Predigt: Den Glauben gießen und düngen (Lukas 22, 23) 29. Juni 2003, Goldene Konfirmation

Liebe Goldene Konfirmanden, liebe Gemeinde,

LEBEN IN PHASEN

Vieles in unserer Welt vollzieht sich in Phasen.
Die Corega-Tabs für die dritten Zähne, haben zwei Phasen: eine Reinigungsphase und eine zur Desinfektion der Zähne.
Ein Bausparvertrag hat eine Ansparphase, dann kommt die Ausschüttung, da baut man sein Haus, und dann kommt die Tilgungsphase, in der man seinen Kredit versucht zurückzuzahlen.
Unser Geschirrspülmittel für die Spülmaschine arbeitet sogar mit drei Phasen: eine zur Reinigung, eine zum Klarspülen und die letzte – ganz neue gibt es die – damit die Gläser auf Dauer nicht matt werden.

Auch ein ganz normales Menschenleben vollzieht sich in verschiedenen Phasen.
Da gibt es die Kindheit, wo oft vieles noch unbeschwert und spielerisch ist.
Mit der Konfirmation vor 50 Jahren begann für sie die Phase des Erwachsenenwerdens, der Ausbildung. Eine Zeit, in der man manches ausprobiert, manchmal über die Stränge schlägt und das Leben langsam kennen lernt.
Die meisten von ihnen sind etliche Jahre später mit der Eheschließung in die Familienphase eingetreten. Haben ihre Kinder großgezogen, sich meistens mehr um ihren Nachwuchs als um sich selber kümmern können.
Es kam die Zeit, in der die Kinder flügge wurden, das Haus verließen. Und damit begann für viele eine neue Phase: Die Phase der erneuten Zweisamkeit.
Eine weitere Phase, die etliche von ihnen schon genießen: Der so genannte Ruhestand, der meistens recht wenig mit Ruhe zu tun hat, sondern damit, dass man nicht mehr für seine Arbeit bezahlt wird.

Man merkt: das Leben gleitet nicht einfach so gleichmäßig über 50 beziehungsweise über 60 Jahre hinweg. Sondern immer wieder kommen Veränderungen auf einen zu, die mehr als nur Belanglosigkeiten sind, sondern das ganze Leben betreffen. Jede dieser Phasen hat seine Besonderheiten, seine Chancen und Gefahren.

GLAUBE IM WANDEL

Ich habe mir überlegt: kann es sein, dass nicht nur unsere Lebensumstände sich immer wieder wandeln, sondern dass auch unser Glaube mit diesen Lebensumständen sich immer wieder verändert?
Jetzt, mit etwa 65 Jahren, wird ihr Glaube anders aussehen, als zu der Zeit, als sie Konfirmanden und Konfirmandinnen waren.

Vorhin, in der Lesung des Evangeliums hat Jesus zu Petrus gesagt: „Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.“ Über diesen Spruch hat im Jahr 1953 Pfarrer Himmler zur Konfirmation gepredigt.
Ich habe das Gefühl, dieser Vers war für ihn nicht einfach ein Bibelspruch, sondern wahrscheinlich ein Herzens-Wunsch.
„Liebe Konfirmanden, euer Glaube wird sich sicher verändern, aber wichtig ist , dass er nicht aufhört.“

Gestern Abend waren sie im Gasthaus Schmidt zusammengesessen, haben sich ausgetauscht, voreinander gehört, und sicherlich auch erfahren, wie unterschiedlich das Leben von Menschen verlaufen kann. So unterschiedlich werden auch die Veränderungen gewesen sein, die ihren Glauben betreffen.

Da gibt es Zeiten, in denen erscheint eine Glaube wichtig, als Grundlage des eigenen Lebens. Und vielleicht haben sie auch Phasen erlebt, in denen der Glaube eher unwichtig erschien, in denen sie das Gefühl hatten, andere Dinge sind grundlegend für mein Leben.
Manchmal hatten sie vielleicht das Gefühl, mit Gott im Reinen zu sein. Da konnten sie gut sagen: Ich fühle mich wohl und geborgen  in Gottes Hand. Man kann aber auch Zeiten erleben, in denen man in Glaubenssachen nur noch Fragezeichen sieht, in denen man seinem Gott nicht versteht. Das fragt man: Warum hast du das zugelassen? Oder: Wo ist deine Macht, ich spüre sie nicht, wo ist sie denn?
Phasen gibt es, in denen ist mit der Glaube eine innere Kraftquelle, da hilft es mir zu beten und zu glauben. Uns gibt Zeiten, in denen passiert Glaube eher äußerlich; da sind wenig Gefühle dabei, auch wenn man weiterhin regelmäßig in die Kirche geht.

