Predigt: Buch Rut – Zieht Gott im Hintergrund die Fäden? (Rut 1, 1-19) 24. Januar 2021

Symbolbild: Zieht Gott im Hintergrund die Fäden?

Rut 1, 1-19

In der Predigt wird die ganze Erzählung des Buchs Rut mit zwei Schwerpunkten entwickelt: Zum einen die großartige Treue von Rut zu ihrer Schwiegermutter, obwohl sie selbst genug Probleme hatte. Zum Andern die Frage, ob Gott da in allem seine Finger im Spiel hatte.

Predigttext aus Rut 1, 1-18 (Übersetzung „Hoffnung für alle)

Zu der Zeit, als das Volk Israel von Männern geführt wurde, die man Richter nannte, brach im Land eine Hungersnot aus. Darum verließ ein Mann namens Elimelech aus der Sippe Efrat die Stadt Bethlehem in Juda, wo er gewohnt hatte. Er ging mit seiner Frau Noomi und seinen beiden Söhnen Machlon und Kiljon ins Land Moab und ließ sich dort nieder.

Doch dann starb Elimelech, und Noomi blieb mit ihren Söhnen allein zurück.  Die beiden heirateten zwei Frauen aus Moab, sie hießen Orpa und Rut. Nach etwa zehn Jahren starben auch Machlon und Kiljon. Nun hatte Noomi keinen Mann und keine Söhne mehr.

Bald darauf erfuhr sie, dass der HERR sich über sein Volk erbarmt und ihm wieder eine gute Ernte geschenkt hatte. Sofort brach sie auf, um in ihre Heimat Juda zurückzukehren. Ihre Schwiegertöchter begleiteten sie.

Unterwegs sagte Noomi zu ihnen: »Geht doch wieder zurück in euer Elternhaus, kehrt um! Möge der HERR euch so viel Liebe erweisen, wie ihr sie den Verstorbenen und mir entgegengebracht habt! Er gebe euch ein neues Zuhause an der Seite eines zweiten Mannes!« Sie küsste ihre Schwiegertöchter. Die beiden fingen an zu weinen  und widersprachen ihr: »Nein, wir wollen mit dir zu deinem Volk gehen!«

Doch Noomi entgegnete: »Kehrt doch um, meine Töchter! Warum wollt ihr mich unbedingt begleiten? Ich werde keine Söhne mehr zur Welt bringen, die eure Männer werden könnten. Kehrt um, meine Töchter, geht! Ich bin zu alt, um wieder zu heiraten. (…) Der HERR hat sich gegen mich gewandt, euch jedoch möchte ich das harte Schicksal ersparen, das mich getroffen hat.«

Da weinten die beiden noch mehr. Orpa küsste ihre Schwiegermutter zum Abschied, Rut aber wollte sie auf keinen Fall verlassen.Da forderte Noomi sie auf: »Schau, deine Schwägerin kehrt zu ihrem Volk und zu ihrem Gott zurück. Geh doch mit ihr!«

Aber Rut erwiderte: »Besteh nicht darauf, dass ich dich verlasse! Ich will mich nicht von dir trennen. Wo du hingehst, da will auch ich hingehen. Wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, will ich auch sterben und begraben werden. Nur der Tod kann mich von dir trennen; wenn ich dieses Versprechen nicht halte, soll der HERR mich hart bestrafen!«

Noomi merkte, dass Rut darauf bestand, mit ihr zu gehen, und so versuchte sie nicht mehr, sie zur Umkehr zu überreden. Zu zweit setzten sie ihren Weg nach Bethlehem fort.

Zusammenhalt im schweren Schicksal

Liebe Gemeinde,

recht dramatisch beginnt das Buch Rut. Fast wie ein Roman, der gleich auf den ersten Seiten in die Abgründe menschlicher Schicksale führt.

