Liedpredigt: Jesu meine Freude (EG 396) 14. März 2021

Jesu meine Freude

Den Text hat der Rechtsanwalt und Bürgermeister Johann Franck am Ende des Dreißigjährigen Krieges geschrieben. Die Predigt blickt Vers für Vers auf die wichtigsten Gedanken dieses Lieds.

Flora, meine Freude, / meiner Seelen Weide, / meine ganze Ruh, / was mich so verzücket / und den Geist bestricket, / Flora, das bist du. / Deine Pracht glänzt Tag und Nacht / mir für Augen und im Herzen / zwischen Trost und Schmerzen.

So ein schönes Liebeslied auf die schöne Flora!
Wenn Sie jetzt den Kopf schütteln, wie man so ein würdiges Kirchenlied zu einem banalen Liebeslied umdichten kann … sparen Sie sich den Ärger! Es ist alles ganz anders. Flora war vor Jesus da!

“Flora meine Freude” war ein Liebesgedicht, das einst der Organist am Königsberger Dom, Heinrich Albert (den kennen manche als Komponist von “Ännchen von Tharau”), vertont hatte.

Ein paar Jahre später hat dann Johann Franck auf der Basis dieses Liebes-Liedes begonnen, den Liedtext “Jesu meine Freude” zu schreiben. Und Johann Crüger hat dem dann eine neue Melodie gegeben.

Johann Franck hat viele geistliche Lieder verfasst, fünf von ihnen finden sich auch in unserem Gesangbuch. (z.B.EG 218 Schmücke dich, o liebe Seele) Er war aber weder Pfarrer noch Musiker. Er lebte vor 350 Jahren in Guben in Brandenburg. Dort stammte auch der Komponist Crüger her. Franck war Rechtsanwalt, und war recht beliebt in dem Ort, der deutlich von den Zerstörungen des 30jährigen Kriegs gezeichnet war.

1648, im letzten Kriegsjahr, wurde Johann Franck Ratsherr und schon drei Jahre später Bürgermeister seiner Heimatstadt Guben. Da gab es viel zu tun. Das Elend der Menschen war unübersehbar. Überall Spuren des Kriegs, traumatisierte Menschen. Er versuchte als Bürgermeister irgendwie diese Stadt, auch ihre innere Ordnung, wieder aufzubauen. Ein Gefühl für Recht und Gerechtigkeit.

Wahrscheinlich eine Aufgabe, an der man manchmal verzweifeln konnte. Die Hingabe ans Dichten hat ihm da immer wieder aufgebaut, das hat er selber so gesagt.

In den nächsten beiden Versen entdeckt man vielleicht so einige Spuren des damaligen Chaos, mit dem er konfrontiert war.

396 2+3 Jesu meine Freude

2. Unter deinem Schirmen bin ich vor den Stürmen aller Feinde frei.
Lass den Satan wettern, lass die Welt erzittern, mir steht Jesus bei.
Ob es jetzt gleich kracht und blitzt, ob gleich Sünd und Hölle schrecken,
Jesus will mich decken.

3. Trotz dem alten Drachen, Trotz dem Todesrachen, Trotz der Furcht dazu!
Tobe, Welt, und springe; ich steh hier und singe in gar sichrer Ruh.
Gottes Macht hält mich in Acht, Erd und Abgrund muss verstummen,
ob sie noch so brummen.

Johann Franck befindet sich als Bürgermeister – genauso wie seine Bürger  in keiner komfortablen Position. Diese beiden Verse lassen es buchstäblich spüren, dass die Situation kritisch ist. Wir wissen nicht, ob es da um eine konkrete Bedrohungen, um bestimmte Anfeindungen geht. Aber man spürt: Das Leben ist nicht einfach. Es ist schwierig, konfliktreich, gefährlich, Er hat Angst, so manches Mal fährt ihm der Schreck in die Glieder.

Liebe Gemeinde, sicher war es damals anders als heute. Aber einst wie jetzt macht auch uns das Leben immer wieder zu schaffen. Sorgen, Ängste, Konflikte mit anderen Menschen.

Aber mitten hinein in dieses Szenario singt dieses Lied: Lass die Welt erzittern, mir steht Jesus bei. Ich steh hier und singe in gar sichrer Ruh.

Sich geborgen fühlen, trotz aller Bedrohungen und Schwierigkeiten.

Kürzlich habe ich ein Foto gesehen, das mich fasziniert hat. Auf der Rückseite des Psalm-Blattes ist es abgedruckt: In einem Dinosaurier-Park haben Vögel in dem Maul eines Sauriers ein Nest gebaut. Und wenn man genau hinsieht, erkennt man hinter den scharfen Zähnen des Sauriers ein paar Schnäbel hochspitzen: Die kleinen Piepmätze sind schon geschlüpft und schreien nach der Mama, damit sie was zum Fressen bringt.
Mitten im Rachen des Monsters sind die Vögel ganz entspannt und geborgen. Sie wissen: Der Saurier tut uns nichts. Egal, wie bedrohlich das alles aussieht. Egal, mit wieviel Zittern und Respekt die Besucher da am großen Saurier hochschauen. Wir wissen: Alles ist gut!

