrig bleibt:
– nichts bleibt dort übrig, wo der liebe Gott nur Staffage für meine bürgerliche Existenz war
– nichts bleibt dort übrig, wo ich nur fromme Sprüche auswendig gelernt habe
– aber jede einzelne Sekunde von den Momenten bleibt übrig, wo ich im Stillen Gott um Vergebung und Hilfe gebeten habe
– als Gold wird übrig bleiben, was ich im Vertrauen auf Gott getan habe, auch wenn es schief ging
– übrig bleiben werden alle die Fasern meines Herzens, mit denen ich an Gott gehangen bin – auch wenn ich immer wieder hin und her gerissen wurde
Der diesen Fragen entlang geht, merkt: Vor Gott geht es nicht darum, dass wir viel aufzuweisen haben. Wir müssen auch nicht die Fülle an guten Taten aufweisen, um unsere Fehler auszugleichen. Allein unser Glaube an Jesus Christus ist schon Goldstück genug, mit dem wir das Gericht überstehen können.
Und letztlich sind die Dinge, die ich vorhin an andern Goldstücken aufgezählt habe, ganz selbstverständliche Nebenprodukte unseres Glaubens an Jesus Christus.
Ausblick
Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt.
Halten wir uns also daran fest:
Als Christen haben wir diese Hoffnung auf Gottes neue Welt, ohne Leid und Ungerechtigkeit.
Sie wird kommen, wenn die Zeit zu Ende es, in der Gott noch voller Geduld auf die wartet, die nicht auf ihn vertrauen.
Dann wird es so weit sein, dass die Lebenden und Verstorbenen diese neue Welt erfahren dürfen.
Daran habe ich keinen Zweifel.
Amen