Predigt: Miteinander in Gottes Garten (Jesaja 58, 7-12) 6. Oktober 2019, Erntedank 2019

Erntedank

Jes 58, 7-12

„Brich mit dem Hunrigen dein Brot“ – Jesaja erinnert uns: Wir Menschen teilen uns den Garten Gottes. Erst wo wir zusammenstehen und einander helfen, wird es in diesem Garten hell werden.

Unser Danke-Ritual

Robert hat einen blauen Fleck. Links, auf der Höhe der unteren Rippenbögen. Passiert ist das beim Besuch von Tante Luise. Sie hatte ihm und seiner Schwester große Milka-Schokoladentafeln mitgebracht und oben auch noch einen 10 Euro-Schein mit einem Schleifchen hingebunden. Robert war total happy: Milka Noisette – die liebt er so … und hat sich im Gedanken schon ein Stückchen abgebrochen … das stößt ihm seine Mutter den Ellenbogen in die Rippen und faucht leise zu ihm rüber “Jetzt sag endlich Danke!”

Das hat ihm weh getan. Nicht nur in den Rippen. Die Tante hat doch gesehen, dass er sich freut und dankbar ist! Muss man das denn immer auch noch brav und vernehmbar sagen? “Dankeschön liebe Tante Luise. Diese Schokolade habe ich mir schon immer gewünscht.” Das ist doch komisch – wie aufgesagt!

Liebe Erntedank-Gemeinde,
das mit dem Danke-Sagen ist schon eine komische Sache.

“Guten Tag, bitte, danke, auf Wiedersehen.” Das sind Rituale, die viele von uns zuverlässig beherrschen. Sie gehen uns flüssig über die Lippen, auch wenn das “danke” nicht immer aus tiefsten Herzen kommt. So tief sind meine Gefühle auch nicht wenn ich vom Postboten ein Päckchen in Empfang nehme. Aber ich sage dennoch danke. Es schadet ja nichts.

Umgekehrt könnte der Postbote ja auch mal denken: Wieso soll ich die 5000 Blatt Kopierpapier zum Pfarrer hochschleppen? Ich werfe ihm diesen “ich habe sie nicht angetroffen”-Zettel in den Briefkasten. Dann kann er sich sein Zeug morgen im Paketshop abholen und selber tragen.
Wer öfter mit bestimmten Paketdiesten zu tun hat, weiß, dass es durchaus auch anders laufen kann, mit dem Päckchen an der Haustüre.

Sind unsere vielen Danke-Rituale vielleicht ein Spiegel dessen, dass wir vieles als selbstverständlich erleben, und zugleich wissen: Eigentlich ist es nicht selbstverständlich? Die gut gefüllten Auslagen im Geschäft mit freundlicher Bedienung. Die Türen die wir uns gegenseitig aufhalten. Das Tempotaschentuch, das ich jemanden gebe, der grade verschnupft ist.
Lauter Selbstverständlichkeiten – aber es könnte auch anders sein – Grund genug, Danke zu sagen.

Was ist noch selbstverständlich?

Nun feiern wir heute Erntedank. Sagen danke für Äpfel, Birnen, Kartoffeln, Zucchini – für alles, was da draußen wächst. Jedes Jahr neu.
Immer am ersten Sonntag im Oktober
So selbstverständlich.
So automatisch, routiniert.
Aber ist es denn noch so selbstverständlich? Dass alles wächst, dass tatsächlich genug für alle da ist? Nach einem Sommer, wo mancher jammert, wie viel Wasser er für seinen Garten zum Gießen gebraucht hat. Wo klar ist, dass es für unsere Landwirte keinen Gartenschlauch für die Felder gibt.
Erntedank ein selbstverständliches Fest, das uns daran erinnern will, dass nichts selbstverständlich ist.

Spüren sie schon den Ellbogen des Pfarrers in den Rippen? “Hopp Gemeinde–, sag jetzt endlich danke!”
Nein – Dankbarkeit kann man nicht anordnen.
Sie muss entstehen.
Ganz einfach beim Blick auf das, was man hat.
Bei der Freude über das, womit man beschenkt ist.
Beim Bewusstwerden, wie gut alles doch geworden ist.
Das ist die Dankbarkeit – die einfach die Freude als Schwester hat.

Naja, manchmal tut sich die Dankbarkeit aber auch mit dem Respekt zusammen:
Da, wo ich über meinen Tellerrand hinausschaue, und erkenne: Wir haben es im Vergleich zu anderen Regionen dieser Erde unglaublich gut. Was bei uns alles wächst. Wie gnädig das Klima bei uns doch noch ist. Wie gut die Rahmenbedingungen für unser Arbeiten sind.
Ich wurde da einfach in dieses reiche privilegierte Land hineingeboren. Mir fallen nur wenige Länder ein, in denen ich es als Durchschnittsbürger ähnlich gut hätte. Aber in hunderten von Ländern hätte ich ganz andere Sorgen als hier.

