Jes 41,13: Denn ich bin der HERR, dein Gott, der deine rechte Hand fasst und zu dir spricht: Fürchte dich nicht, ich helfe dir
Liebe Familie P.,
Am Sonntagnachmittag ist Spaziergehzeit. Im Minimalfall umkreisen wir das Dorf: Beim Kindergarten Richtung Sportplatz runter, auf der anderen Seite bei den Wirschings wieder hoch. Unsere Töchter sind noch mit dabei, meistens ein paar Meter vor oder hinter uns. Aber eben nur meistens – denn wenn z.B. andere Spaziergänger mit Hund kommen, dann sind unsere Kleinen ein bisschen näher, und dann dauerts nicht lange, bis eine kleine Hand nach meiner sucht. „Papa, Hand geben…!”. Und an Papas Hand ist auch ein großer ungewaschener Hund kein Problem.
Hand in Hand mit Mama oder Papa, das hat etwas. Das drückt Nähe und Verbundenheit aus. Man spürt: Wir gehören zusammen. Wenn man sich an der Hand fasst, ist das etwas wunderbares.
Kann Gott uns auch an der Hand nehmen?
In Valentins Taufspruch beim Propheten Jesaja ist es beschrieben: „Ich bin der HERR, dein Gott, der deine rechte Hand fasst und zu dir spricht: Fürchte dich nicht, ich helfe dir.”
Der HERR, dein Gott, der deine rechte Hand fasst. Das Hand-in-Hand gehen ist viel mehr als das Festhalten von jemanden. Wenn man mit 14 Jahren zum ersten mal mit einem Anderen, als den eigenen Eltern, händchenhaltend durch die Flur marschiert. Das ist etwas besonderes. Und wenn die beiden sich dann sicherheitshalber loslassen, weil die Tante Elfriede entgegenkommt – dann merkt man: Die Hand zu halten ist verräterisch: Denn es zeigt: Die beiden sind schon recht vertraut miteinander.
Verbundenheit, Zusammengehörigkeit ist das Eine. Aber da ist mehr:
Wenn am Dorfrand der große Hund kommt, dann könnte ich ja meiner verzagten Tochter auch erklären: „Der Hund tut nichts, der hat noch nie jemanden gebissen, der will doch nur spielen … du brauchst keine Angst haben.” Und ich bin mir sicher: Auch wenn meine Tochter wüsste, dass ich Recht habe, ihr ist damit nur wenig geholfen: Die Unsicherheit und Angst vor dem Hund lässt sich nicht so einfach weg-argumentieren. Der Bammel bleibt. Worte allein sind da jetzt nicht so viel wert.
Erst, wenn ich sie bei der Hand nehme, breitet sich in ihr Geborgenheit und Vertrauen in die Situation aus.
Es tut uns gut, bei der Hand genommen zu werden. Auch im übertragenen Sinn. So mancher hat es erlebt: Wenn man eine neue Arbeitsstelle antritt, wie gut das ist, wenn ein Kollege da ist, der einen bei der Hand nimmt, und zeigt, wo und wie was ist. Der erklärt, wo das Papier für den Fotokopierer ist, wie der Kaffeeautomat bei einer Störung wieder flott gemacht wird und wann man dem Kollegen Müller lieber nicht anrufen sollte.
Mit so einem Kollegen an der Hand wird man mit dem unbekannten Gebiet schneller vertraut. – Vertrauen; das ist überhaupt ein Schlüsselbegriff.
Wo mich einer bei der Hand nimmt, entsteht Vertrauen. Und das ist eine ganz wichtige Basis für unser Leben. Weil da, wo Vertrauen fehlt, die Energie zum Leben fehlt. Wenn ich vertrauen kann, dass andere zu mir halten, mich unterstützen, mich nicht hängen lassen: Da kann ich dann auch selbst Mut zum Leben haben.
Wenn mich aber Zweifel zerfressen, ob denn der andere wirklich zu mir hält.
Wenn ich nicht weiß, ob der nicht im Krisenfall stiften geht, da entsteht ein Vertrauensloch, durch das die Lebensenergie entweicht, wie aus einem durchlöcherten Autoreifen.
„Ich bin der HERR, dein Gott, der deine rechte Hand fasst und zu dir spricht: Fürchte dich nicht, ich helfe dir.” Das ist ein Wort, ein Versprechen das wir alle brauchen. Valentin braucht es, seine Brüder, ihr als Eltern und wir, wie wir hier sitzen. Vertrauen in einen Gott, der uns bei der Hand nimmt, begleitet, schützt.
