Predigt: Um Hilfe rufen und sich trösten lassen (Jesaja 51,9-16) 14. Januar 2007

Predigt zur Jesaja-Verheißung mit Seitenblicken auf das aktuelle Stück des Gollhöfer Theatervereins “Auch Drachen sind nur Menschen”.

Unser Predigttext für den heutigen Sonntag steht beim Propheten Jesaja, im 51. Kapitel:
Wach auf, wach auf, zieh Macht an, du Arm des HERRN! Wach auf, wie vor alters zu Anbeginn der Welt! Warst du es nicht, der Rahab zerhauen und den Drachen durchbohrt hat?
Warst du es nicht, der das Meer austrocknete, die Wasser der großen Tiefe, der den Grund des Meeres zum Wege machte, daß die Erlösten hindurchgingen?
So werden die Erlösten des HERRN heimkehren und nach Zion kommen mit Jauchzen, und ewige Freude wird auf ihrem Haupte sein. Wonne und Freude werden sie ergreifen, aber Trauern und Seufzen wird von ihnen fliehen.

Liebe Gemeinde,

wach auf, wach auf! Komm, mach doch etwas! Ich brauche dich.
Das ruft  Jesaja seinem Gott zu – stellvertretend für ein ganzes Volk. Ein Notruf.
Denn Israel steckt in der Bredouille: Kriegsopfer sind sie… von den Eroberern, den Babyloniern, vom Kriegsschauplatz Jerusalem weg verschleppt in die Ferne an den Euphrat, an den Stadtrand von Babylon. Lange hatten sie in Zelten gehaust, nach einiger Zeit haben Sie dann primitive Hütten gebaut. Mittlerweile hat so mancher schon ein Häuschen sich hingestellt. Aber dennoch: sie sind immer noch Gefangene, Verschleppte,… fern der Heimat… mit den furchtbaren Erinnerungen an die blutige Eroberung ihrer geliebten Stadt Jerusalem. Die Babylonier sind ihre Herren, haben Macht und lassen das die Israeliten auch spüren.

Wo ist er denn, euer großer Gott, an den ihr immer noch glaubt? Schaut euch doch an, euer Elend„. Solche spöttischen Sätze der Herrscher in Babylon ziehen auch ihre Kreise in den Köpfen so manches Israeliten.:

Nein, ich habe den Glauben an meinen Gott nicht über Bord geworfen. Aber ich verstehe nicht warum er das zulässt, und uns fern der Heimat jahrelang hängen lässt. Schläft er? Ist er müde geworden, stets ein wachsames, behütendes Auge auf uns zu werfen?
Vieles haben Sie mit Ihrem Gott schon erlebt, vieles haben ihnen ihre Väter von diesem Gott erzählt. – Von Wundern, von Rettung, von Bewahrung. Aber jetzt, jetzt ist irgendwie Funkstille.

Ja, man erinnert sich noch an die großen Verheißungen, die dieser Gott durch Propheten angekündigt hat: So werden die Erlösten des HERRN heimkehren und nach Zion kommen mit Jauchzen, und ewige Freude wird auf ihrem Haupte sein. Wonne und Freude werden sie ergreifen, aber Trauern und Seufzen wird von ihnen fliehen.
Diese Verheißung geht ihnen runter wie Honig, aber sie hat einen bitteren Nachgeschmack: wenn man von Gott nichts mehr hört, wenn man den Eindruck hat, dass dieser Gott eingeschlafen ist, dann sind diese schönen Worte Makulatur!

Wach auf, wach auf, zieh Macht an du Arm des Herrn! Ich sehe vor meinem Auge einen Propheten, der in seiner Hütte mit nach oben gestreckten Armen hin und her rennt und diese Worte laut ruft, so, als wollte er Gott wirklich wachrütteln. Wach auf, komm schon, ist es dir denn egal was mit uns passiert?!

Wach auf, wie vor alters zu Anbeginn der Welt! Warst du es nicht, der Rahab zerhauen und den Drachen durchbohrt hat?