Das macht mir in meinen Krisenzeiten ein bisschen Mut:
Mitten in all dem, was mich bedroht, mitten in dieser Welt voller Risiken und allen Formen von Wahnsinn kann ich mich doch geborgen fühlen.

Es ist ein komisches Ineinander – aber ich habe ihnen ja angekündigt: Es ist der Sonntag der inneren Widersprüche!

Wissen, dass mir immer irgendwas zustoßen kann – und mich doch geborgen fühlen.

Erleben, dass ich als Mensch hinten und vorne nicht so bin, wie Gott es von mir erwarten dürfte – und sich doch geliebt und angenommen fühlen.

Angst vor einer konkreten Situation haben – und sich doch nicht verrückt machen und Vertrauen haben.

Das macht den besonderen Realitätssinn der Lieder dieser Art aus.

396 4+5 Jesu meine Freude

4. Weg mit allen Schätzen; du bist mein Ergötzen, Jesu, meine Lust.
Weg, ihr eitlen Ehren, ich mag euch nicht hören, bleibt mir unbewusst!
Elend, Not, Kreuz, Schmach und Tod soll mich, ob ich viel muss leiden, nicht von Jesus scheiden.

5. Gute Nacht, o Wesen, das die Welt erlesen, mir gefällst du nicht.
Gute Nacht, ihr Sünden, bleibet weit dahinten, kommt nicht mehr ans Licht!
Gute Nacht, du Stolz und Pracht; dir sei ganz, du Lasterleben, gute Nacht gegeben.

Der angesehene Rechtsanwalt, Ratsherr und Bürgermeister Johann Franck beginnt diese Strophe mit einer deutlichen Absage an Geld, Ruhm und Ehre. “Weg mit allen Schätzen!”

In diesen beiden Versen sortiert Johann Franck aus:
Was hilft mir im Leben wirklich weiter?
Wovon habe ich wirklich etwas was?
Und was kann weg?

Gute Nacht, o Wesen, das die Welt erlesen, mir gefällst du nicht. Da trennt Franck zwischen dem Wesen der Welt und dem Wesen des Glaubens.

Was er damit meint? So eine gewisse Weltabgewandtheit hat eine Tradition im Christentum. Die böse weltliche Welt  und die gute Sphäre des Glaubens.
Aber kann ich das wirklich so trennen?

Wenn ich mir vorstelle: Hier drin sind die “Guten”, die Frommen. Wir streben nach Nächstenliebe, man kümmert sich selbstlos um die anderen und lebt die Werte unseres Glaubens und hört auf Gottes Wort.

Und draußen vor der Kirchentüre ist die böse Welt. Beherrscht von Egoismus und Lieblosigkeit. Keiner fragt nach Gott.

Jede Wette, wenn wir nur lange genug hier zusammenhocken würden, dann würden wir auch entdecken: Da ist nicht alles Gold, was glänzt. Auch mitten unter uns gibt es Egoismus.  In jedem schlummert auch das, was wir eigentlich nicht wollen und nicht gut finden.
Und draußen wird es auch jede Menge von dem geben, wo wir denken, dass es eigentlich unser christliches Kerngeschäft ist.

Wir können das nicht so einfach schwarzweiß malen und trennen.
Vielmehr muss ich selber in mir schauen: Wie bekomme ich meine verschiedenen Logiken sortiert? Wo ticke ich christlich, und wo schlägt bei mir eine ganz andere Logik durch? Wie bekomme ich meinen inneren egoistischen Schweinehund unter Kontrolle?

Da muss ich immer wieder selbstkritisch auf mich selber schauen. Mich selber auf das zentrieren, was mir als Christ wichtig ist.

Und wenn ich mit dieser Perspektive auf diese beiden Verse 4 und 5 schaue, habe ich den Eindruck: Sie sind eine Art Selbst-Reflexion, ob ich denn momentan noch meinen eigenen Werten, meiner eigenen Lebensrichtung treu bin. – Und das kann ja niemals schaden.

Und doch bleibt bei ihm die Erkenntnis: Es ist immer ein Prozess. Ich werde nie perfekt sein. Aber ich will nicht aufhören an mir selbst zu arbeiten.

Und so kann das Lied auch sehr zuversichtlich und ohne erhobenen Zeigefinger enden:

6. Weicht, ihr Trauergeister, denn mein Freudenmeister, Jesus, tritt herein.
Denen, die Gott lieben, muss auch ihr Betrüben lauter Freude sein.
Duld ich schon hier Spott und Hohn, dennoch bleibst du auch im Leide, Jesu, meine Freude.


Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.