Predigt zur Jahreslosung 2015: Nehmt einander an (Römer 15,7) Neujahrstag, 1.1.2015

Peter Hebgen  / pixelio.de

Bild: Peter Hebgen / pixelio.de

„Nehmt einander an, so wie Christus euch angenommen hat, zu Gottes Lob.“ (Römer 15,7) – Wenn das so einfach wäre! Die Predigt am Neujahrsmorgen versucht die Herausforderung des gegenseitigen Annehmens gleich einmal von der schwierigsten Seite anzugehen: Wie ist es mit den Typen, die mich regelmäßig auf die Palme bringen?

Predigttext im Zusammenhang: Römer 15, 1-7
Wir, die einen starken Glauben haben, sind dazu verpflichtet, auf die Schwachheit der anderen Rücksicht zu nehmen und nicht an uns selbst zu denken. Jeder von uns soll sich so verhalten, dass er seinen Mitmenschen zum Guten ermutigt und ihn im Glauben stärkt.  Auch Christus lebte nicht für sich selbst. Von ihm heißt es: „Die Anfeindungen, die dir, Gott, galten, haben mich getroffen.“
Und aus dem, was in der Heiligen Schrift vorausgesagt wurde, sollen wir  lernen. Sie ermutigt und tröstet uns, damit wir unsere Hoffnung auf ihre Zusagen setzen und daran festhalten. Gott aber, der uns immer wieder neuen Mut und Trost schenkt, helfe euch, einmütig zu sein, so wie es euch Jesus Christus gezeigt hat. Dann könnt ihr alle wie aus einem Mund Gott, den Vater unseres Herrn Jesus Christus, loben und preisen.
Nehmt einander an, so wie Christus euch angenommen hat, zu Gottes Lob.

Liebe Gemeinde,
so eine schöne Jahreslosung für 2015. Nehmt einander an, so wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob. Was will man mehr? Das ist ja genau das, was uns als Christen auszeichnen sollte. – Einander annehmen, akzeptieren, die Schwächen der anderen ausgleichen, statt sie auszunutzen. So einen Spruch nimmt man gerne ins neue Jahr hinein.

Nicht jeder ist wirklich liebenswert

Naja, wahrscheinlich komme ich damit gut durch die nächsten Wochen. Bis ich dem Menschen begegne, der offenbar darauf programmiert ist, mich in Rage zu bringen.
Kennen Sie das auch? Es gibt Menschen – davon gibts Gott sei dank nicht so viele – aber die gibt es: Die müssen keine 5 Sätze sagen (oder schreiben), und ich bin auf der Palme. Unglaublich, so ein Heini … so ein – ich sage jetzt lieber nicht, was mir auf der Zunge liegt!
Es ist doch erstaunlich, da bilde ich mir ein, doch ein ganz besonnener, netter Mensch zu sein – und dann gibt es Leute, die wissen scheinbar genau, wo meine Zündschnur liegt und schaffen es, genau da zu zündeln! Und in kürzester Zeit könnte ich explodieren. Die sagen oder tun genau das, was mich ärgert,  wahnsinnig oder wütend macht.
Es gibt Leute, da geht das einfach nicht gut! Mit denen kann man einfach nicht.
…. und da sagt Paulus so einfach: „nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat.” – Aber: ich bin nicht Jesus! Die Gelassenheit fehlt mir manchmal.

Ich muss mich auch selbst annehmen

Und da muss ich daran denken, was ein Psychologe über solche Menschen sagt: Dieser Typ, den du am liebsten auf den Mond schießen würdest, ist eigentlich ein Engel für dich. Denn an ihm kannst du erkennen, was in dir nicht in Ordnung ist.
Warum wirst du denn innerlich aggressiv, wenn Frau X, dir immer stolz ihre allzeit hochglanzpolierte Wohnung vorführt? Kann es sein, dass du immer noch nicht akzeptiert hast, dass Ordnung und Sauberkeit bei dir eben keinen hohen Stellenwert hat. Und obwohl du schon 50 bist, schleppst du immer noch das Gefühl mit dir herum, du bist keine gute Hausfrau. Und genau deshalb kannst du das Geschwärme von X über ihre tolle Wohnung auf den Tod nicht ausstehen.
So geht es letztlich wohl eigentlich nicht darum, der Freundin mit der tollen Wohnung den Mund zu stopfen, sondern eher mit sich selber ins Reine zu kommen. Sich selber anzunehmen! Akzeptieren, dass ich ein unaufgeräumter Mensch bin, obwohl ich es selber gerne anders hätte. – Aber ich bin eben so.