Ich bin hier gelandet – ohne mein Zutun – darum brauche ich kein schlechtes Gewissen haben, dass es mir gut geht – aber froh und dankbar will ich sein.

Jesajas Worte an die, denen es ganz gut geht

Wir sind Leute, die längst nicht alles haben, was sie gerne hätten. Aber eigentlich – gerade im Vergleich zu Anderen – sind wir durchaus reich beschenkt. An solche Menschen wie uns scheint der Prophet Jesaja zu denken, als er im 58. Kapitel Folgendes sagt:

Predigttext:
Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut!
8 Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des Herrn wird deinen Zug beschließen.
9 Dann wirst du rufen, und der Herr wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich. Wenn du in deiner Mitte niemand unterjochst und nicht mit Fingern zeigst und nicht übel redest, 10 sondern den Hungrigen dein Herz finden lässt und den Elenden sättigst, dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen, und dein Dunkel wird sein wie der Mittag.
11 Und der Herr wird dich immerdar führen und dich sättigen in der Dürre und dein Gebein stärken. Und du wirst sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Wasserquelle, der es nie an Wasser fehlt.
12 Und es soll durch dich wieder aufgebaut werden, was lange wüst gelegen hat, und du wirst wieder aufrichten, was vorzeiten gegründet ward; und du sollst heißen: „Der die Lücken zumauert und die Wege ausbessert, dass man da wohnen könne.“

Liebe Gemeinde,
was macht Jesaja da grrade mit uns? Ist es doch wieder der Ellenbogen in den Rippen? Hopp, sei dankbar, und helfe denen, die es nötig haben? Oder haben Sie gespürt, wie er hier gerade das Licht heller dreht? Dein Licht wird aufgehen, Gott wird auf dich hören, du wirst sein wie ein Garten, dem es nie an Wasser fehlt.

Jesaja ist doch eigentlich am Schwärmen!
Er macht Werbung:
Werde du richtig glücklich, indem du dich ums andere kümmerst.
Mache dein Leben heller, indem du mit anderen gerecht und menschwürdig umgehst.
Werde wieder stark und gesund, weil du auch anderen auf die Beine hilfst.

Ist das nicht verrückt? Denken wir nicht oft genau anders herum? “Erst mal muss ich mein eigenes Zeug regeln, bevor ich mich um andere kümmern kann. Wenn ich meine Schäfchen im Trockenen habe, dann kann ich ja mal …”

Solche Gedanken erscheinen logisch. Zumindest dem kleinen Egoisten in mir mit seinem sehr begrenzten Horizont.
Aber so hat diese Welt noch nie funktioniert.
Mit “ich zuerst”, mit “sollen die anderen erst mal” vergrabe ich mich in ein dunkles Loch, das mich einsam und trübsinnig macht. Das hat keine Zukunft.

Wenn du in deiner Mitte niemand unterjochst und nicht mit Fingern zeigst und nicht übel redest, sondern den Hungrigen dein Herz finden lässt und den Elenden sättigst, dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen, und dein Dunkel wird sein wie der Mittag.

Dein Licht wird aufgehen

Dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen … das erleben ja viele Menschen.
Wo sie Angehörige pflegen, kaum Zeit für sich selber haben – und doch erleben, wie wichtig und gut es ist, was sie tun. Eltern, die sich um ihre Sorgenkinder kümmern – und sich trotz aller aufreibender Mühe als Menschen erleben, deren Leben erfüllt ist.
Die vielen, die sich ehrenamtlich engagieren. Sie sind für andere da, unterstützen etwas, was für die Menschen im Dorf wichtig ist. Als Dank bekommen sie oft genug eher Gegenwind als Unterstützung, aber sie geben nicht auf. Nicht nur, weil es ihnen um die Sache geht, sondern weil sie vielleicht auch erleben: Da ist auch Licht in meiner Arbeit.

Oder ich denke an unsere Landwirte. Wenn sie nur an sich selbst denken würden, müssten sie ihr Zeug verkaufen und sich ein schönes Leben machen. Dann müssten sie nicht mehr von den Menschen schräg ansehen lassen, die gerne Kühe auf der grünen Weide haben möchten, aber nicht mehr als ein paar Cent für die Milch zahlen wollen.

Aber nicht nur die Bauern wissen: Bloß an sich selber denken, das macht unsere Welt nicht heller. Gott hat uns in diesen großen Garten gestellt, damit wir ihn bebauen und bewahren.  Wir sind da nicht allein. Gott hat andere Menschen neben uns in diesen großen Garten gestellt. Große und kleine, arme und reiche, kranke und gesunde, mit ganz verschiedenen Farben der Haut.  Nebeneinander stehen wir da und füreinander stehen wir ein. Mit Liebe und Verantwortung. Und mit Dankbarkeit für all das Gute was Gott uns in diesem Garten immer wieder schenkt.

Amen

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