Predigt: Vergiss es nie: Es geht um die Liebe. (5. Mose 6, 4-9) 31.10.2019, Reformationsfest

Mesusa an einer Hoteltüre in Tel Aviv

Dtn 6, 4-9

Mit dem „Schma Israel“ haben wir einen zentralen jüdischen Text zum Reformationstag am Start. Wie schön, wenn man entdeckt, wie reformatorische Erkenntnis sich hier anschmiegt.

Predigttext: 5. Mose 6, 4-9 / Deuteronomium 6, 4-9

4 Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR ist einer. 5 Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft. 6 Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen 7 und sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt oder unterwegs bist, wenn du dich niederlegst oder aufstehst. 8 Und du sollst sie binden zum Zeichen auf deine Hand, und sie sollen dir ein Merkzeichen zwischen deinen Augen sein, 9 und du sollst sie schreiben auf die Pfosten deines Hauses und an die Tore.

Dtn 6 – das Urbekenntnis des Volkes Israel

Liebe Gemeinde,
unser heutiger Predigttext ist einer der zentralen Stellen unseres Alten Testaments. “Der HERR ist unser Gott, der HERR ist einer. Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.” – das ist ein Grundbekentnis des Volkes Israel. Und vielleicht erinnern Sie sich an die Geschichte um den barmherzigen Samariter: Da hat auch Jesus genau diesen Satz als entscheidendes Gebot zitiert.
Diese Zeilen sagen auch, wie wichtig man dieses Bekenntnis nehmen soll: Das steht …
… du sollst sie deinen Kindern einschärfen
… du sollst sie als Merkzeichen auf deine Hand und zwischen deine Augen binden
… und an deinem Türpfosten sollst du sie befestigen.

Als wir im März mit unserer Gemeindereise in Israel unterwegs waren, haben wir genau das erlebt: Am Türpfosten unserer Hotelzimmer war immer ein kleines Kästchen, eine Mesusa, geschraubt – innendrin: Ein Zettel mit genau diesen Worten.
An der Klagemauer, am Sabbat in der Synagoge und manchmal auf der Straße sind uns Menschen begegnet, die die Teffillin, die Gebetsriemen, getragen haben. Mit ihnen befestigt man kleine Würfel mit diesem Text auf der Stirn und auf dem Handrücken. “Höre! Es gibt nur einen einzigen Gott! Und dich hat er sich zu seinem Volk erwählt; er liebt dich; er will dein Gott sein!“

Was für uns da so fremd erscheint, hat einen ganz einfachen Hintergrund: Man soll es immer vor Augen haben: Gott liebt dich. Er will dein Herr und Gott sein. IMMER! Nicht bloß am Sonntag im Gotteshaus. An jeder Türe – auf jedem Schritt meines Altags werde ich daran erinnert. Keinen Bereich in meinem Leben soll es geben, der davon ausgenommen wäre.

Und das Merkzeichen an der Hand? Mit meinen Händen gestalte ich mein Leben. Ich tue meine Arbeit, kann aufbauen oder zerstören. Meine Hand ist ein mächtiges Werkzeug – aber alles, was ich tue soll im Einklang mit der Liebe Gottes zu mir  und meiner Liebe zu ihm stehen.

Und das Merkzeichen an der Stirn? Meine Gedanken, meine Pläne. Auch mein Weltbild, wie ich über Menschen und Sachverhalte denke, soll diese Liebe als Basis haben. Das Kästchen mit diesen Versen fragt mich immer wieder: So, wie du über Menschen denkst und redest, passt das zusammen mit der Liebe Gottes, die jedem Menschen gilt?

Was für uns vielleicht wie jüdische Folklore erscheint, ist eine Lebensentscheidung: Mein ganzes Leben, meine Gedanken und Pläne, was ich mit meinen Händen schaffe, wo ich auch gehe und stehe – immer soll ich von dem Glauben und Vertrauen durchdrungen sein: Der Herr ist mein Gott und ich bin sein geliebtes Kind.

Erinnern statt vergessen!

Ja, und was hat das jetzt mit dem Reformationstag zu tun? Ganz einfach. Luthers Reformation war auch eine Bewegung, die genau dieses Grundbekenntnis aus der Vergessenheit hervorgeholt hat. Es geht zuallererst mal darum, Gott lieb zu haben.

Was war da los, vor über 500 Jahren? Papst Leo X. rief einen Ablass für den Bau des Petersdoms in Rom aus. Tetzel zog durch Städte und Dörfer und verkaufte Ablassbriefe: „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer in den Himmel springt“!  

Mit der Angst vor Höllenstrafen verdiente die Kirche Geld. Das war schon schlimm genug. Aber genauso dramatisch – so sah es Luther – war etwas viel tiefer gehendes: Die Beziehung zwischen Gott und uns Menschen wurde dadurch zu einer Geschäftsbeziehung:
Wenn du Gutes tust, wird Gott es dir mit Liebe und Zuwendung lohnen.
Durch gute Taten wirst du vor Gott zu einem guten Christen und in den Himmel kommen.
Wenn du aber versäumst, Gutes zu tun, musst du damit rechnen, von Gott bestraft und ausgestoßen zu werden.
Mit anderen Worten: “Bringe gescheite Leistung, dann ist alles gut!!!”

Hier, in unserem Predigttext steht aber etwas anderes: “Habe Gott von ganzen Herzen lieb! Dann ist alles gut!” Luther hat dafür gekämpft, dass wir uns an die Grundlagen erinnern. Gottes Liebe zu uns und die Liebe zu ihm ist die Basis.

Natürlich war für Luther auch klar, dass die Liebe zu Gott Folgen hat. Wenn ich Gott liebe, kann ich nicht tun, was ihm missfällt. Denken wir noch mal an die Sache mit dem Barmherzigen Samariter. Jesus bringt die Geschichte ja genau als Beispiel dafür, was es heißt, die Liebe Gottes im Alltag zu leben. Am Ende sagt er zu seinem Gesprächspartner: So geh hin und tu desgleichen!

Wir Christen schrauben keine Bibelverse an jeden Türstock und wir brauchen uns auch den Bibeltext von heute nicht auf die Hand binden. – Aber wir sollten uns daran erinnern! Die Liebesgeschichte zwischen Gott und mir soll sich in meinem Leben, in meinem Handeln und in meinem Denken wiederspiegeln.
Manchmal wird es wunderbar klappen, und dann geht es auch mal schief, und ich ärgere mich über mich selber. Naja, wenn ich es merke, ist es ja auch schon gut! Dann habe ich es ja nicht vergessen – und ich kann mich wieder an dem orientieren, was wirklich zählt: Die Liebe zu Gott, mein Glaube, nicht meine fromme Leistung.

Ach übrigens: So eine schicke Mesusa – daheim am Türstock zum Arbeitszimmer, das fände ich schon echt ziemlich cool. – Aber Moment: Genau über genau dieser Türe hängt ja das Kreuz, das ich einst zur Konfirmation geschenkt bekommen habe. Das ist doch eigentlich nichts anderes: Ein Erinnerungszeichen: So sehr hat Gott die Welt – und auch mich – geliebt, dass er seinen Sohn für mich hat sterben lassen und wieder vom Tod auferweckt hat.

Erinnerungsstücke – Merkzeichen – die haben wir auch als Christen. Jedes Kreuz, die Taufkerze im Schrank, eigentlich jeder Regenbogen … sie erinnern uns an diese Liebe Gottes – genauso, wie Brot und Wein, mit denen wir anschließend die Gegenwart Jesu feiern wollen.

Amen

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