Liebe Gemeinde,
“ich hab dir doch schon tausendmal gesagt….”. Ich vermute, keiner von Ihnen kennt diesen Satz. Aber es gibt ganz vereinzelt auf diesem Globus Situationen, in denen Sätze so oder ähnlich beginnen.Sowas könnte ein erkälteter Papa seinen Töchtern sagen, die notorisch sämtliche Zimmertüren in Haus offen stehen lassen. Bei 15 Grad minus und einer schwächelnden Heizung ist das ja nicht so toll. Aber da kann man ja sagen, was man will und sooft man will!
Anscheinend ist die pädagogische Reichweite unserer Sätze nicht allzu groß. Ich habe den Eindruck: Wenn man es seinen Kindern tausend Mal gesagt hat, wird es beim tausend-und-ersten Mal auch nicht besser klappen. Erst wenn ich meine Strategie ändere, mir die Türoffenlasserin schnappe, und trotz Gemotze und Gejammer zur Türe zurückzitiere, damit sie sie eigenhändig schließt, dann habe ich Aussicht auf einen halbwegs dauerhaften Erfolg. Worte allein genügen offenbar nicht.
Auch in der Erwachsenenwelt ists nicht besser darum bestellt: Ich denke da an beliebte Treueschwüre, die ja durchaus gerne gehört werden. “Ich liebe doch wirklich nur dich”, klingt gut, aber allein die Formulierung “wirklich nur dich” lässt erahnen, wo da vielleicht noch Klärungsbedarf herrscht.
Frappierender noch der klasssische Workaholik-Spruch “ich mach das alles ja nur für euch”. Dieser Satz ist – da bin ich überzeugt – wirklich ehrlich gemeint. Aber dummerweise gibt es Familien, die hören diesen Satz und erfahren im tatschlichen Leben aber, dass dieser Papa, der alles ja nur für uns tut, kaum mehr für die Familie da ist, weil er ja alles für uns tut. Im Ergebnis ist dieser Satz dann gar nichts mehr wert, weil die Worte und das was geschieht, nicht zusammenpassen.
Noch ein anderes Beispiel. Ich gebe zu, das ist ein bisschen komplizierter. Da gibts ein Volk und einen Gott. Die gehören zusammen. Er sagt zu Ihnen: “Ich bin euer Gott, ich habe Gutes mit euch vor und lasse euch nicht im Stich. Und ich zeige euch Regeln, mit denen das Leben von euch Menschen miteinander gut gelingt.”
Klingt gut – gar keine Frage. Aber das Volk ist ja auch neugierig, und überlegt, ob es nicht noch andere erfolgversprechende Partnerschaften gäbe. Und man probiert aus, ob mit anderen Göttern und anderen Regeln das Leben vielleicht nicht noch angenehmer zu gestalten wäre – dass dabei immer ein paar auf der Strecke bleiben, ist halt kaum zu vermeiden. Dieser Gott versucht́s immer wieder, mit ihnen zu reden: Durch Propheten und andere weise Männer, aber wir wissen ja … es ist aussichtslos, so wie bei den Töchtern die so gerne Türen offen stehen lassen.
Worte sind eben nur eine Ebene der Kommunikation. Und was da geschieht hat oft nur eine bedauerlich geringe Halbwertszeit. Viel mehr sind wir Menschen darauf angelegt, dass etwas wahrnehmbar passiert, dass Dinge sich verändern.
Weihachten ist der Punkt, an dem Gott die Ebene des hör- und lesbaren Wortes verlässt, und Mensch wird. Richtig bei den Menschen da ist, sichtbar, hörbar, spürbar.
Man konnte ihn sehen, anfassen, seine Windeln wechseln.
Man konnte ihn fragen, mit ihm streiten, ihn bewundern.
Man konnte von ihm geheilt werden, angefasst werden, geküsst werden.
Mann konnte ihm die Füße waschen, ihn verraten, ihn umbringen.
Was Gott schon tausendmal gesagt hatte, das wurde durch die Geburt Jesu spürbare Wirklichkeit. Gottes Liebe zu uns ist zur Tat geworden. Er wurde Mensch, uns zuliebe.
