Historienpredigt zum Kirchweihmontag: (Aufzeichnungen über die Zeit von 1693 bis 1713) 27. Oktober 2003

Liebe Gemeinde,

der Gollhöfer Tradition gemäß möchte ich am Kirchweihmontag wieder mit Ihnen einen Blick in die Geschichte unserer Kirchengemeinde werfen.
Ich werde etwa 300 Jahre in der Geschichte zurückgehen. Und berichte ihnen aus den Aufzeichunungen über die Zeit von 1693 bis 1713.

1693
in diesem Jahr wurde nach Aufzeichnungen von Pfarrer Hahn  das innere der Kirche deutlich verändert. Ein Schreiner aus Uffenheim baute eine neue Kanzel.
Sie wurde an der linken Seite des Chorbogens befestigt – also genau gegenüber der jetzigen Kanzel. Noch heute sind links die Eisenanker im Chorbogen zu sehen.
Wahrscheinlich wurde auch zur gleichen Zeit das Lesepult durch ein Neues ersetzt.

1694
vom 6. bis 14. August wurde eine neue Orgel aufgestellt.
Im September fand eine Kirchenvisitation statt. Hofprediger Frieß mit seinen Consulenten Miltenberger kamen dazu aus Markt Einersheim angereist. Die hohen Herren kamen im Auftrag der Obrigkeit, um die Amtsführung des Pfarrers und den Zustand der Gemeinde zu überprüfen, und gingen mit einem für damalige Zeiten ungewöhnlich hohen Geldbetrag in der Spendenbüchse wieder nach Hause.

1695
Der Instrumentenbauer Heinrich Götz aus Neunkirchen im Vogtland lieferte am 1. Oktober einen Bass und zwei Diskant-Geigen für die Kirche. Dieser Eintrag zeigt, dass in der evangelischen Kirche des 17. Jahrhunderts auch jenseits der Orgel die Instrumentalmusik gepflegt wurde.
Ebenfalls ist für dieses Jahr vermerkt, dass die drei neuen Blasebälge der Orgel sehr schwer zu bedienen waren. Darum erhielt laut herrschaftlichem Dekret der Gotteshausmeister – das wäre heutzutage unser KIrchenpfleger Fritz Schmidt – sozusagen eine Erschwerniszulage von 4 Taler pro Jahr. Ein Taler davon waren sein Lohn für das Klingelbeuteltragen.
Der Bürgermeister wandte sich im Sommer an die Kirchengemeinde und nahm einen Kredit von 200 fränkischen Gulden auf, um unter anderem dem Gollhöfer Anteil an den Kriegsausgaben nach Heilbronn zu liefern.

1696
Am Trinitatisfest wurde in Markt Einersheim ein zum evangelischen Glauben bekehrter Türke getauft. Alle Limpurgischen Pfarrer mussten zu dieser Feierlichkeit erscheinen, Darum predigte in Gollhofen vertretungsweise der Pfarrer von Ippesheim.
Der Kunstmaler Matthäus Jahn aus Sommerhausen wurde beauftragt die neue Orgel braun anzustreichen, sie mit „gutem Gold“ zu vergolden und dann verschiedene Bilder mit lebendigen Farben anzubringen.

1697
Am 25. Juni zitierte der Oberschultheiß der Gemeinde den Kantor wegen seiner schlecht geführten Haushaltung ins Pfarrhaus um ihm dort die Leviten zu lesen. Über dieses Treffen wurde festgehalten, dass dabei Lebensmittelausgaben über zwei Gulden der Gemeinde in Rechnung gestellt worden.

Im selben Jahr wurde auch die mittlere Glocke repariert, die im Jahr zuvor gesprungen war. Ein Würzburger Glockengießer war damals zwar angereist, hat den Auftrag allerdings nach eingehender Betrachtung und nach Auflauf einiger Spesen doch nicht angenommen.
Im Jahr 1697 hat sich dann ein Glockengieser aus Lothringen daran gemacht, in der alten Kapelle – dem jetzigen Rathaus – eine Glocke neu zu gießen. Dazu musste eigens ein Brennofen aus 1800 Backsteinen errichtet werden, der mit drei Klaftern Holz beschickt werden musste.
Die fertige Glocke wog 15 Zentner. Am 3. April wurde sie dann mitv ereinten Kräften über einen Seilzug in den Turm gehoben. Die 30 Helfer erhielten jeweils einen Eimer Bier und einen Weck als Dankeschön.
Zu diesem Zeitpunkt wusste noch niemand, dass diese schöne neue Glocke nur zehn Jahre lang halten würde.

