Liebe Gemeinde,
Es gibt Fragen, die werden einem als Pfarrer immer wieder gestellt. Oft solche, mit denen man nie gerechnet hätte, dass sie auf der Hitliste der Fragen ganz oben stehen. Eine von ihnen ist: „Herr Pfarrer, sagen Sie mir mal, wer schreibt ihnen vor, worüber sie predigen sollen“?
Dann erkläre ich möglichst kurz und verständlich, dass es für jeden Sonntag im Kirchenjahr eine Liste von sechs verschiedenen Predigttexten gibt, durchnummeriert von 1 bis 6. Im letzten Jahr war der Text Nummer eins dran, in diesem Jahr der mit der Nummer 2, im nächsten Jahr die drei, und im siebten Jahr, das wäre dann im Jahre 2009, kommt wieder die eins auf den Tisch beziehungsweise auf die Kanzel. So gibt’s über lange Zeit keine doppelten Texte und möglichst wenig Langeweile.
Mein Gesprächspartner fragt dann meistens nochmal nach: „Müssen sie den Text denn nehmen?“ Nein, sage ich dann, ich habe immer die Freiheit ein anderen Text zu nehmen; mich mit einem Thema, einem Bild oder einem Lied zu beschäftigen.
Es soll ja auch Pfarrer gegeben haben, die schlagen einfach an irgendeiner Seite ihre Bibel auf, tippen dann blind mit dem Finger darauf und predigen über genau diese Stelle. Auf diese Weise, kann Pfarrer zu sich sagen: Nicht ich selber habe mir eine bequem und einfach so erklärende Bibelstelle ausgesucht, sondern vielleicht war es Gott selbst, der mir die entsprechende Seite vor die Nase gelegt hat.
Der Vers, über den ich heute sprechen möchte, ist auf fast genauso ungewöhnliche Weise zustandegekommen: Wir verdanken ihn nämlich einen Tippfehler in einem Computerprogramm! Durch diesen Fehler tauchte letzte Woche auf meinen Computerbildschirm eben nicht der offizielle Predigttext auf, sondern ein ganz anderer Vers. Er heißt ganz einfach: „Er nimmt sich nicht der Engel an, sondern der Kinder Abrahams nimmt er sich an.“ – im Hebräerbrief, im 2. Kapitel steht er.
Dieser Vers hat meine Fantasie angeregt, und mich nicht mehr losgelassen.
Ich stelle mir den Himmel vor, ganz kindlich „da oben“, eine Welt des Lichts und der Weite. Dann seh ich den himmlischen Hofstaat: Engel, als dienstbare Wesen, die Gott aufs Wort gehorchen und tun was er sagt. Gestalten, die vielleicht hin und wieder als Schutzengel zur Erde entsandt werden.
Ich stelle mir das alles vollkommen perfekt vor – eben himmlisch. Wer im Himmel ist, kennt keine Sorgen.
Wenn da nicht Gott diese ganz komische Angewohnheit hätte. Ja, eine seltsame Eigenheit, über die sich viele im himmlischen Hofstaat immer wieder wundern.Hinter vorgehaltener Hand sehe ich die Engel tuscheln und mit dem Kopf schütteln: “ Nein, nein, nein. Den Allmächtigen soll mal einer verstehen … an diesen Menschen muss er einen Narren gefressen haben. Manchmal haben wir den Eindruck, er kümmert sich nur noch um die … wir Engel sind ihm völlig egal.“
„Er nimmt sich nicht der Engel an, sondern der Kinder Abrahams nimmt er sich an.“
Eigentlöich müssten wir mal mit ihm reden:
Gott, wir verstehen nicht, dass du dich so wenig um uns kümmerst und stattdessen deine Energie und Liebe an diese Menschen verschwendest. Merktst du nicht, dass viele von ihnen dich völlig ignorieren? Du bist ihnen egal, sie tun, was ihnen gefällt und scheren sich nicht um deine guten Ideen für ihre Welt. Schau nur genau hin: Letztlich richten sie sich doch selbst zu Grunde. Du hast nur Ärger und Kummer mit ihnen. Das Beste wird es sein, du machst es genau so wie sie es mit dir machen: Einfach ignorieren! Suche dir doch ein anderes Hobby!
Liebe Gemeinde,
Ich glaube, die Engel in meiner Fantasie haben etwas nicht so ganz erkannt. Wir Menschen sind für den allmächtigen Gott kein Hobby wie eine Modelleisenbahn. Ein Spielzeug, dass er vor langer Zeit bei der Erschaffung der Welt aufgebaut hat, bei dem er ein bisschen lenkt, ein paar Weichen stellt und hie und da regulierend eingreift.
Es geht nicht nur darum, dass er sich ein bisschen um uns kümmert und dass er ein bisschen betroffen wäre, wenn bei uns etwas Schlimmes geschieht. Die Sache mit den Menschen ist ihm viel viel wichtiger.