Da ist eine Familie, die wegen einer Hungersnot ins benachbarte (und eigentlich einst verfeindete) Nachbarland flieht. Schon bald stirbt der Vamilienvater. Die beiden Söhne heiraten – aber schon nach wenigen Jahren kommen auch sie ums Leben, ohne dass sie Kinder hinterlassen.
So bleibt die inzwischen alte Judäerin Noomi mit ihren beiden ausländischen Schwiegertöchtern allein zurück. Alle drei ohne Mann, ohne Familie. Das hieß damals: Auch ohne wirtschaftliche Basis. Wer soll für ihr Auskommen sorgen? Es gab keinen Sozialsaat oder Rentenversicherung. Witwen ohne Kinder waren arm dran, buchstäblich bettelarm.

Noomi zieht es zurück in ihre Heimat. Da, wo es vielleicht noch Menschen gibt, die sie von früher kennen, die ihr irgendwie ein bisschen helfen können – also sie vor dem Hungertod bewahren würden. Viel mehr konnte sie nicht erwarten.

Für ihre Schwiegertöchter, Rut und Orpa gab es noch Hoffnung. Sie könnten vielleicht noch einmal heiraten und glücklich werden.

Und wir lesen: Die beiden jungen Fauen, die schon mit Noomi in Richtung Juda aufgebrochen waren, werden von ihr noch einmal genötigt, gut darüber nachzudenken. Und Orpa ist vernünftig, und geht zurück in ihr Heimatdorf. Aber Rut bleibt eisern: Sie will ihre Schwiegermutter nicht im Stich lassen. Auch wenn sie damit möglicherweise ihre eigene Zukunftsperspektiven verbaut. Denn es geht in ein für sie fremdes Land. Und man kann vermuten, dass sie wusste: Sie als Moabiterin wird in Noomis Heimat von vielen Menschen skeptisch angesehen werden – schließlich kommt sie aus einem einst verfeindeten Nachbarvolk.

Kaum zu glauben, diese Loyalität zur Schwiegermutter. Und Rut fasst das in die Worte, die wohl die bekanntesten des ganzen Buches sind: Wo du hingehst, da will auch ich hingehen. Wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott.

Wir halten zusammen! Das ist Ruts Bekenntns.
“Noomi, schau uns an: Jede von uns hat ihr schweres Schicksal zu tragen.  
Du und ich, wir beide haben momentan mehr als genug Probleme und Sorgen.
Und ehrlich gesagt bin ich mit meiner eigenen Situation, schon überfordert.
Zukunftsangst lässt mich manchmal nicht schlafen.

Erinnerungen an die gute Zeit, die verloren gegangen ist, gehen mir nach.
Ich weiß nicht, wie ich mich entscheiden soll – ich bin innerlich so zerrissen.
Und immer wieder die Frage, warum Gott mir das zumutet!
Eigentlich bräuchte ich deine Probleme nicht auch noch. Mir reichen die eigenen. Und du bist aus einer anderen Generation, aus einem anderen Land, und auch unser Glaube ist unterschiedlich.
Aber ich erkenne auch:  Unsere schlimme Situation verbindet uns.
Du bist eine der wenigen, die meine Gefühle wirklich verstehen kann.
Wenn jede nur auf sich schaut, wenn jede sich nur um ihr eigenes Zeug kümmert, werden wir scheitern.
Also lass uns gemeinsam gehen, und lass uns das Gemeinsame suchen:
Wo du hingehst, da will auch ich hingehen. Wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott.”

Wie es weitergeht

Wie geht es weiter? Beide kommen bald nach Bethlehem, die alte Heimat von Noomi. Im Buch Rut wird beschrieben, wie beide Frauen als arme Witwen versucht haben, sich durchzuschlagen. Bei der Feldarbeit lernt Rut Boas kennen, einen Verwandten ihrer Schwiegermutter. Er erfährt von ihr, von ihrem Schicksal und auch wie sie sich um ihre Schwiegermutter kümmert, und dazu alles aufgegeben hat. Diese Loyalität beeindruckt ihn. Und zwischen den Zeilen spürt man es schon ein bisschen knistern.

