Predigt: Siehe, in die Hände habe ich dich gezeichnet (Jesaja 49, 15+16) 24. Oktober 2004, Silberne Konfirmation

long exposure photography of water drop

Silberne Konfirmation, Goldene Konfirmation

Dass Gott sich meinen Namen in seine Hände gezeichnet hat; auch wenn es in manchen Phasen des Lebens nicht danach ausgesehen hat: Dieses buchstäblich einprägsame Bild ist die Grundlage in dieser Predigt zur Jubelkonfirmation.

Liebe Festgemeinde, Liebe silberne Konfirmanden

Gestern Abend saßen viele von Ihnen der Gastwirtschaft zusammen zum Klassentreffen. Ich stelle mir das schon ganz schön interessant vor: “ Ja, wohin hat es denn dich verschlagen?“ wird gefragt. Und da gibt es natürlich alles mögliche zu erzählen – gerade dann, wenn man sich viele Jahre nicht mehr gesehen hat.
Und je später der Abend, um so interessanter werden die Geschichten …

Lebenswege

Die ganz unterschiedlichen Lebenswege der Konfirmanden von damals werden sichtbar. Nicht nur die Unterschiede zwischen dem einen Menschen und dem andern. Auch der eigene Lebensweg sah mal so und mal so aus.  Er ist wohl in den seltensten Fällen eine schnurgerade Autobahn. Mehr oder minder kann wohl jeder von so macher scharfen Kurve, Engstelle und Schwierigkeiten berichten.

Ich überlege mir: Wonach beurteilt man eigentlich so einen Lebensweg?
– Nach der Fahrbahnbeschaffenheit? Lief es glatt, oder war es holprig und voller Schlaglöcher?
– Nach der Landschaft, durch die er geführt hat. Was habe ich alles in den Jahren erlebt; haben sich mir neue Horizonte, fremde Kulturen eröffnet, oder habe ich 25 Jahre stets im gleichen Umfeld gelebt?
– Vielleicht auch nach dem, wohin er mich geführt hat: Bin ich den Zielen von damals näher gekommen, oder bin ich dann doch wo ganz anders abgezweigt?
– Naja, ein Kriterium könnte sein: Was konnte ich bisher so alles unterwegs einpacken. Hats für´n neues Häuschen gereicht, konnte ich eine Familie gründen, steht jetzt ein Mercedes in der Garage; wie oft stand ich in der Zeitung?

Perspektiven, unter denen man so einen Lebensweg betrachten kann, gibt es ohne Ende.
Weil wir hier in der Kirche sind, möchte ich noch eine Idee hinzufügen: „Wie nah oder fern von Gott ist der Lebensweg verlaufen?“. Ich gebe zu: So eine Frage stellt beim Klassentreffen eher keiner! Darum können wir das ja am Sonntag vormittag mal versuchen! Ich habe mir da so ein paar Gedanken gemacht … gehen sie im Gedanken einfach mal mit!

Glaubens-Lebenswege – Der lockere Start

Mein erstes inneres Bild zeigt sie in der Kirche – damals die festliche Konfimation mit Pfr. Bartels.
Vermutlich war schon beim Start die Nähe zum Glauben ganz unterschiedlich ausgeprägt.
Mancher war wohl überzeugt, dass der Glaube ganz ganz wichtig ist, hat dem Pfarrer jedes Wort unbesehen geglaubt – und ist mit viel Respekt zur Konfirmation geschritten.
Andere waren da skeptischer, sie haben beim Konfirmandenunterricht und Konfirmation schon auch mitgemacht. Aber ob das alles stimmt, was da behauptet wird? Ob das wirklich was fürs Leben bringt? – Naja, mal sehen… probieren kann mans ja mal!

So wird gestartet … hinein ins echte Leben … je nach Temperament mehr oder minder rasant, die einen zielstrebig, die andern eher verträumt.
Oft sind schon kurz nach der Konfirmation wichtige Entscheidungen wie die Berufswahl gefallen. Ja… und was den Glauben angeht, musste man auch seine Fahrspur wählen.
Wobei ich mi nicht sicher bin, ob das immer eine echte Entscheidung war, wie man mit dem Glauben umgeht. Manche Dinge entwickeln sich einfach so.

Gottesferne oder Gottes Ferne

Und scheinbar wie von allein verläuft der eigene Lebenswag dann „irgendwie“ mit großer Nähe zum Glauben, oder führt allmählich – für mache ohne, dass es ihnen bewusst ist – in Schleifen zu immer größeren Abstand zu Kirche, Glauben und Gott.
Das sind Zeiten, in denen viele mit ihren Gott auf einer gewissen Distanz leben – man liegt nicht mit ihm  in Streit – gut, dass es ihn gibt, dass er da ist. Aber so unbedingt brauchen, tue ich ihn auch nicht unbedingt täglich.
Ich denken, viele von ihnen haben solche Phasen schon einmal erlebt.

