Liebe Gemeinde,
der Predigttext zum heutigen Sonntag steht beim Evangelisten Lukas, im 11. Kapitel:
Und Jesus trieb einen bösen Geist aus, der war stumm. Und es geschah, als der Geist ausfuhr, da redete der Stumme. Und die Menge verwunderte sich. Einige aber unter ihnen sprachen: Er treibt die bösen Geister aus durch Beelzebul, ihren Obersten.
Andere aber versuchten ihn und forderten von ihm ein Zeichen vom Himmel. Er aber erkannte ihre Gedanken und sprach zu ihnen: Jedes Reich, das mit sich selbst uneins ist, wird verwüstet, und ein Haus fällt über das andre.
Ist aber der Satan auch mit sich selbst uneins, wie kann sein Reich bestehen? Denn ihr sagt, ich treibe die bösen Geister aus durch Beelzebul.
Wenn aber ich die bösen Geister durch Beelzebul austreibe, durch wen treiben eure Söhne sie aus? Darum werden sie eure Richter sein.
Wenn ich aber durch Gottes Finger die bösen Geister austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen.
Wenn ein Starker gewappnet seinen Palast bewacht, so bleibt, was er hat, in Frieden. Wenn aber ein Stärkerer über ihn kommt und überwindet ihn, so nimmt er ihm seine Rüstung, auf die er sich verließ, und verteilt die Beute.
Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich; und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.
„Was war denn da eigentlich los?“ – diese Frage hätte ich vielleicht gestellt, wenn ich dabeigewesen wäre, damals, als sich zwischen Jesus und seinen Gegnern diese Szene abspielte.
Jesus hatte ein Wunder getan, und daran entspinnt sich ein Gespräch ich mich nicht auf Anhieb zurechtgefunden habe. Ja, eigentlich ist es gar kein Gespräch: Denn eigentlich redet nur Jesus.
Also, wenn ich wissen will: „was war denn da eigentlich los“. Dann muss ich eben Schritt für Schritt an dieser Geschichte entlanggehen. Und ich hoffe, sie gehen diesen Weg mit:
Zuallererst war diese Heilung. Da war ein stummer Mann. Er konnte nicht mehr reden. Die Menschen sagten: Da muss ein böser Geist verantwortlich sein. – Anders konnten sie es sich nicht erklären. Auch für Lukas, der uns diese Geschichte überliefert, ist das selbstverständlich. Kurz und knapp schreibt er: Jesus treibt diesen bösen Geist aus, der Mann kann wieder reden, und die Umstehenden wundern sich.
Lukas beschreibt das völlig unspektakulär: Jesus treibt den Geist aus. PUNKT. Er schreibt nicht weiter darüber, wo, wann und wie das passierte. Auch nicht, wie Jesus und dieser Mann sich begegnet sind. Er erzählt nicht, was Jesus ihm gesagt hat. Er schweigt sich darüber aus, wie Jesus diesen Geist ausgetrieben hat. Für den Schreiber Lukas ist diesmal etwas ganz anderes wichtig.
Denn die Menschen, die das miterlebt haben, fragen Jesus. Sie wollen wissen: Warum gehorchen ihm die bösen Geister? Und schnell ist schon eine These bei der Hand: Jesus ist selber mit den bösen Mächten im Bunde: Er treibt die Geister mit dem Beelzebul aus, mit dem Obersten der bösen Geister.
Jesus als schwarzer Magier? Ein schwerer Vorwurf! „Da soll Jesus sich erst einmal dagegen wehren. Soll er doch ein Zeichen Gottes vorlegen. Einen Beweis, dass er nicht mit dem Bösen im Bunde ist.“ – So fordern es einige. Jesus scheint von dieser Frage nicht gerade erschüttert. Mit einer ganz einfachen logischen Gegenfrage erledigt er diese Verdächtigungen: Weshalb sollte ich denn böse Geister austreiben, wenn ich mit dem Bösen verbündet bin? Das wäre ja ein Eigentor für die Geister! Ein böser Geist, der böse Geister vertreibt, so ein Unsinn.
Und Jesus legt noch ein Argument nach: Auch unter den damaligen Zeitgenossen gab es Menschen, die Andere heilten, die böse Geister austrieben. Und da fragte keiner nach. — Von daher könne man ihn ja als Wunderheiler ansehen, wie es in Israel damals immer wieder welche gab. Damit wäre die Diskussion beendet.
Ist sie aber nicht!! – Jesus gibt sich nicht damit zufrieden, seine Kritikern in die Schranken zu weisen. In dieser Geschichte geht es um viel mehr. Jesus redet nämlich weiter:
Wenn ich aber durch Gottes Finger die bösen Geister austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen. Wenn ein Starker gewappnet seinen Palast bewacht, so bleibt, was er hat, in Frieden. Wenn aber ein Stärkerer über ihn kommt und überwindet ihn, so nimmt er ihm seine Rüstung, auf die er sich verließ, und verteilt die Beute. Jesus spricht hier von einem Kampf. Von einem Starken redet er, der seinen Besitz bewacht und verteidigt, und der letztlich dann doch von einem Stärkeren überwältigt, entmachtet wird. Es geht um Gott und Teufel. Es geht um Gott der den Teufel entmachtet und ihm entreißt, was er in seinen Fängen hält. Eben so, wie Jesus den Stummen dem bösen Geist entrissen hat.