Es stellt sich heraus: Dieser Boas ist so mit Noomi verwandt, dass er die rechtliche Möglichkeit hat, die Position des verstorbenen Sohnes von Noomi – also des  Ehemanns von Rut einzunehmen. Wenn Boas sie heiraten würde, dann würden die eigentlich verloren gegangenen Grundstücke der Familie wieder ihnen gehören.
So kommt es nach einigen hin-und her auch: Rut und Boas heiraten.

Damit ist auch die Zukunft der alten Noomi gesichert, und dem Paar wirs ein Sohn geboren: Obed heißt er – und wird der ganze Stolz von Oma Noomi.

Bibel oder Pilcher?

Liebe Gemeinde,
an manchen Stellen kommt man sich in dieser Geschichte vor, wie in einem Roman von Rosamunde Pilcher. Rut und Noomi in aussichtloser Situation, aber doch in Treue verbunden, und wie durch ein Wunder kreuzt dann genau der Mann ihren Weg, der die Möglichkeit hat, sie aus ihrer Lage zu befreien. Es kommt die Liebe dazu, und alles wird gut.

Ist das eher Bibel oder eher Pilcher?
Wenn man genau hinschaut, entdeckt man den Unterschied. Immer wieder tauchen in dieser Geschichte kleine Anspielungen auf, die erahnen lassen: Das war nicht alles Zufall. Da hat Gott im Hintergrund die Finger im Spiel gehabt. Und zwar in jeder Hinsicht.

Hie und da tut es beim Lesen fast schon weh, wie gerade Noomi ihr schlimmes Schicksal unverblümt deutet:
“Gottes Hand ist gegen mich gewesen”
“Der Allmächtige hat mir viel Bitteres angetan”

Am liebsten möchte ich da antworten: Noomi, ich weiß nicht, ob man das so sagen kann. Denn es will mir nicht in den Kopf, dass es Gottes Wille war, das alles so schlimm gekommen ist.
Umgekehrt bekennt sie und die anderen Frauen in Bethlehem: Es ist Gottes Geschenk, dass ihnen mit Boas genau der Mensch über den Weg gelaufen ist, der sie aus ihrer Situation retten konnte.


Das Besondere am Buch Rut: Es wird nicht erzählt, dass Gott das alles so gelenkt hätte, sondern wir lesen, dass die Betroffenen es so gedeutet haben!

Und das finde ich auch sehr ehrlich. Wir sitzen nicht in Gottes Beraterstab. Wir können nicht hinter den himmlischen Bühnenvorhang blicken.
Wir haben keine Antwort auf die Frage “warum lässt Gott das zu”. Und wir können nicht mit Bestimmtheit festlegen: “Das hat Gott gemacht, weil …”

Wir sind oft genug nur Zuschauer, wenn Dinge in der Welt geschehen. Die Frage ach dem “Warum” bleibt oft genug Gottes Gehemnis.

Nur manchmal, überkommt mich dann doch das Gefühl, dass Gott da gerade was ganz wunderbar eingefädelt hat –  so, wie ganz am Schluss der Rut-Geschichte. Denn da wird noch erzählt, wie sich das mit der Familie von Noomi und Ruth weiterentwickelt hat. Denn Obed, wurde später Vater von Isai, und der ist dann der Vater von König David gewesen.

So hatte der große König David als Uroma eine Frau aus dem Land Moab, eine, die durch ihre große Treue zu ihrer Schwiegermutter erst ins Land Juda kam. Und ohne ihre Bereitschaft, ihrer Schwiegermutter beizustehen, hätte es nie den großen König David gegeben.

Amen

Video-Tipp: Einen schönen Überblick über die 4 Kapitel des Buchs Rut gibt es im „BibelProject“ auf Youtube:

Zum Video


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