1702
Ausgesprochen spendabel beginnt das neue Jahrhundert:
Für die Pfarrfrau wird ein eigenes Gestühl eingebaut. Möglicherweise jenes, das wir noch jetzt hinten in der Kirche stehen haben.
Die Gemeinde gibt eine großzügige Spende für den Kirchenbau in Wallmersbach.
Ein Buchbinder in Sommerhausen wird beauftragt, 109 Katechismus-Exemplare für Gollhofen herzustellen. Ziel der Aktion: Jedes Haus bekommt kostenlos ein Exemplar des Katechismus von der Gemeinde überreicht.
Zwei Maurer aus der Tirol pflastern einen Weg vom Pfarrhaus zur Kirche.

1704
Am 12. April stirbt der langjährige Pfarrer Georg Philipp Winkler im Alter von 71 Jahren  und wird in der Kirche vor dem Altar begraben. Er zeichnete sich dadurch aus, dass er in vielen Dingen kein Blatt vor den Mund nahm und bei Trauungen und Beerdigungen häufig deutlicher seine Meinung sagte, als es den Beteiligten lieb war.
Insgesamt war er 39 Jahre als Pfarrer in Gollhofen tätig und war der einzige, der in der Kirche vor dem Altar beerdigt wurde.

1705
Als Nachfolger zieht Johann Christof Hartung ins Pfarrhaus ein, zuvor war er in Lindelbach tätig.
Im gleichen Jahr löst sich während des Läutens die kleine Glocke aus denen Glockenstuhl und stürzt vom Turm aus in die Tiefe. Offensichtlich blieb sie dabei unbeschädigt  und konnte von einem Uffenheimer Zimmermann wieder befestigt werden.

1706
Nach nicht einmal zehn Jahren zerspringt erneut die mittlere Glocke und wird neu gegossen.

1708
Zwei Jahre später, 1708, erhält der Kirchturm einen neuen Glockenstuhl, der aus 16 Eichenstämmen gezimmert wird, die aus dem Krassolzheimer Forst stammen.

1709
Im April lässt Kantor Pfeiffer den völlig mit Gestrüpp zugewachsenen Kirchgraben säubern und mit Obstbäumen anpflanzen.

1711
Im  August wurde der schadhafte Kirchturm durch einen Turmdecker aus Ansbach neu gedeckt. Der Turmknopf – also die Hohlkugel in der Spitze – wurde abgenommen und repariert. An seiner Innenseite fand man die Jahreszahl 1567 und eine Inschrift des Pfarrers Winkler von 1670. außerdem wurden zahlreiche alte Münzen darin gefunden.
Da der Turmdecker die Münzen für sich beanspruchte, einigte man sich, ihm als Ersatz 15 Kreuzer zu zahlen. Die Münzen legte man in die reparierte Hohlkugel; zusammen mit einem Pergament, worauf Nachrichten über die damalige Zeit und über Korn- und Weinpreise verzeichnet standen.

1713
Am 19. August starb der Erbschenk von Limpurg, Graf Vollrath.
Er galt als gutes und treues Glied der evangelischen Kirche. In seinem Testament hatte er bestimmt, dass keiner seiner Nachkommen das Recht hätte, Veränderungen an der evangelischen Lehre im Bereich der Kirche und der Schule vorzunehmen, sonst würden die mit dem Amt verbundenen Rechte auf die nächsten Verwandten übergehen.

Auch in Gollhofen wurde ein Totengedächtnis abgehalten. In einer feierlichen Prozession zog man von der Kirche aus zum Rathaus und zog dann unter Glockengeläut wieder hinauf zur Kirche, wo dann die Traueransprache gehalten wurde.

Soweit unser Rückblick auf 20 Jahre Gollhöfer Geschichte.

Liebe Gemeinde,

vieles in dieser kleinen Rückschau reizt zum Kommentieren.
Ich habe mir überlegt: Gibt es in diesen Jahren ein „Thema“, ein Phänomen, das aus der heutigen Perspektive diese Zeit prägt. Und dabei ist mir folgendes aufgefallen:

Da wird eine neue Kanzel und eine neue Orgel angeschafft. Für die damalige Gemeinde sicher eine große finanzielle Herausforderung und auch eine deutliche Veränderung ihrer Kirche. Wahrscheinlich hat man sich damals gesagt: Jetzt haben wir was geschafft, etwas Neues und Schönes … und das wird sicher ewig halten.
Und der Blick in die Geschichte verrät uns: Zum Jahr 1765 ist das alles wieder weggekommen, als man den jetzigen Altar von Johann Auwera eingebaut hat.
– Nichts wars mit dem Bauen für die Ewigkeit.

Oder die Glocke, die mit großem Aufwand neu gegossen wurde. Die alte Kapelle wurde dazu extra umgebaut, damit der Brennofen darin Platz hatte. Und fast wäre sie wegen der Hitze beim Glockenguss abgebrannt. Eine riesige Aktion unter Beiligung vieler Menschen aus dem Dorf.
Und dann muss man 10 Jahre später feststellen, dass diese Glocke kein ewiges Meisterwerk war, sondern schon wieder in Trümmern lag. Einfach kaputt gegangen.

