Eigentlich kommt der Tit 3,4-7 nicht besonders weihnachtlich daher. Eher sperrig: In einen (!) Satz mit 66 Wörtern hat Paulus hineingestopft, was uns durch Jesus geschenkt wurde. Im Bild des wertvollen, aber nicht ganz einfach einlösbaren Geschenkgutscheins entfaltet diese Predigt die Gedanken des Textes.
Predigttext: Titus 3, 4-7
Als aber erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Heilands, machte er uns selig – nicht um der Werke der Gerechtigkeit willen, die wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit – durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung im Heiligen Geist, den er über uns reichlich ausgegossen hat durch Jesus Christus, unsern Heiland, damit wir, durch dessen Gnade gerecht geworden, Erben des ewigen Lebens würden nach unsrer Hoffnung.
Geschenke, vor denen man Respekt hat
Liebe Gemeinde,
lag bei Ihnen gestern auch ein Geschenkgutschein unterm Weihnachtsbaum? Diese Form des Geschenks findet ja immer mehr Anhänger – zumindest bei denen, die diese Gutscheine verschenken.
Bei den Empfängern sieht da manchmal ganz anders aus: Da öffnet man gespannt den schön verzierten Umschlag und es fällt einem ein aufwendig gemachter Gutschein in Form einer mehrseitigen Broschüre entgegen: Dein Weihnachtsgeschenk, um das deine Lieben schon länger ein Riesengeheimnis gemacht haben, ist eine dreiwöchige Reise durch die Anden Ecuadors. Vierzehn Tage Rucksack-Wandern und Klettern im Hochgebirge, auf abenteuerlichen uralten Inka-Pfaden, Schluchten mit unvergesslichem Panorama. Das Ganze geleitet von einem bekannten Experten in Sachen Survival. Begegnungen mit der dortigen Bevölkerung, und übernachten unter freiem Himmel. Und dann noch eine Woche Meditationsworkshop in einem Kloster in der Hauptstadt Quito.
Phantastisch – oder?
Das ist ja ein grandioses Geschenk! Eine einmalige Chance …. aber ich hätte auch mächtig Bammel vor diesem Abenteuer. Ich würde mich fragen:
Schaffe ich das? Die weite Reise, die fremde Kultur, das Klima auf 3000 Höhenmetern. Und meine grundsätzliche Angst vor Abgründen auf den schmalen Inkapfaden im Gebirge? Das ist ja schon etwas ganz Anderes, als hier im Steigerwald.
Es gibt Geschenke, die sind nicht nur unglaublich wertvoll, sondern auch eine ungeheuere Herausforderung. So herausfordernd, dass man zwischen Freude und ehrfurchtsvollem Respekt hin und her schwankt.
Das Geschenk der Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes
Unser Predigttext spricht auch von einem Geschenk – ungeheuer wertvoll, aber eben auch eine ziemliche Herausforderung. Paulus schreibt von der Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, die dahintersteckt. Da meint es Gott, der uns beschenkt, also richtig gut!
Zwei zentrale Punkte stehen in diesem Geschenkgutschein:
Zum einen, dass Gott uns Menschen nicht nach unseren Taten beurteilt, sondern nach seiner Barmherzigkeit. Und als zweites erhalten wir das Anrecht auf ewiges Leben. Ein Dasein bei Gott auch über unseren Tod hinaus. Wenn das also kein beeindruckendes Geschenk ist! Den Tod entmachtet sehen und von Gott mit barmherzigen und vergebenden Augen betrachtet werden – das klingt gut, das will ich.
Und weil ich das ja geschenkt bekomme, brauche ich mich nur noch auf die Reise machen, um das alles zu erleben!
Ja – sie haben richtig gehört! Hier geht es um einen Reisegutschein! Um das zu erleben, wovon hier die Rede ist, muss ich mich auf die Reise machen, auf die Lebensreise als Christ.
Sie ahnen schon: Hier geht es nicht um eine Drei-Wochen-Tour, sondern eher um ein lebenslanges Abenteuer. Und in unserem Predigttext hat Paulus zwei Verkehrsmittel, genannt, die wir für diese Reise brauchen: Das eine nennt Paulus „das Bad der Wiedergeburt“. Also nichts anderes als unsere christliche Taufe, durch die wir Kinder Gottes werden. Das wird für uns nicht so das große Problem sein.
Erneuerung
Als Zweites spricht er von „der Erneuerung im Heiligen Geist“. Das klingt eher ungewohnt. Also … Erneuerung, das finden wir ja zuallermeist ziemlich gut. Denn von Neuem erwarten wir meist, dass es besser ist als das Alte, das ja eher schon mal verschlissen und kaputt ist. Also auf etwas Neues freuen wir uns meistens.
