Predigt: Ausgeliefert und auf der Flucht (Matthäus 2, 13-23) 30. Dezember 2018

Matthäus 2, 13-23

Mit der Flucht nach Ägypten teilt Jesus das Schicksal von Millionen Menschen, die ihre einzige Überlebenschance in Verlassen der Heimat sehen.
Der Gottessohn liefert sich den Machtspielen der Menschen aus und erinnert uns später daran: Ich werde euch in den Ausgelieferten begegnen.

Unser Predigttext steht im Matthäusevangelium im 2. Kapitel.
Es spricht davon, was in Bethlehem geschehen ist, nachdem die Weisen aus dem Morgenland in ihre Heimat zurückgekehrt sind.

(Mt 2, 13-23)
Als sie aber hinweggezogen waren, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Josef im Traum und sprach: Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und flieh nach Ägypten und bleib dort, bis ich dir’s sage; denn Herodes hat vor, das Kindlein zu suchen, um es umzubringen.
14 Da stand er auf und nahm das Kindlein und seine Mutter mit sich bei Nacht und entwich nach Ägypten
15 und blieb dort bis nach dem Tod des Herodes, auf dass erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht (Hosea 11,1): »Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.«

16 Als Herodes nun sah, dass er von den Weisen betrogen war, wurde er sehr zornig und schickte aus und ließ alle Knaben in Bethlehem töten und in der ganzen Gegend, die zweijährig und darunter waren, nach der Zeit, die er von den Weisen genau erkundet hatte.
17 Da wurde erfüllt, was gesagt ist durch den Propheten Jeremia, der da spricht (Jeremia 31,15):
18 »In Rama hat man ein Geschrei gehört, viel Weinen und Wehklagen; Rahel beweinte ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen, denn es war aus mit ihnen.«

19 Als aber Herodes gestorben war, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Josef im Traum in Ägypten
20 und sprach: Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und zieh hin in das Land Israel; sie sind gestorben, die dem Kindlein nach dem Leben getrachtet haben.
21 Da stand er auf und nahm das Kindlein und seine Mutter mit sich und kam in das Land Israel.
22 Als er aber hörte, dass Archelaus in Judäa König war anstatt seines Vaters Herodes, fürchtete er sich, dorthin zu gehen. Und im Traum empfing er einen Befehl und zog ins galiläische Land
23 und kam und wohnte in einer Stadt mit Namen Nazareth, auf dass erfüllt würde, was gesagt ist durch die Propheten: Er soll Nazoräer heißen.

Keine Idylle in Bethlehem

Liebe Gemeinde,
so schnell ist Weihnachten vorbei! Nicht nur bei uns – sondern auch bei der heiligen Familie.
Die Engel rufen nicht mehr „Ehre sei Gott in der Höhe“, die Hirten sind wieder draußen bei ihren Herden, die Weisen haben ihre Geschenke übergeben und sind auf der Heimreise. Nach den Ereignissen der Heiligen Nacht mit Herbergssuche, Geburt im Stall und vielen unerwarteten Gästen würde man sich wünschen dass, endlich ein bisschen Ruhe einkehrt.
Aber mit einem Mal ist die ganze Idylle zerschlagen. Es beginnt ein Horrortrip mit Flucht, Mord und Leben in einem unbekannten Land. Der Weihnachtsfriede ist vorbei

Eigentlich ist es nur ein aufrüttelnder Traum: Ein Engel erscheint dem Josef und fordert ihn auf: Steh auf, mach dich sofort auf den Weg – fliehe mit deiner Familie nach Ägypten, denn der König Herodes hat vor, das Kind zu suchen, um es umzubringen.
Josef hat er keine Zweifel, daran, dass dieser Traum ein Zeichen von Gott ist. Noch in der Nacht weckt er seine Maria, rafft die Habseligkeiten zusammen und macht sich auf den Weg nach Ägypten. Nur weg, so schnell und weit sie können. Sicher keine einfache Flucht mit einem Neugeborenen, das gestillt werden muss, und einer jungen Frau kurz nach der Geburt.