Ich gebe zu: Uns als Pfarrer macht das nicht immer glücklich. Am liebsten hätten wir ja am Sonntag alle unsere getauften Schäfchen in der Kirche. Das gebe ich ganz offen zu.
Ich muss natürlich auch zugeben: Unser Gottesdienst ist in seiner Form, mit seinen Liedern und seinem Ort kein Angebot, das für jüngere Leute besonders trendy ist. Eher sellen hört man am Arbeitsplatz, dass der Gottesdienst als Geheimtip fürs Wochenende gehandelt wird: „Hey, sonntag früh! In der Kirch´ da musst du unbedingt mal hin, da ist ja echt was geboten! Brunchen und Golfspielen, das nix gegen das, was die Kirche da macht! – Aber geh´ fei rechtzeitig hin, sonst ist schon alles voll.“
Spaß beiseite: Ich denke schon, dass das Angebot am Sonntag früh gar nicht so schlecht ist – das wissen zumindest die, die da auch hingehen. Wer nicht kommt, weiß ja gar nicht, was er verpasst….

Mein Gedanke, war ja eigentlich ein anderer:
Es gibt das Gefühl: Mein Lebensweg ist eigentlich ganz in Ordnung, die Kirche und der Pfarrer sehen mich selten, aber ich weiß: Mit Gott kann ich schon noch was anfangen – ich bete, wenns mir wirklich danach ist. Aber ich erlaube mir auch, ihn für Phasen meines Lebens eher beiseite zu lassen.

Gottes-Nähe und Gottesferne scheinen sich bei vielen Menschen biografisch bedingt immer wieder abzuwechseln.

Gottesverlassenheit

Von ganz anderer Qualität sind die Phasen der Gott-verlassenheit. Das sind die, die man keinem Menschen wünscht.
Das sind Tage, Monate oder gar Jahre, in denen man sich fragt: „Gott, wo bist du!?“, „Gott, warum?“. Zeiten, in denen man auch vergeblich auf eine Antwort wartet.
Solche Wege gehen zu müssen, ist furchtbar. Da ist es dunkel, und man hat keine Ahnung, ob es jemals wieder hell werden wird. Mancher von ihnen hat auch schon solche Zeiten erlebt. – Die vergisst man nicht.
Ich denke, die Eltern der mit ihnen zusammen konfirmierten Gabriele Steinmüller und von Peter Hecht gehören zu denen, die dieses Gefühl durchlitten haben, als die beiden so jung, mit 18 bzw. 31 Jahren, gestorben sind.

Ich denke da merken wir, welch großer Unterschied es ist:
Die selbstgewählte entspannte Distanz zu Gott zum einen –
Und auf der anderen Seite das Gefühl, dass Gott einen verlassen hat – in Stichgelassen hat – dass er gar nicht mehr da ist. Denn wenn er da gewesen wäre, wäre das alles nicht passiert.

Katastrophen – die persönlichen wie die, die in der Zeitung stehen, lassen mich als Mensch mit dem Gefühl der Gottverlassenheit zurück. Und Fragen bleiben stehen – zum Beispiel die, warum im Konfirmationssegen die Rede ist , dass Gott uns schützen soll … und uns dann doch Unglück widerfährt.

Erfahrung Israels

Dieses Gefühl der Gottverlassenheit kann jeden treffen: Fromme und weniger fromme. Auch das Volk Israel hat es ein paar mal übel erwischt. So schlimm, dass sogar die, die im Glauben fest verwurzelt schienen, völlig am Ende waren. „Gott, hat uns verlassen, es ist aus. Wir sind verloren.“

Da steht aber einer auf und verkündet denen: Lasst euch von Gott sagen:
Kann auch ein Weib ihres Kindleins vergessen,  daß sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie seiner vergäße,  so will ich doch deiner nicht vergessen.  Siehe, in die Hände habe ich dich gezeichnet. (Jes 49, 15+16)
Da sagt der Prophet Jesaja.
Selbst wenn ihr euch so fühlt: Ihr seid nicht von Gott verlassen.

Schaut euch eine Mutter an: Das ist doch auch ein Ding der Unmöglichkeit, dass die ihr eigenes Kind vergisst. Umso mehr wird euch Gott nicht vergessen oder verlassen.

Und dann sagt Gott etwas ganz ungewöhnliches:  Siehe, in die Hände habe ich dich gezeichnet. – Schau, ich habe dich in meiner Handfläche aufgeschrieben … ich werde dich nicht vergessen. Du steht da ja drin!

Liebe Gemeinde, das ist doch eine Zusage!

Die Perspektive von der Taufe bis heute

In der Taufe machen wir das für uns sichtbar: Kind, du gehörst zu Gott, er schreibt sich deinen Namen grade in seine Handfläche. Damit er dich nicht vergisst.
Bei der Konfirmation werden wir dich wieder daran erinnern, dann sagst du als mündiger Mensch dein „Ja“ zu Gottes „Ja“.

Und das, liebe silberne Konfirmanden, was wir heute tun, ist nichts anderes, als dass wir uns wieder daran erinnern: Gott sagt dir.  ich will deiner nicht vergessen.  Siehe, in die Hände habe ich dich gezeichnet.

Gott wird deinen Namen nicht vergessen. Egal, wohin dein Lebensweg dich führt.
Er wünscht sich deine Nähe – – aber er übersteht auch die Zeiten der Ferne.

Heute ist er ihnen besonders nahe – im Segen und im Abendmahl.
Ich wünsche ihnen, dass sie das heute spüren, die Nähe unseres Gottes, der seine segnende Hand über ihnen hält, in die er sich ihren Namen eingezeichnet hat.

Amen

Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.