Liebe Gemeinde, das war nur ein Beispiel. Aber vielleicht entdecken sie es bei sich auch: Dass es da einen Zusammenhang gibt. Zwischen dem Verhalten anderer, das sie wahnsinnig ärgert, und dem, dass in Ihnen so manches an inneren Baustellen, Verletzungen oder unerfüllten Wünschen schlummert.
Es ist nicht immer so, aber so mancher kann da sicherlich eine interessante Entdeckung machen.

Zurück zur Jahrslosung: Sie schlägt nämlich in die gleiche Kerbe: Nehmt einander an, so wie Christus euch angenommen hat, zu Gottes Lob. Da finde ich den Bogen: Zuallererst hat Jesus Christus mich angenommen. Mit allem, was ich bin. Mit meiner Schuld, die er mir vergibt, und mit dem, wie ich eben innerlich gestrickt bin. Mit meinen Stärken und meinen Defiziten. Mit meinem inneren Zerrissensein und meinen Wünschen.
Was manchmal fehlt, ist dass ich selber das auch schaffe: Mich mit mir selber versöhnen, mich anzunehmen mit all meinen Schwächen und unerfreulichen Seiten. Ich darf ja weiter daran arbeiten (manchmal ist da ja auch nötig) – aber ich darf (und muss) auch die dunklen Seiten als zu mir gehörig annehmen.

Schwache und auch Starke annehmen

Und dann fällt es mir wohl auch leichter, die anderen anzunehmen. Gerade auch die in der vermeintlich stärkeren Position sind.

Vielen fällt es ja leichter, Menschen mit ihren offensichtlichen Schwächen anzunehmen. Wo ich sehe, dass einer sich schwertut, er sich abmüht, aber manches eben nicht hinbekommt, da fällt es mir leicht, fürsorglich den anderen anzunehmen. Ihm zu sagen, du passt mir, dich hab ich gern.  Da fühle ich mich auch dem Jesus nahe, der sich der Kranken, der Witwen und Waisen angenommen hat.

Aber wie ist es mit den arroganten, eingebildeten Typen, der so seltsame Sprüche drauf hat, und mit einem Angeber-Auto rumfährt, wo man schon ahnt, dass er damit irgendetwas kompensieren möchte. Auch ihn sollen wir annehmen! So, wie er daherkommt. „Wie Jesus euch angenommen hat” – denn der hat auch nicht davor zurückgeschreckt, sich bei Zachäus zum Essen einzuladen, bei diesem kurzgeratenen Geldsack, der bis dahin seine von den Römern privilegierte Position schamlos genutzt hatte, andere Leute finanziell abzuzocken.
Merken Sie? Der Zachäus war genau so einer von denen, die viele mit gutem Grund auch nicht leiden konnten.

Nehmt einander an:
Die Schwachen, mit deren Unzulänglichkeiten ihr euch herumplagt.
Und die Starken, auch wenn deren Größe manchmal euer eigenes Selbstbewusstsein ankratzt.

Denke daran, dass Gott dich auch angenommen hat. Mit allen deinen Macken, mit deinen Minderwertigkeitsgefühlen oder deiner persönlichen Selbstüberschätzung. Er hat nicht ausgewählt, sonder dich genommen, wie du bist. Darum sollst du auch nicht auswählen, wen du akzeptierst, und wer unter deiner Würde ist.

Mit Liebe und Geduld

Liebe Wilhelmsdorfer,
ein bisschen wars heute eine „Moralpredigt”, was Sie heute morgen gehört haben. Viel Ermahnung – oder besser gesagt, Ermutigung.
Und Sie wissen auch, dass da nichts leichtes ist. Dass wir da auch immer an unsere Grenzen kommen werden. Mit dem Hören der Jahreslosung ist ja nicht alles automatisch erledigt.

Wenn ich nächste Woche wieder so einem Menschen begegne, der genau die richtigen Sätze sagt, die mich in Rage bringen, wird das auch an mir nicht spurlos vorübergehen. Dann erinnere ich mich hoffentlich an unsere Jahreslosung, werde mir selber sagen:
Alexander, du weißt doch, weshalb sich bei dir gerade die Nackenhaare aufstellen. Das liegt doch höchstens zur Hälfte an seiner Dummschwätzerei. Die andere Hälfte liegt bei dir – weil bei dem Thema du eben etwas hypersensibel bist. Da kann er ja gar nicht so viel dafür.
Er ist nicht mal dümmer als du – aber eben anders.

Nimm ihn an – zumindest als ein bisschen …. auch wenns zunächst nicht wirklich klappt. Du kannst es dir denken .. Ihr beide habt noch einen längeren Weg vor euch. Gott wird schon dafür sorgen, dass ich euch immer wieder mal über den Weg lauft. Damit ihr das mit der Liebe und mit den Annehmen des Anderen ein bisschen üben könnt.

Stück für Stück.
Denn Gott gibt dich nicht auf, und den Anderen auch nicht.
Amen

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