Liebe Gemeinde,
wenn Gott es uns vormacht, dann liegt es nicht fern, dass wir genauso Dinge nicht nur tausendmal sagen, sondern auch Taten folgen lassen. Zoeys Taufspruch aus dem 1. Johannesbrief ist da ein klarer Aufruf: Meine Kinder, lasst uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern mit der Tat und mit der Wahrheit.
Lieben mit der Tat statt nur mit Worten. Das ist für Sie als Eltern eine Aufgabe, die sie sich mit diesem Taufspruch selbst ins Stammbuch schreiben: Liebe deine Tochter mit der Tat, lass sie spüren wie sehr du sie lieb hast. Auch dann, wenn sie die neue Digitalkamera von der Kommode zieht. Auch dann, wenn sie als Kindergartenkind 10 Warum-Fragen innerhalb einer Minute stellt. Auch dann, wenn sie mit 12 eine furchtbare, trotzige Zicke ist, mit der man stundenlang ohne Ergebnis herumdiskutieren kann.
Das ist keine leichte Aufgabe – und je älter die Kinder werden, umso öfter weiß man auch, dass man da an seine Grenzen kommen kann. Da bin ich froh, wenn Gott uns die Kraft gibt, dass wir dann nicht nur mit Worten, sondern mit der Tat, also “tatsächlich” lieben können.
Es ist ein Unterschied, ob ich zähneknirschend sage “ist nicht so schlimm”, aber im inneren brodle wie ein Vulkan, oder ob es mir geschenkt ist, Gelassenheit zu bewahren, den geliebten Menschen zu sehen, und nicht die kleinen und großen Katastrophen in den Mittelpunkt zu rücken.
Jemanden lieben heißt auch: Ihn mit den Augen Gottes anzusehen. Ihn anzunehmen, Fehler zu verzeihen. Aber auch ihm aus der Patsche zu helfen, wenn er auf den Holzweg unterwegs ist und nicht mehr weiter weiß.
So, war das jetzt zu viel süße Liebessoße in der Weihnachtspredigt?
Kein Problem – denn Zoeys Taufspruch hat da noch eine zweite kleine aber feine Nuance eingebaut:
Kinder, lasst uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern mit der Tat und mit der Wahrheit. -Mit der Wahrheit lieben!
Das ist die hohe Schule des Liebens. Die Wahrheit und die Liebe in Einklang zu bringen. Im Grunde ist das ja kein Problem – aber es gibt da doch Siuationen da passt nach nichtmehr so ideal zusammen. Ich habe den Eindruck, dass wir Menschen beim Lieben unserer geliebten Mitmenschen manchmal ein bisschen mogeln. Indem wir sie uns liebenswerter mogeln, als sie es möglicherweise sind. Da sagt eine Frau, die im 14-tägigen Turnus von ihrem Mann verprügelt wird: Er ist kein schlechter Mensch. Da schwärmen die Eltern in den höchsten Tönen von den schulischen Leistungen ihrer begabten Tochter, obwohl das arme Kind nur mit Nachhilfe, viel Tränen, Verzweiflung und Angst es schafft auf dem Gymnasium zu bleiben. Mit der Wahrheit lieben: Den Menschen lieben, nicht, mein unrealistisches Traumbild von ihm. Denn irgendwann holt uns dieser Selbstbetrug ein. Irgendwann sagt jemand: Du hast nicht mich geliebt, sondern das Bild, das du dir von mir gemacht hast.
Jemanden anzunehmen mit seinen Fehler und Schwächen – von da aus ihm zu vergeben, wo es geboten ist. Oder auch konsequent daran zu arbeiten etwas zu verändern weil es so nicht weitergehen kann. – Das ist kein leichter Weg der Liebe, mitunter ein ganz harter. – Aber genau dann tue ich das, was Johannes meint: Lieben mit der Tat.
Liebe darf eben nicht zur Tünche werden, um Probleme wegzuretuschieren. Liebe will die Augen öffnen, um den Anderen in seiner Gesamtheit zu sehen und anzunehmen:
Seine Kinder.
Seine Eltern (das sage ich euch Kigo-Kindern und euch Erwachsenen!)
Seinen Partner
und sich selbst.
Amen