Prüft alles und behaltet das Gute!
1. Thessalonicher 5,21
Wir schauen mit diesem Vers in zwei Richtungen: Wir suchen nach den guten Erinnerungen im vergangenen Jahr. Und wir blicken in die Zukunft, die uns immer herausfordert, das Gute zu tun und in Jesu Fußtapfen unseren Weg zu gehen.
Bild: Verlag am Birnbach – Motiv von Stefanie Bahlinger, Mössingen
Liebe Gemeinde,
Fernsehleute haben es nicht immer leicht. Da wollen sie für eine Sendung Aussagen von Passanten einsammeln, was ihnen denn für 2024 besonders in Erinnerung geblieben ist. Und was müssen sie hören: Krieg, Katastrophen, politisches Chaos … nix Positives! Null!
Ratlosigkeit im Aufnahmeteam. Ok – dann verändern wir mal die Fragestellung: „Was ist ihnen denn 2024 besonders positiv in Erinnerung?“:
„ähhh, weiß nicht“
„dass der BVB ins Champions-League-Finale gekommen ist“
„hmmm, keine Ahnung“.
Das ist schon verrückt – oder? War 2024 wirklich so schlimm und so ganz ohne gute Seiten?
Leben mit den schwarzen Steinen
Es ist schon eine seltsame menschliche Eigenschaft, dass negative Erfahrungen, Enttäuschungen und Verletzungen viel besser in der Erinnerung bleiben, als das Positive. Vielleicht weil wir es als selbstverständlich ansehen und erwarten, dass alles gut läuft?
Das war anscheinend schon immer so. Schon vor Tausenden von Jahren finden sich in den Psalmen immer wieder Aufrufe, dankbar für das Gute zu sein, das einem geschenkt wurde, und sich nicht an dem Negativen zu orientieren.
Die Jahreslosung für das kommende Jahr scheint ein bisschen in die gleiche Richtung zu gehen: „Prüft alles und behaltet das Gute!“ Diesen Ratschlag legt der Apostel Paulus der Gemeinde im heutigen Thessaloniki ans Herz.
„Prüft alles und behaltet das Gute!“ – die Künstlerin Stefanie Bahlinger hat dazu ein Bild entworfen, das Sie alle ja in den Händen halten dürften: Ein Sieb, das heftig geschüttelt wird. Wir sehen, wie die Steine herumgewirbelt werden, und dass offenbar die schwarzen und grauen Steine durch das Sieb fallen. Die bunten aber bleiben in dem Sieb.
Das ist das ja wirklich ein schönes Bild für den eigenen Jahresrückblick: Die schönen bunten Steine aufbewahren, an sie zurückzudenken. Und das trübe, triste und enttäuschende durch den Rost fallen zu lassen.
Ach – Es wäre schön, wenn es immer so einfach wäre. Aber die Wirklichkeit ist komplexer. Manche schwarze Steine sind ja nicht nur ein Stück Vergangenheit. Sie wirken bis in die Gegenwart. Kränkungen, Verlust von geliebten Menschen, Enttäuschungen … die bleiben oft jahrelang ein Teil des Lebens.
Und gelegentlich haben wir es uns mit diesen schwarzen Steinen auch irgendwie eingerichtet. Mit dem Groll, mit der Rolle des Betrogenen, Verlassenen, vom Schicksal Gebeutelten. Oft sind es andere, die uns dann sagen: „Lass das Alte ruhen. Schau nach vorne!“
Ja, da haben sie oft recht, aber letztlich muss man selbst spüren, wann der Zeitpunkt ist, den alten schwarzen Stein loszulassen und auf das Gute zu schauen.
Prüfungsauftrag des Paulus
„Schau nach vorne!“ – der Vers von Paulus ist einer, der tatsächlich eher in die Zukunft blickt. Das merkt man, wenn man schaut, in welchem Zusammenhang er ihn formuliert hat:
„Prüft alles und behaltet das Gute!“ – damit drückt er seinen Mitchristen eine Aufgabe in die Hand: Die Zukunft zu gestalten und selbst zu entscheiden, was richtig und gut ist. Die damalige Gemeinde, an die Paulus diesen Satz gerichtet hat, war ja erst frisch gegründet.
Was heißt es als Christ zu leben?
Wie gehen wir mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen um, die wir hier in der Handelsmetropole Tessalonich haben? Das Umfeld prägt ja die Menschen der Gemeinde. Da ist jeder ein bisschen anders. Es gibt unterschiedliche Positionen. Da kann es auch mal ordentlich krachen, wenn widersprüchliche Auffassungen aufeinanderprallen.
Und wieder sehen wir: Das Menschsein hat sich da nicht grundlegend verändert. Wir können nicht einfach sagen: „So war es schon immer, also muss es richtig sein“.
„Prüft alles und behaltet das Gute!“ sagt das unbequeme Gegenteil: Lehnt das, was neu und ungewohnt ist, nicht einfach ab. Schaut es euch genau an. Prüft, ob es etwas Gutes ist, das euch weiterbringt.
Und umgekehrt bedeutet das auch: Das Althergebrachte muss genauso auf den Prüfstand. Nur weil wir etwas schon immer so gemacht haben, heißt ja nicht, dass es damit heute immer noch sinnvoll ist.
Die Prüfkriterien
Klingt das grade arg modernistisch?
Nach Kirchenrevolution an Silvester?
Wohl eher doch nicht, denn Paulus liefert in seinem Brief an die Gemeinde gleich mit diesem „Prüft alles“-Satz auch Kriterien – oder auch Themen – mit, die da helfen sollen. Er schreibt:
Wichtig ist, dass ihr alle miteinander in Frieden lebt. Baut die Mutlosen auf, helft den Schwachen und bringt für jeden Menschen Geduld und Nachsicht auf. Keiner von euch soll Böses mit Bösem vergelten; bemüht euch vielmehr darum, einander wie auch allen anderen Menschen Gutes zu tun. Freut euch zu jeder Zeit! Hört niemals auf zu beten. Dankt Gott, ganz gleich wie eure Lebensumstände auch sein mögen.
Klingt jetzt doch nicht übermäßig revolutionär – oder?
Vielleicht eher sehr traditionell: In Jesu Fußtapfen durchs Leben gehen. Das mit Leben füllen, was Jesus gesagt und getan hat.
Aber gerade weil sich diese Welt immer verändert, ist es immer eine Aufgabe neu darauf zu schauen: Was ist das Gute? Was ist im Sinn von Jesus Christus? Und da kann es schon sein, dass wir mal umdenken müssen.
Indem wir nachdenken, beten, und dann hoffen, dass dabei eine guter Weg herauskommt, auf dem wir gehen können.
Amen