So drache1ein bisschen erinnert mich das an das Stück unseres Theatervereins, wo Kathrin den Siegfried versucht, für ihre Sache, für die Rettung der Märchengestalten, zu gewinnen. “Kerl, du kannst es doch, stehe nicht einfach so daneben. Du bist doch der, der kämpfen kann.” – Denn scheinbar interessierte den Helden im Kettenhemd das Schicksal der armen unterdrückten Märchenfiguren überhaut nicht.
Und da merke ich auch, wo mir das Theaterstück hilft, das Hadern des hilflosen Menschen mit dem nit dem nicht-helfenden Helfer zu verstehen.
Denn so mancher würde den Propheten Jesaja gerne zurechtweisen: Hast du denn kein Vertrauen? Glaubst du wirklich, dass Gott schläft? Was erlaubst du dir, wenn du mit Gott so schimpfst?
– Ja, wenn es einen gut geht, lässt sich das ja auch leicht sagen. Aber wer heute eine Krise durchlebt, für den vieles nur noch dunkel erscheint, der fragt sich dann schon eher: „Gott, bist du da… oder schläfst du?“

Eigentlich ist so ein Weckruf an den lieben Gott Gold wert. Wer mit Gott redet, rechnet noch mit ihm.
… auch wenn er ihn wachrütteln will,
… auch wenn er nur klagt
… auch wenn er diesem Gott Vorwürfe macht

Wach auf! Schreit Jesaja seinen Gott an, und dieser Schrei der Verzweiflung ist zugleich schon der erste Schritt aus der Hoffnungslosigkeit hin zu einer Hoffnung, nämlich dass Gott doch nicht eingeschlafen ist, dass er seinen Arm ausstreckt, um seinem Volk zu helfen.

Vielleicht hat das auch etwas von einer Ehe: Jahrelanges sich-anschweigen, und Probleme-wegschweigen ist gefährlich. Irgendwann hat man sich dann vielleicht wirklich nichts mehr zu sagen. Aber dort, wo die Probleme auf den Tisch kommen, wo eine nicht gegen, sondern um den anderen kämpft, da wird sichtbar, dass man zusammengehört, dass eine dem anderen wertvoll ist.

Die Geschichte aus dem Prophetenbuch hat einen zweiten Akt.
Denn Gott hat auf den Weckruf des Propheten geantwortet: Und diese Antwort gibt Jesaja in seinem Buch auch gleich wieder:

Ich, ich bin euer Tröster! Wer bist du denn,  dass du dich vor Menschen gefürchtet hast, die doch sterben, und vor Menschenkindern, die wie Gras vergehen, und hast des HERRN vergessen, der dich gemacht hat, der den Himmel ausgebreitet und die Erde gegründet hat, und hast dich ständig gefürchtet den ganzen Tag vor dem Grimm des Bedrängers, als er sich vornahm, dich zu verderben? Wo ist nun der Grimm des Bedrängers? Der Gefangene wird eilends losgegeben, dass er nicht sterbe und begraben werde und dass er keinen Mangel an Brot habe.Denn ich bin der HERR, dein Gott, der das Meer erregt, dass seine Wellen wüten – sein Name heißt HERR Zebaoth -;ich habe mein Wort in deinen Mund gelegt und habe dich unter dem Schatten meiner Hände geborgen, auf dass ich den Himmel von neuem ausbreite und die Erde gründe und zu Zion spreche: Du bist mein Volk.

 

Liebe Gemeinde,drache2
ich bin euer Tröster – sagt Gott.

Trost kann ja ganz verschieden ausfallen.

Eine Form von Trost kann es sein, wenn man einem, dem es schlecht geht, beisteht; einfach nur da ist. Wenn man auch keine Lösungen hat – weil es vielleicht auch keine gibt – und zusammen mit dem anderen das aushält, die Hand hält, nicht einfach weg geht. Gestern im Theaterstück hat Kathrin einen Trost gefunden, der auch nicht alles aufgelöst hat: Denn ihre Herkunft als Drache bleibt bestehen – da blieb manche Spannung offen – und nur die Liebe zu Siegfried war es, die sie in der Menschenwelt gehalten hat.
Das ist die eine Form des Trostes – der ein Leid, einen Schmerz abmildern hilft, weil er etwas anderes daneben stellt.