Außer das Neue ist so neu, so ungewohnt und fremd, dass wir uns schwer damit tun. Wie bei einem Kartenspiel, das man immer schon nach den gleichen Regeln gespielt hat. Und dann kommt der Moment, wo jemand kommt uns sagt: „Ich weiß ja nicht wer euch das so beigebracht hat, aber in Wirklichkeit gelten in diesem oder jenem Fall andere Regeln“. Sich dann umzugewöhnen ist gar nicht so einfach.
Erneuerung im Heiligen Geist – ich glaube, das ist genau etwas aus dieser Kategorie. Weil es darum geht, dass wir selbst uns verändern, uns erneuern lassen, wo unser Denken und Handeln nicht so funktioniert, wie es einmal von Gott gedacht war. Das Phänomen ist ja nichts Neues. Als Mensch kann ich mich an alles gewöhnen – auch an meine eigenen Schwächen. Irgendwann fällt mir gar nicht mehr auf, was an mir wirklich problematisch ist.
Ich lebe in irgendwann mal gefassten Meinungen, wie in einem alten Lieblingspullover, ohne zu merken, dass er schon lange nicht mehr passt. Alles hat sich verändert: Die Welt, die Herausforderungen an mich haben sich weiterentwickelt. Auch ich selbst bin in Bewegung, auch wie ich Gott verstehe, entwickelt sich weiter. Aber es ist halt so bequem, in dem zu verharren, was man immer schon gemeint hat.
Erneuerung im Heiligen Geist – da muss ich mich bewegen, mich hinterfragen. Überlegen, wie denn das, was ich denke, sage und praktisch anstelle, zu dem passt, was Jesus sagt.
Liebe Gemeinde,
wir sehen: Der Lebensreisegutschein, den Gott uns schenkt, denn kann man nicht vom Sofa aus einlösen. Ein Leben, in dem ich Gottes Liebe erleben will und das ewige Leben erben möchte, ist ein Abenteuer, das auch eine Herausforderung ist.
Und als spürte er, dass ich da ein bisschen Fracksausen bekomme, lässt Paulus auch nicht unerwähnt, dass Gott uns selber durch seinen heiligen Geist unter die Arme greift:
Er schreibt: „Erneuerung im Heiligen Geist, den Gott über uns reichlich ausgegossen hat durch Jesus Christus“ – er lässt uns förmlich baden in der Unterstützung Gottes auf unseren Weg des Glaubens. Und das ist oft genug eine Erfahrung, die wir als Christen machen dürfen. Dass wir nicht allein sind. In allen Schritten dir wir tun, bei allem Stolperern und bei machen Absturz sind wir von Gott nicht verlassen, sondern erleben seine Nähe und Hilfe. Manchmal durch Menschen, die er uns zur Seite stellt, und manchmal ganz rätselhaft wie aus dem Nichts.
Er scheint zu wissen, was man gut brauchen kann, bei so einer Expedition ins Leben.
Gottes Reise begann an Weihnachten
Naja, vielleicht hat das damit zu tun, dass Gott das ja auch selbst seine Erfahrungen damit gemacht hat. Damals, als er im Stall von Bethlehem in unsere Welt kam. Das war ja auch so eine Reise. Für ihn auch keine leichte Herausforderung. Einmal nicht „Gott“ zu sein, sondern Mensch! Seine göttliche Herrlichkeit an der Schwelle zur Krippe abzulegen, und sich als Mensch durch das menschliche Leben zu schlagen.
Konfrontiert mit all den menschlichen Gefühlen und Schwächen. Mit dem Erleben von Freundschaft und Verrat, von Liebe und Hass, von Vertrauen und Verzweiflung. Mit Leben und Tod.
Reisen bildet! Gott, der in Jesus Mensch war, weiß, was wir brauchen und was wir können und was wir nie hinbekommen.
Darum gibt es für uns dieses Geschenk Gottes, diesen Reisegutschein.
Weil wir etwas können: Uns auf den Weg machen. Vertrauen zu Gott fassen und immer wieder bereit sein, uns selbst zu hinterfragen.
Weil er weiß, was wir nicht können schenkt er uns etwas: Seine ungeheuere Vergebungsbereitschaft, einen Platz in seinem ewigen Reich, seine Liebe und seinen Geist, der uns Kraft gibt, uns immer wieder an ihm zu orientieren.
Amen