Was unser Vers aus der Hebräerbrief beschreibt: „der Kinder Abrahams nimmt er sich an“, das hat eine ganz besondere Qualität. Da hängt sein ganzes Herz dran. In einem Maße, dass man es wohl kaum mit den Verstand nicht fassbar ist.
Die Passionszeit, die jetzt beginnt, will uns dran erinnern: Gott ist nicht der ferne Zuschauer oder Weichensteller. Durch seinen Sohn Jesus Christus ist er Mensch geworden und mitten hineingekommen in unsere kleine, verworrene und gefährliche Welt.
Und für Engel und Menschen ist es eigentlich unverständlich, dass er das Ganze soweit kommen lässt, dass er gehasst wird, erniedrigt und umgebracht.
Erst im Nachhinen haben wir erkennen können: Nur durch diesen Schritt hat er die bis dahin unüberwindliche Schlucht zwischen Gott von Menschen überbrückt.
Im Blick auf das, was da geschehen ist können die Engel nur staunen.
Und wir Menschen? Sollen wir auch staunen?
Eigentlich mehr:
Wenn sich mir ein Weg zur Rettung auftut; wenn eine Brücke von meiner Welt in ein neues Land geschlagen wird, dann werde ich nicht nur staunen. Sondern werde ich diese Brücke gehen, und mit ordentlich drüber freuen.
„Jesus nachfolgen, und Gott loben“ – so heißt das bei uns in der kirchlichen Fachsprache.
Übers „nachfolgen“ sprechen wir sehr oft. Wir reden davon, wie wir unser Leben als Christen gestalten. Manchmal ind unsere Predigten ja gespickt von guten Ratschlägen.
Der Jubel, das Dankeschön an Gott ist manchmal ein bisschen leise zu hören. Mit dem Loben haben´s wir Evangelische anscheinend nicht so sehr.
Bei unseren katholischen Glaubensgeschwistern ist das Lob sogar Programm, und etliche hundert Seiten dick: was bei uns einfach evangelisches Gesangbuch heißt, trägt dort den Namen “ Gotteslob“. Und das finde ich schön. Wenn wir singen, geht es nämlich nicht einfach darum, unsere musikalischen Fähigkeiten halbwegs in Schuss zu halten. Und ich denke, dass unser Kirchengesang auch nicht dazu da ist, uns den Status einer Kulturnation mit musikalischer Bildung zu bewahren. Und auch wenn es manche Theologen gerne so sehen: unsere Gesangbuchlieder sind eben nicht einfach zur Vertiefung der theologischen Inhalte der Predigt gedacht.
Gott loben, das kommt aus dem Herzen.
Da muss nicht jeder Satz korrekt sein und jede Note getroffen werden. Ein Loblied ist dann richtig gesungen, wenn es Ausdruck meiner Liebe zu Gott und meiner Dankbarkeit ist.
Dann ist es gut, und dann tut es gut.
Abseits unserer normalen Gottesdienste am Sonntag finden wir immer wieder solche Ecken, wo man das Loblied genau diesem Sinne auch immer wieder findet: Als Anbetungslieder bei Windows to Heaven oder in der Thomasmesse in der Uffenheimer Stadtkirche. Manchmal sind sie englisch oder auf Latein. Und es sind welche dabei, die haben nur eine Textzeile, die man dann eben 10 mal singt. Macht nichts … beim Loblied weiß ich ja, worum es geht, da ist der Text nicht allein ausschlaggebend.
Da singt man miteinander, fühlt sich als Gemeinde …. und mit Gott verbunden.
Loben zieht nach oben, sagt ein alter Diakonissen-spruch.
Martin Luther hat es einmal so formuliert:
„Die Musik ist die beste Gottesgabe. Durch sie werden viele und große Anfechtungen verjagt. Musik ist der beste Trost für einen verstörten Menschen, auch wenn er nur ein wenig zu singen vermag. Sie ist eine Lehrmeisterin, die die Leute gelinder, sanftmütiger und vernünftiger macht.“
Das klingt fast so wie Empfehlung für eine Musiktherapie. Und so etwas gibt es inzwischen ja auch – vielleicht sogar auf Krankenschein… – aber davon habe ich nun wirklich keine Ahnung.
Wovon ich aber eine Ahnung habe ist, dass ich immer wieder erfahre, dass es Menschen gut tut, Gott zu loben. Gerade auch dann, wenn Ihnen eigentlich nicht danach zu Mute ist. Wenn ich in Liedern und Psalmen mir selbst sage, dass sich einen guten Gott habe.
~ Einen Gott, der mich durch das dunkle Tal führt, aber der trotzdem bei mir ist.
~ der es gut mit mir meint, und mich wieder aufrichtet.
~ ein Gott, bei dem ich daheim sein darf, aus dessen Güte ich leben darf, und auf dessen Barmherzigkeit ich hoffen darf.
Amen