Die andere Form von Trost erfährt Kathrins Mutter: Der Fund des Schatzes löst ihre finanziellen Probleme.
Diese Form von Trost erlebt (auch) ein Kind, wenn die Mama das abgerissene Knopfauge vom Teddybär wieder annäht, oder wenn die Freundin ein verlorenes Spielzeug wieder findet.  – Ein Trost, der den Grund der Traurigkeit auflöst.

Beides ist möglich: Trost kann die Hilfe sein sich mit etwas Unabänderlichen abzufinden; Trost kann aber auch heißen dass man Abhilfe schafft. Beide Formen haben ihren Platz und ihren Wert.

Wenn Gott in unserem Predigttext, sagt, dass er der Tröster ist, dann kann das auch beide Aspekte umfassen:
Gott kann mir die Kraft geben, Unabänderliches zu tragen, durchzuhalten – weil ich mich von Gottes Nähe umfangen fühle, behütet, gestärkt, und damit getröstet.

Aber Gottes Trost kann auch anders passieren: wenn sich Situationen verändern, Wunder geschehen, Menschen gesund werden. Diese Form von Gottes Trost sollten wir nicht vergessen. Gerade dann nicht, wenn wir im eigenen Leben Spuren von der Nähe Gottes gefunden haben.

„Ich bin euer Tröster“ sagt Gott, er will trösten, nicht vertrösten.

 

Vielleicht hilft da ein Blick zurück zu Jesaja, in Babylonien, wo er auf dem Marktplatz der jüdischen Siedlung lautstark das verkündet hatte, was wir heute als Predigttext gehört haben….

Als  Jesaja fertig war die Antwort Gottes dem Volk zu verkünden, jubelten einige: endlich wird uns Gott befreien aus Babylon. Wir werden heimkehren nach Jerusalem.

Andere aber blieben sehr zurückhaltend. Als sich der Auflauf von Menschen um den Propheten herum aufgelöst hatte, kam ein Mann zu ihm. Nachdenklich sah er aus. Er blickte Jesaja an, dann sagte er langsam “ ja, Jesaja, du hast Recht. Schon jetzt sind wir dabei, befreit zu werden. Für viele von uns ist das hier in Babylon jetzt schon keine Gefangenschaft mehr. Schließlich sind wir ja schon dreißig Jahre hier. Wir haben auch kaum mehr Angst vor den Babyloniern, ja, einige von unseren Kindern haben ja auch schon Babylonier geheiratet. Und irgendwie ist es ja auch ganz nett hier. Es stimmt: Gott ist dabei, uns zu befreien – innerlich eben …  “

Innerlich eben … Jesaja hörte die anderen Worte gar nichtmehr. Innerlich war er erstarrt. Hatte er Gott vielleicht falsch verstanden? Hat Gott ihnen etwa nur eine innerliche Freiheit versprochen? Keine Befreiung wie damals aus Ägypten? Warum hatte er es ihm denn dann nicht so deutlich gesagt?

Einige Jahre später stand ein anderer Mann auf dem Marktplatz der israelitischen Siedlung. Dort wo einst Jesaja stand: Aufrecht, auf einem Pferdewagen mit persischem Wappen: Er las aus einem Edikt des neuen Königs Kyrus vor:

So ergeht der Befehl, dass alle aus eurem Volk in die Heimat zurückkehren sollen, nach Jerusalem,  um dort einen Tempel für ihren Gott zu errichten. Des weiteren werden die Behörden euch Silber und Gold, Vieh und andere Dinge zur Verfügung stellen, die ihr benötigt um in eurer Heimat eine neue Existenz aufzubauen.

So wurde es doch eine wirkliche Befreiung aus der Gefangenschaft. Für die, die es erlebt haben, wurde es zu ihrer Geschichte mit Gott , zu ihrem Wunder, dass sie im Album ihres Lebens ablegten.

In der Heimat Jerusalem, wo neue Schwierigkeiten auf sie warteten dort werden sie dann wohl immer  wieder daran zurück gedacht haben an diesem Tag ihrer Befreiung. Und aus dieser, ihrer Geschichte die Gewissheit bekommen haben, dass Gott doch nicht schläft.

Amen

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