Liebe Gemeinde,
das Osterfest ist auch das Fest der Ostereier und der versteckten Osternester. Auch wenn wir heute morgen die Auferstehung Jesu feiern: Daheim lauert schon das Osternest. Noch schlimmer: Unsere Kindergottesdienstkinder sind auch schon beim Osternestersuchen im Gemeindehausgarten. Schon seit dem 17. Jahrhundert gibt es die Tradition, dass man für die Kinder die bunten Eier im Garten versteckt. Und seitdem hat dieser Brauch nichts an seiner Beliebtheit eingebüßt.
Wir lieben die Schatzsuche
Ich habe ein bisschen nachgedacht: Das Suchen und Finden von versteckten Dingen scheint irgendwie ganz tief in uns Menschen verwurzelt zu sein. Wer hat als Kind nicht Verstecken gespielt; dabei versucht, sich möglichst geschickt vor den Spielkameraden zu verbergen – oder umgekehrt, möglichst schnell selbst die raffiniertesten Verstecke aufzustöbern?
Wer hat nicht einmal als Kind davon geträumt, einen versteckten Piratenschatz auf einer einsamen Insel mit der Hilfe einer verschlüsselten Schatzkarte zu entdecken?
Auch die Erwachsenen kennen das: In den neunziger Jahren kam ein neues Schatzsuch-Hobby auf. Mit elektronischen Metalldetektoren, die wie Staubsauger aussahen, gingen Leute auf die Suche nach Schätzen aus vergangenen Jahrhunderten und fanden tatsächlich immer wieder interessante historische Gegenstände: Gürtelschnallen oder Kupfermünzen aus dem Mittelalter. Nichts von großem Wert, aber die Suche und das Glück des Findens machte offenbar den Reiz aus.
In den letzten Jahren findet eine neue Variante der Schatzsuche immer mehr Anh änger: Man versteckt kleine Tupperdosen in Baumhöhlen oder unter Steinen und veröffentlicht die Koordinaten in Internet. Und dann machen sich andere Schatzsucher mit einem Navigationssystem auf den Weg und versuchen diese Schatzdose zu finden.
Bei allen diesen Formen der Schatzsuche geht es nicht um materielle Werte, sondern um das Erleben: Da ist irgendetwas versteckt, das sieht nicht jeder im vorbeigehen, gut getarnt wartet es auf seinen großen Auftritt – nämlich dann, wenn ich es entdecken werde. Dann bin ich derjenige, der es findet, dann gibt der Schatz mir sein Geheimnis preis.
Auch Jesus hütete das Geheimnis seiner Person wie einen Schatz
Liebe Gemeinde,
wenn man sich das Leben Jesu in den Evangelien ansieht, gewinnt man den Eindruck: Auch Jesus hat ein Geheimnis mit sich herumgetragen, das er sein Leben lang nicht wirklich preisgegeben hat. Ein Blick ins Markusevangelium zeigt immer wieder Situationen, in denen Jesus genau darauf geachtet hat, dass dieses Geheimnis nicht gelüftet wird:
Als er einen Taubstummen heilte, verbot er den umstehenden, davon weiterzuerzählen. Als er vor den Augen von Petrus, Jakobus und Johannes auf einem Berg im himmlischen Licht als Sohn Gottes erkennbar wurde, wurden auch diese Jünger mit dem Verbot belegt, etwas davon den Anderen zu berichten. Immer wieder solche Szenen.
Sogar bei seiner Verhaftung und im Verhör vor dem Hohen Rat und Pilatus schweigt er zu den Vorwürfen, er habe sich als Sohn Gottes bezeichnet. Jesus wollte anscheinend nicht, dass man ihn als Messias oder Sohn Gottes feiert. So lieferte er oft auch keine Erklärung für seine Wunder, sondern ließ die Menschen überrascht zurück.
Auch am Kreuz, selbst als man ihn provozierte „steig doch herab vom Kreuz und hilf dir selber!”: Er hütete sein Geheimnis und litt und starb wie jeder andere Mensch auch.
Dieses Leben Jesu war außergewöhnlich, das steht außer Frage. Dieses Anderssein hat ihm ja auch die Feindschaft vieler religiöser Führer eingebracht. Sicher ist an machen Stellen durchgeschimmert, dass dieser Jesus aus Nazareth mehr sein könnte …. Aber im großen und ganzen blieb es geheimnisvoll, rätselhaft.
Erst am Ostermorgen wurde das Geheimnis Jesu aufgedeckt. Nun wird nicht nur der Stein am Grab weggerollt, das gesamte Versteckspiel hat ein Ende. Jesus kommt buchstäblich aus dem Versteck des Grabes hervor: Es wird erkennbar: Er ist der Sohn Gottes, er hat den Tod und die Macht der Sünde besiegt.
Die Frauen am Grab sind die Ersten. Dann die Jünger auf dem Weg nach Emmaus, auch alle anderen Jünger begegnen dem Auferstandenen und begreifen Stück für Stück, was hier geschehen ist. Sie erkennen die Herrlichkeit Gottes, der den Tod überwunden hat. Sie merken: „Da ist ein Schatz gehoben worden, den Jesus sein Leben lang verborgen hatte – erst jetzt erkennen wir allmählich, was das bedeutet.”