Der Glaube wandelt sich, so wie das Leben – darf er das überhaupt ???

BLICK AUF PETRUS

Ein Blick auf den Jünger Petrus kann da vielleicht helfen. Mit dem Wort „Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre“ rückt Jesus ihn in unser Blickfeld. Und wenn wir ein paar Monate in Leben des Petrus weiter schauen, entdeckten wir, das anscheinend auch sein Glaube durchaus Wandlungen und Veränderungen erfahren hat.
Petrus war es, der Jesus dreimal verleugnet hat. Ängstlich hatte sich zurückgezogen, als man ihn gefragt hat, ob er zu Jesus gehört.  Glaubensmäßig war das ein absoluter Tiefschlag. Und trotz dieses Versagens hat Jesus ihn weiter zu seinen Jüngern gezählt.

Über Petrus können wir lesen, dass er nach Pfingsten als Anführer der Jünger beeindruckend gepredigt hat, ja sogar Wunder tun konnte, Menschen geheilt hat. Da hatte sein Glaube buchstäblich Oberwasser, da ging etwas vorwärts, die Arbeit als Missionar fast wie von selbst.

Dieser Petrus war es aber auch, der in seinem Glauben einmal radikal umdenken musste. Sein Leben lang hatte er den Kontakt mit nichtjüdischen Menschen peinlich genau vermieden – sie waren für ihn unrein. Für ihn gehörte das zu einem Leben, das Gott gefällt. Gott selber war es, der durch ein kleines Wunder diesen Mann zur Einsicht bringen musste, andere Menschen nicht als „unreine“ zu meiden und auszugrenzen. Und siehe da: Auch in dieser Hinsicht hat sich der Glaube des Petrus gewandelt.


DABEIBLEIBEN DURCH DEN WANDEL HINDURCH

DassJesuswort „Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre“ hat sich bei Petrus erfüllt: sein Glaube hat sich zwar verändert, hat intensive Zeiten und Schwächephasen erlebt, hat sich erweitert und auch korrigieren lassen – aber er hat niemals aufgehört.
Sein Glaube blieb am Leben durch unterschiedliche Lebenssituationen hindurch.
Und wir wissen, dass Petrus als Märtyrer gestorben ist, der Herzschlag eher aufhörte als sein Glaube.

Der Glaube, das Vertrauen und das Festhalten an Gott ist keine Pflichtübung, die man deshalb erledigt, weil man es vor 50 oder 52 Jahren halt so versprochen hat. Vielmehr ist es eine Chance fürs Leben, wenn ich einen Gott an meiner Seite habe, der es gut mit mir  meint; der mich begleitet und versorgt, auch wenn die Verbindung zu diesem Gott, nämlich mein Glaube, immer wieder Veränderungen unterworfen ist.
Erst wenn diese Verbindung abreißt, verlieren wir damit auch ein großes Stück Halt unserem Leben.

DIE PFLANZE DES GLAUBENS

Vielleicht kann man diesen Glauben auch mit einer Pflanze vergleichen.

Bei unserm Garten ernten wir momentan die Johannisbeeren. Da wird mir deutlich, wie sich diese Pflanze, der Johannisbeerstrauch übers Jahr verändert. Aktuell hängt er voll mit leckeren Beeren, steht im Saft und Kraft, wirklich prächtig. Bald wird er einfach nur noch grün sein, später wird er seine Blätter verlieren und furchtbar kahl aussehen. Wenn im Winter mal wieder ein Eisregen kommt, und dann seine storzeligen Äste sich von der Last des Eises durchbiegen und brechen, dann bin ich in der Versuchung zu sagen: Im nächsten Frühjahr kommt das Ding weg, das hat doch keinen Sinn mehr. Wenn aber der Frühling wiederkommt, sprießt das Grüne, wachsen neue Äste, entsteht irgendwie ein neuer Strauch auch, auch wenn er eigentlich der gleiche ist.