Liebe Herzogenauracher,
kann ich es mir heute, 55 Tage vor dem Jahr 2000, überhaupt erlauben, vom Teufel zu reden? Oder schicken sie mich damit zurück ins Mittelalter? – Vom Teufel zu reden, das ist out. In unserem modernen Weltbild ist kein Platz für so eine Figur.
Ich will es dennoch versuchen. Nicht von einer Person mit dem Namen Teufel will ich reden, sondern von einer Macht, die Menschen, die unsere Welt, in ihren Krallen hält.
– Wir leben heute in einer modernen und bequemen Welt. Und wir übersehen leicht, dass für Millionen Menschen das Leben voller Leiden ist, dass sie die Hölle durchmachen. In Kriegsgebieten, Elendsvierteln, vielleicht auch in unserer Nachbarschaft, wo ein gewalttätiger Mann seiner Frau das Leben zur Hölle macht.
– Ich selber kenne meine Schwächen, versuche aus eigenen Fehlern zu lernen; aber letztlich falle ich immer wieder auf die Nase.
– Wir Menschen handeln mit guten Absichten. Wollen in Gerechtigkeit und Frieden miteinander leben. Bemühen uns nach Kräften. Aber es kommt dann doch anders. Streit Enttäuschungen und Verletzungen entstehen, ohne dass wir es gewollt haben. Einfach so…. Vieles geht schief, ohne dass einer es gewollt hat.
Oder hat es doch einer gewollt?
Ich denke es gibt diese Macht, die Leben misslingen lassen will. Die Scheitern verursacht. Da wird es spürbar, dass es so etwas gibt. Diese Macht gegen die wir hilflos ankämpfen.
Diese Macht zum Bösen, von der spricht Jesus. Das ist der Starke, der in seinem Palast sitzt, diese Welt, ihre Menschen, festhalten will. Und kein Mensch kann was dagegen tun.
Aber Jesus sagt: Wenn ich aber durch Gottes Finger die bösen Geister austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen. – Gott greift ein – er greift an. Er ist der Stärkere, der diesen Machthaber überwinden wird. Er wird die Menschen, unsere Welt aus dem Würgegriff des Bösen herausreißen. Dann ist Schluss mit dem Scheitern von Existenzen. Dann werden die Höllen, in denen Menschen heute dahinvegetieren, dichtgemacht. Anfänge sind ja immer klein: Sichtbar, spürbar, wurde es in der Heilung dieses einen Stummen: In Jesu Handeln, in den vereinzelten Wundern die er tat, wird sichtbar: Gott befreit diese Welt von der Macht des Bösen. In Jesus Christus ist diese Herrschaft Gottes als des Stärkeren angebrochen. Aber die Zeit, in der Gott die Macht des Bösen endgültig vor die Tür des Kosmos jagt, ist noch nicht gekommen. Die Zeit kommt erst noch. Am Ende des Kirchenjahres denken wir immer wieder besonders daran: Wir warten noch immer darauf, dass Gott seine Allmacht zeigt.
Das ist kein leichtes Brot, sich auf „später“ zu vertrösten. Mir selber fällt das nicht leicht. Warum nicht heute, was würde dagegen sprechen, das Gott dem Bösen ein Ende setzen würde? Es gibt ja wirklich genug Elend….. Aber wir warten weiter. Ich bin aber schon froh über den Gedanken, dass dieser Stärkere da ist, dass die Tage des Bösen gezählt sind. Das klar ist, wer siegt. Dass das Übel nicht die Oberhand behalten wird.
Jesus ist der Mann, mit dem dieser Weg Gottes begonnen hat. Mit seinem Kommen in die Welt hat Gottes Herrschaft angefangen. Seine Taten sprechen davon: Gott entreißt Menschen aus der Macht des Bösen.
Wem das klar wird, der kann nicht einfach daneben stehen und sagen: „ist ja toll, Jesus mach weiter so“. Wenn Gott diese Welt verändern will, dann betrifft einem das selber. Denn auch in mir selbst entdecke ich: Die Macht des Bösen hat auch mich am Schlafittchen. Ich bin ja mit hineinverstrickt in diese Welt. Wenn ich mich daraus befreien lassen will, dann muss mich dieser Jesus bei der Hand nehmen können.
„Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich“ hat Jesus am Ende seiner Rede gesagt. „Mit ihm sein“ ist viel mehr als nur „gut finden“. Jesus irgendwie gut und wichtig, vielleicht auch bedeutend, finden ist hier meines Erachtens zu wenig. Mit ihm sein – da steckt eine Entscheidung drin; dass Jesus wirklich Bedeutung für mein eigenes Leben hat: Ich lasse mich von ihm bei der Hand nehmen. Ich vertraue mich diesem Jesus Christus an.
Der Evangelist Lukas hat wohl aus gutem Grund, die Heilung des Stummen eher beiläufig am Beginn seiner Erzählung geschildert, und die skeptischen Zuschauer nicht gut wegkommen lassen: Ihm – einem der ersten Christen – war es wichtig uns davon weiterzusagen: Unser Glaube ist mehr als ein nickendes Gut-Finden dessen, was Jesus getan hat. Glaube heißt, das was Jesus gesagt und getan hat, für sich selber anzunehmen:
Seine Hand zu ergreifen, mit der er uns befreien will von den Mächten, die unser Leben bedrohen.
Amen