Unschätzbar wird es, wenn man irgendwann persönlich spürt, dass das mehr sind als Worte, sondern wenn man das Gefühl bekommt: „Ja, Gott nimmt mich bei der Hand und hilft mir. Er ist mir nahe.” Daraus kann viel Vertrauen ins Leben wachsen, Energie für jeden neuen Tag.
Liebe Familie P., liebe Taufgemeinde,
wenn ich meine Tochter an der Hand nehme, ist das nicht immer nur Idylle. Wenn wir an der Bundesstraße B13 entlanglaufen oder sie überqueren, dann warte ich nicht drauf, dass meine Kleinen mir die Hand hinstrecken. Die packe ich mir dann schon selber. Weil mir im Gegensatz zu ihnen die Gefahr der Straße sehr bewusst ist, darum werde ich sie auch nicht dann nicht loslassen, wenn sie das gerne hätten.
Ich merke: Derjenige, der einen anderen an der Hand nimmt, sagt ihm auch gelegentlich wo es lang geht, und wo es nicht langgeht.
Wenns zum Zahnarzt geht, dann nehme ich unterwegs auch die Hand meiner Maria, auch wenn sie auf den Untersuchungsstuhl steigt. Aber sie kommt trotz allen nicht um die unangenehme Untersuchung herum; und wenn der Arzt bohrt, halte ich ihre Hand, aber werde das Gefühl nicht los, dass sie davon dann gerade nicht besonders viel mitbekommt. Beim Zahnarzt kann das ein Elend sein. Wenn ich Hand halte, aber weiß: Mädel, da musst du durch.
Das ist für beide Seiten eine Zerreißprobe: Die Tochter fragt sich: He, ich vertraue dir, du hast versprochen mitzugehen, mich bei der Hand zu nehmen, und jetzt geht mir hier so schlecht. Der Papa sieht das Elend, aber er weiß, dass er dem Mädchen das nicht ersparen kann – es zerreißt ihm notfalls das Herz, aber besser wirds darum auch nicht. Wir wissen aber auch, wie es beim Zahnarzt ausgeht: An Mamas oder Papas Hand geht es nach überstandenen Schmerzen wieder auf den Heimweg. Guten Mutes – Die Krise hat dem Vertrauen in die Nähe der Eltern nicht geschadet.
Was beim Zahnarzt funktioniert, ist im echten Leben nicht so einfach. Weil Krisenzeiten durchaus das Vertrauen in Gottes Nähe beeinträchtigen können.
Der Prophet Jesaja hat Valentins Taufspruch einem Volk gesagt, das im tiefsten Grunde von Zweifel zerfressen war. Sie haben an sich selbst und an Gottes Hilfe gezweifelt, schließlich waren sie von einer ganzen Reihe schwerer Katastrophen heimgesucht worden.
Und genau in diesem Moment sagt Gott durch Jesaja: Kommt, Leute, wir packens wieder, ich nehme euch bei der Hand, ihr braucht keine Angst vor der Zukunft haben. Ich bin ja dabei.
„Ich bin der HERR, dein Gott, der deine rechte Hand fasst und zu dir spricht: Fürchte dich nicht, ich helfe dir.” Gott hat dem Volk Israel damals die Hand gereicht; sie haben sie ergriffen und sind damit gut gefahren. Es ging wieder aufwärts.
Liebe Gemeinde,
diese Worte des Jesaja von dem Gott, der uns an der Hand nimmt, haben viele Facetten:
– Wir haben einen Gott, der uns die Hand hinstreckt, damit wir wieder auf die Beine kommen, wenn mir müde, enttäuscht und frustriert sind.
– Wir haben einen, der uns auch in schweren Zeiten nahe ist, dem unser Elend genauso das Herz zerrei ßt.
– Wir kennen den Gott, der uns auf den richtigen Wegen führen will, bei dem es riskant sein kann, wenn man sich im falschen Moment loßreißen will.
– Und wir können froh sein, über einen Gott der uns in Jesus die Hand reicht, als Freund, als derjenige, der uns lieb hat.
Dir, lieber Valentin wünsche ich, dass due gerade diesen letzten Aspekt – Gott als deinen Freund – ganz oft erlebst.
Amen