Es gibt Zeiten, da ist er mir wertvoll, der Johannisbeerstrauch, und manchmal scheint er mir eher Last als Nutzen zu sein. Der größte Fehler, den ich machen könnte, wäre es, ihn auszureißen.

GIESSEN UND DÜNGEN

Um meinen Johannisbeerenstrauch am Leben zu erhalten ist es gut, wenn ich ihn gieße und dünge.

Kann man den Glauben auch gießen und düngen? – Natürlich, ich glaube, das ist sogar notwendig!

Mit dem Gießen bewahre ich meinen Glauben vor dem Vertrocknen. Ich sorge dafür, dass er am Leben bleibt. (Eine Gießkanne wird hervorgeholt)
Ich pflege Gemeinschaft mit Christen, im Gottesdienst, oder in kleineren Kreisen. Ich halte Kontakt mit meinem Gott durch meine Gebete. Viel mehr ist nicht nötig, um den Glauben vor dem Verdursten zu bewahren.
Manchmal passiert es, dass man in längeren Zeiträumen den Glauben nicht mehr gegossen hat. Weil man scheinbar Wichtigeres zu tun hatte, oder die Pflanze des Glaubens einfach aus dem Horizont verschwunden ist.

Sie ist robust, diese Pflanze. Sie kann auch längere Trockenperioden überstehen. Aber sie ist kein Kaktus, der einmal zur Konfirmation gegossen, ein Leben lang durchhält.
Ich finde es beeindruckend, mitzuerleben wenn Menschen anfangen, eine reichlich vertrocknete Glaubenspflanze wieder zu gießen. Wenn sie nach langer Zeit wieder Gottesdienste besuchen, nach Gott fragen. Das Grün, das an diesen Pflanzen sprießt, hat in meinen Augen eine besonders fröhliche Farbe.

Schön ist es, wenn die Pflanze unseres Glaubens lebt. Aber noch besser ist es, wenn sie auch Früchte bringt.
Wenn sie für mein Leben etwas austrägt, mir weiterhilft in meiner aktuellen Lebensphase.
Dafür muss ich meine Pflanze düngen. (Eine Flasche mit Flüssigdünger wird hervorgeholt)
Dieser Dünger ist leider nicht im Lagerhaus der Raiffeisenbank erhältlich. Er entsteht dort, wo ich mit meinem Glauben Wagnisse eingehe.
Zum Beispiel dann, wenn ich mir von Gott etwas erbitte. Wenn ich meine Hoffnung im Gebet zu ihm trage.
Sie fragen vielleicht: “ Wo ist da das Wagnis?“ – Es besteht darin, dass ich es nicht in der Hand habe, ob Gott mir gibt, warum ich ihn bitte.
Es kann in Erfüllung gehen – dann tut es mir gut und stärkt mein Vertrauen zu Gott.
Es kann aber auch ein unerfüllter Wunsch bleiben. Damit umzugehen muss ich als Christ auch lernen. Eine Herausforderung, an der mein Glaube wachsen kann.
In beiden Fällen kann das Dünger für meine Pflanze sein.

Am Pfingstmontag haben wir in Lipprichhausen einem besonderen Gottesdienst im Freien gefeiert. Und die Gemeindeglieder haben am Ende auf kleinen Zetteln ihre Fürbitten formuliert – haben aufgeschrieben, was sie sich von Gott erbitten. Einige dieser Zettel können Sie auf den kleinen Ständerwänden neben dem Ausgang betrachten.
Für mich ist das schön anzusehen: Zettel, die mir zeigen, dass Menschen sich von Gott wirklich etwas erwarten; dass der Glaube nicht ein vertrocknetes Etwas ist, sondern eine lebendige Pflanze, die Früchte des Vertrauens trägt.

SCHLUSS

„Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.“ – Dieser Wunsch unseres Herrn Jesus, den möchte ich auch über ihnen aussprechen, auch noch nach 50 Jahren.
Damit sie etwas haben von ihrem Glauben – Früchte des Vertrauens, Früchte der Gewissheit, dass Gott sie durch ihre Lebensphasen begleitet. Bis heute, und auch in Zukunft.
Amen

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