Auf der Flucht – Daheim wartet der Tod

Liebe Gemeinde,
allein aus der Fluchtgeschichte ließe sich ein packender Film drehen. Josef, der ja sonst in der Bibel eine ganz blasse Randfigur ist, wird zu einem mutigen Helden.
Keiner weiß, ob sie alle drei die Flucht bis Ägypten überstehen. Da gibt es so viele Gefahren. Aber welche Alternative hat er? Hoffen, dass in bethlehem schon nichts passieren würde? Wenn die Soldaten des Herodes vor der Türe stehen – dann braucht man nicht mehr diskutieren – dann ist alles aus! Jeder weiß: Herodes kennt weder Skrupel noch Erbarmen: Schließlich hat er drei seiner eigenen Söhne umbringen lassen, weil er vermutete, dass sie ihm die Macht streitig machen wollten.
Josef zieht los.
Er setzt alles auf eine Karte.
Er weiß: In Bethlehem lauert der Tod – in Ägypten, gibt es wenigstens eine Chance auf Zukunft.
Die drei beißen sich durch.

Es wäre ein packender Film – aber man braucht ihn nicht zu drehen, weil er eigentlich immer wieder läuft. Auf der Leinwänden der Weltgeschichte:

Schon das Volk Israel floh einst vor dem Pharao, der auch gnadenlos Kinder töten ließ, um seien Machtposition zu sichern.
In der alttestamentlichen Josefsgeschichte fliehen die Brüder aus der Heimat, weil es aufgrund der Dürre einfach nichts mehr zu essen gab.
Die Gründer von Wilhelmsdorf hatten eine Flucht von 1000 Kilometern hinter sich – weil sie als Hugenotten schutzlos den gewalttätigen Soldaten des Königs von Frankreich ausgeliefert waren.
Noch heute leben Menschen in unserem Dorf, die ihre Heimat in Schlesien, dem Sudetenland, in Ungarn oder an der Moldau verlassen mussten.
Und in den letzten Jahrzehnten kamen die Menschen aus dem zerfallenden Jugoslawien, aus Afghanistan, aus Syrien

Immer wieder – Fluchtgeschichten: Da, wo ich daheim bin, wartet des Tod – der einzige Weg ist die Flucht – und wenn ich unterwegs scheitern und sterben sollte – habe ich es wenigstens versucht.

Gott auf der Flucht

So war die Heilige Familie eine von Millionen Flüchtlingsfamilien auf diesem Planeten. Nur mit dem von außen nicht wahrnehmbaren Unterschied: Hier ist Gott selbst auf der Flucht! Der Schöpfer in Gestalt eines Kleinkinds muss vor der Gewalttätigkeit seiner eigenen Geschöpfe in Sicherheit gebracht werden.

Liebe Gemeinde
Gott auf der Flucht vor seinen eigenen Geschöpfen? Was auf den ersten Blick aussieht, wie schlechte Comedy, ist genau besehen das Einmalige an Weihnachten.
Also … ich meine Gottes Weihnachten – nicht die Veranstaltung, die wir so gerne draus machen.
Der Retter und Erlöser der Welt kommt als kleines, hilfloses Kind auf die Welt. Der heilige, über alles erhabene Gott verlässt seine Position:
Er kommt schutzlos in diese arme, elende und tödliche Menschenwelt, mitten hinein in den Alltag der Menschen mit ihren Ängsten und Freuden, ihrem Hunger und ihrer Mühsal.
Zu Menschen, die ihren ganz normalen Berufen nachgehen, die manchmal täglich ums Überleben kämpfen müssen.

Den mordenden Soldaten des Herodes entkommt das kleine Jesuskind. Erst als Herodes gestorben ist, kehren sie in die Heimat zurück.
Aber sein Leben bleibt bedroht. Er bleibt der Willkür und dem Hass der Menschen ausgeliefert. Das scheint keine Panne in der Planung Gottes zu sein, sondern ein zentraler Punkt. Schließlich führt ihn sein Weg bis zum Tod am Kreuz.

Gott liefert sich uns aus

Liebe Gemeinde,
weshalb sich Gott in Jesus Christus uns Menschen derartig ohne Absicherung ausgeliefert hat, bleibt letztlich sein Geheimnis.
Aber in den Jahren seines Leben auf der Erde wird es immer wieder deutlich: Er fühlte sich gerade denen verbunden, die ausgeliefert sind:

Den Kindern, die von ihren Eltern nicht ernst genommen wurden.
Den Aussätzigen, denen man vorgeworfen hat, sie wären selbst Schuld an ihrem Schicksal.
Den Zöllnern, die manchmal der eigenen Raffgier genauso ausgeliefert waren, wie dem Neid und der Missachtung der anderen.

So hat er nicht ohne Grund in seiner Gerichtsrede davon gesprochen, dass er uns genau in solchen Menschen begegnen wird:
Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben.
Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben.
Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen.
Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet.
Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht.
Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen.

Amen

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