Unsere Kirchengemeinde, ihr Planen und Handeln ist genauso vorläufig und vergänglich wie jedes menschliche Tun. Was wir damals wie heute planen, bauen, verändern, finanzieren oder abreißen hat seine Zeit, für die es gilt und auch seine Zeit, in der es hinfällig uns bedeutungslos wird.

Darüber könnte man verzweifeln:
Nicht mal in der Kirche haben die Dinge Bestand! Auch das, was man in der Kirche macht,  geht über kurz oder lang den Bach runter.

Aber man kann es auch positiv sehen:
Viele Entwicklungen in unserer Kirche haben ihre Zeit des Werdens und ihre Zeit des Vergehens.
~ Ein neues Gesangbuch wird mit Begeisterung angenommen und wir freuen uns. Und irgendwann wird es auch wieder veraltet sein und kann ersetzt werden.

~ Ein neuer Pfarrer kommt, da freut man sich. Und nach ein paar Jahren geht er wieder. Vielleicht lässt man ihn mit Wehmut gehen, oder man ist auch froh, weil man in den letzten Jahren nicht mehr so viel Engagement gespürt hat, wie am Anfang.

~ Liturgische Modeerscheinungen: Familiengottesdienste, Taizee-Andachten, politische Formen oder die wiederentdeckte Deutsche Messe werden in den Kirchenmauern gefeiert, können für Furore, Freude oder Streit sorgen.
Aber irgendwann werden sie ihren Reiz und ihre Kraft wieder verlieren, und man wird nach neuen Wegen suchen, Gottesdienst würdig und angemessen zu feiern.

~ Und ich hoffe: Nicht nur gute Ideen werden diesen Gang gehen. Auch viele Fehlentwicklungen, manche theologische Kuriosität in unserer Kirche wird wieder zu Staub zerfallen.  Vielleicht nicht zum meinen Lebzeiten, aber irgendwann dann doch…

Wir Menschen leben eben mit allem, was wir tun „in der Zeit“. Dem können wir nicht einfach entfliehen.
So wie der Altar hier vorne jeden Morgen einen Tag seinem Ersetzt-werden näher rückt, wo schreiten wir täglich unserem Ende näher. Das ist die ganz einfache Logik unserer Zeit, und wir werden sie nicht aufhalten können.

Oder doch?
Das Evangelium, das wir vorhin gehört haben, steht geschrieben: (Joh 5,24) Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen.

Dieses Wort klingt rätselhaft. Jesus sagt: Wer auf ihn hört und auf Gott vertraut, der ist in diesem Moment vom Tod zum Leben hindurchgedrungen.

Vielleicht hilft ihnen das Bild eines Zuges, der unaufhaltsam auf seine Endstation Namens „Tod“ zufährt. Da sitzen wir alle drin. Wir Menschen und auch unser kirchliches Handeln. Der Zug fährt, und wir werden das nicht ändern können. (Anders als in der Anekdote von der Zugreise nach Italien, die wir gestern in der Kirchweihpredigt der Landjugend gehört haben, gibt es da keine Notbremse.)

Aber es gibt da den letzten Wagon – das ist ein Kurswagen, der weiterfährt. Der an der Endstation an eine andere Lokomotive angehängt wird.
„Vom Tod ins Leben hindurchdringen“ heißt: Rechtzeitig umzusteigen in den Kurswagen.
Die Strecke bis zur Endstation ist die gleiche. Aber nur in diesem Wagon wird es danach für mich weitergehen.

Ich möchte behaupten: Irgendwie ist in diesem Wagon ein anderes Klima. Da sitzen viele Menschen, die nicht die ganze Zeit auf die Uhr sehen, weil sich fragen: „Ist es schon soweit … kommt bald die Endstation?“
Sie bleiben gelassener. Ihnen ist bewusst. An der Endstation wirds schon kurz ordentlich ruckeln. Aber ich brauche mich nicht schon lange vorher Sorgen machen … ich weiß ja, dass es weiter geht. Dass ich nicht hinfällig werde wie eine zerbröselnde Glocke oder ein veraltetes Gesangbuch.

Wer Gott vertraut, wer im Kurswagen zur Ewigkeit sitzt, der kann den Zug der Zeit gelassener zusehen. Der weiß dass alles, was wir in der Geschichte unsrer Kirche tun, in den vorderen Abteilen des Zuges passiert. Ein zur Vergänglichkeit gehörendes Handeln, das aber in einem Punkt aber darüber hinaus reicht:
Indem wir nämlich Menschen einladen, in den letzten Wagen zum ewigen Leben einzusteigen.
Amen

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