Und langsam werden ihnen Episoden aus ihrem Leben mit Jesus eingefallen sein, bei denen sie nun im Nachhinein sagen mussten: Jetzt fällt es mir wie Schuppen von den Augen – warum haben wir nicht eher erkannt, dass er der Sohn Gottes ist?
Tja, das war eben Jesu verstecktes Geheimnis.
Ostern ist darum nicht einfach eine Episode aus dem Leben Jesu. Sondern es ist der Punkt, von dem aus man Jesus Christus erst richtig verstehen kann. Ohne Ostern bleibt das zentrale Geheimnis Jesu unerkannt. Im Brief an Timotheus formuliert es Paulus so: „Jesus hat ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht” (2. Tim 1,10). Das ist der Schatz der hier gehoben worden ist.
Auch heute muss ich diesen Schatz persönlich heben
Liebe Oster-Gemeinde,
jetzt können wir auf fast 2000 Jahre Christentumsgeschichte zurückblicken, seitdem ist das Geheimnis gelüftet – eigentlich ist alles klar.
Aber ich glaube: So, wie jeder heute sein Osternest selber suchen muss, so muss jeder von uns diese Osterbotschaft selber entdecken. Denn sie ist ja nach wie vor in unserem Alltag versteckt.
Im Lied, das wir nachher singen, heißt es: Ich hör die Botschaft: Jesus lebt! Doch seh ich nur: Die Welt erbebt, weil Krankheit herrscht und Tod und Krieg. Wo find ich Jesu Ostersieg?
Wir müssen auch immer wieder mit dem Suchen beginnen. Auf die kleinen Signale der Hoffnung achten. Auf das verräterische Aufblinken des Siegs des Lebens.
– Hie und da gibt es Situationen in denen ich spüre, dass letztlich Gott diese Welt in der Hand hat, dass der Tod überwunden ist.
– Momente, in denen ich die Nähe und Hilfe Gottes spüre.
– Begegnungen, wo ich merke, dass es mehr gibt, als unsere sichtbare Welt.
Wer das im eigenen Leben entdeckt, der hat einen unglaublichen Schatz gehoben.
So wie Paul, von dem ich erzählen möchte. Eine unglaubliche Geschichte, die ich nur ein bisschen verfremdet habe, aber sich so verrückt zugetragen hat, so könnte man das gar nicht erfinden:
Paul ging von der Garage direkt in die Küche und ließ sich auf die Eckbank plumpsen. Geschafft! Ein Abenteuer war die Aktion – aber jetzt hatte er es hinter sich. Er blickte auf die Mappe mit den Unterlagen der Liechtensteiner Bank. Jetzt hatte er es also tatsächlich gewagt, und ein hübsches Sümmchen in einer Stiftung vor dem Finanzamt in Sicherheit gebracht. Lange hatte er Skrupel gehabt, naja und vor allem auch Angst, schließlich war der Grenzübertritt mit so viel Bargeld ein Risiko. Wenn man ihn gefilzt hätte, wäre es bitter geworden. Aber es ist alles glatt gelaufen.
Er atmete tief durch, so ganz wohl war ihm wirklich nicht gewesen, aber jetzt war es erledigt
Paul blätterte die Unterlagen durch. Da war auch der Umschlag mit dem persönlichen Passwort, das er am Schalter nennen muss, wenn er auf sein Konto zugreifen will. Kurz wirft er einen Blick hinein: 13924 mit einem Leerzeichen 139 24. Er schließt den Umschlag. 139 24 das kommt ihm irgendwie bekannt vor. „139 24, diese Zahl sagt mir irgendwas, die habe ich schon irgendwo benutzt … wo war denn das? Bin ich jetzt verrückt?”
Er kramte in seinem Gedächtnis nach alten PINs und Passwörtern, Telefonnummern, Geburtstagen, zurück in seine Schulzeit – es ließ ihm keine Ruhe. – Er ging in sein Arbeitszimmer schlich an den Regalen vorbei, hoffte auf einen Geistesblitz – und dann griff er zu dem Ordner: „Zeugnisse/Urkunden”.
Aufgeregt blätterte er – da musste sie sein, etwas stärkeres Papier mit einem aufgeklebten Foto, in einer Klarsichthülle: Seine Konfirmationsurkunde: Ein Blick unten auf den Bibelvers: Da stand es : Psalm 139, 24 – das wars! Und sein Blick wanderte langsam über die Zeilen, die da standen, mit großen Buchstaben starrte ihn sein Konfirmationsspruch aus Psalm 139,24 an: „Und sieh, ob ich auf bösem Wege bin, und leite mich auf ewigem Wege.”
Tja, liebe Gemeinde,
es sind oft die kleinen Entdeckungen, die uns spüren lassen, dass Gott in dieser Welt da ist, und kleine Wunder tut. Wer sie entdeckt, der wird diesen Fund so schnell nicht vergessen. Auch wenn man sie, wie Paul, nicht immer gerne an die große Glocke hängt.
Amen