Predigt: Michel aus Lönneberga, hab keine Angst vor Fehlern! – 15. Januar 2023

Michel aus Lönnerberga
Michel ist mehr als nur der Junge mit den tausend Streichen. Er ist jemand, der immer wieder beherzt das Gute tun will, auch wenn es oft zu seltsamen Ergebnissen führt.
Aber ist das schon ein Grund, das Gute nicht zu versuchen?

Liebe Gemeinde

„Michel war ein Lausejunge aus nem Dorf in Schweden.
Nichts als dumme Streiche hatte er im Sinn.
Unter seinen Streichen litten Vater, Mutter, Ida.
Auch die brave Lina und auch die Lehrerin.“

Mit diesem Lied beginnen die Filme über Michel aus Lönneberga. Immer wieder sind die Verfilmungen der Romane von Astrid Lindgren im Fernsehen zu sehen. Ein echter Klassiker.

Aber irgendwie finde ich es ein bisschen unfair, wie schlecht der kleine Junge da gleich am Anfang wegkommt. Als wäre Michel ein unerzogener kleiner Terrorist, der seiner Umwelt das Leben zur Hölle macht. Ein Systemsprenger am Ende des 19. Jahrhunderts im Smaland im Süden von Schweden.

Da könnte man ja verstehen, weshalb die Dorfbewohner irgendwann Geld sammeln, um zu erreichen, dass seine Familie ihn  nach Amerika schickt. Soll er doch dort seinen Unfug machen!

Das System Lönneberga

Nein, Michel ist mit seinen fünf Jahren eigentlich ein ziemlich normaler und überdurchschnittlich kreativer Junge. Eigensinnig und durchsetzungsstark. Aber kein Terrorist! Fast spannender ist das Drumherum! Nicht nur das wenig tolerante Dorf Lönneberga. Auch Michels Vater ist eine Nummer für sich. Manchmal gruselig naiv und überfordert, dann erschallt es cholerisch „wo ist Micheeeeel“, wenn er vermutet, dass sein Sohn an irgendetwas Schuld sein könnte. Aber immer wieder gibt es zärtliche Situationen, wo man spürt, sie sehr er an seinem Michel hängt.

Aus den Romanen oder dem Film kennt man natürlich auch die stehts besorgte Mutter Alma, die süße Schwester Ida, die einfältige Magd Lina, und Michels wichtigste Bezugsperson, den Knecht Alfred.
Und man darf die alte Krösa-Maja nicht vergessen. Diese Ratschkaddel, die manchmal nur die Hälfte mitbekommt, aber sich dann ihren Teil dazudenkt; der natürlich beinhaltet, dass, alles viel schlimmer ist und Michel Schuld ist, und mit dieser Erkenntnis dann im Dorf hausieren geht.

Und so ist der Katthult-Hof in der ganzen Gegend verschrien. Jeder kennt Michel, hat von seinen Streichen gehört, und weiß auch um den kleinen Schuppen mit der Werkstatt, in der Michel regelmäßig – mal freiwillig und mal unfreiwillig – verschwindet, um seine Strafe abzusitzen. Und da sitzt er dann und beginnt mal wieder aus Langeweile ein Holzmännchen zu schnitzen.

Wie aus guten Ideen Unfug entsteht

War Michel wirklich so ein Bösewicht? Immerhin sagten die Leute schon vor seiner Einschulung, dass aus ihm mal nichts werden wird. – Aber Vorsicht, schon auf Seite 2 verrät Astrid Lindgren, dass er einmal Gemeinderatspräsident werden würde.

Aber vor aller Augen sind seine spektakulären Streiche. Der Kopf in der Suppenschüssel, die Schwester auf der Fahnenstange, Vater Fuß in der Rattenfalle, besoffene Tiere und leergefressene Speisekammern.

Aber jedes dieser Abenteuer hat ja eine Geschichte. Und wenn man sieht, wie es zu dem „Unfug“ kommt, den Michel da anstellt, dann wendet sich das Blatt. Denn oft genug hat es Michel eigentlich nur gut gemeint. Von Herzen gut – ohne Hintergedanken – aber am Ende ist es halt anders gekommen als gedacht.

Als die Magd Lina einen entzündeten Zahn hat, gibt er sich alle erdenkliche Mühe, um ihr den teuren Gang zum Schmied zu ersparen und versucht mittels eines Fadens ihn zu ziehen. Mal hängt der Faden dann an einem trabenden Pferd, an der Welle des Brunnens, oder an der Dachkante. Aber jedesmal geht es schief … und letztlich muss doch der Schmied mit der Zange ran.

Eigentlich war es doch ressoucenschonend gedacht, als Michel die zermanschten Kirschen seiner Mutter an sein Ferkel, die Hühner und an sich selbst verfüttert hat. Es wäre ja schade um die schönen Kirschen. Er wusste halt nicht, dass das die vergorenen Kirschen der Kirschwein-Produktion waren. Und so war der halbe Katthulthof stockbesoffen.

Ja, und letztlich war es der Wunsch seiner kleinen Schwester, mal am Fahnenmast in die Höhe gezogen zu werden, um ganz ganz weit, bis nach Mariannelund zu sehen.

Auch als Vater frühmorgens mit dem Fuß in eine Rattenfalle geriet, hatte Michel die ja eigentlich für Ratten, nicht für Väter aufgestellt.

Ja, und wer mag es ihm verdenken: Am zweiten Weihnachtstag, während die restliche Familie auf Verwandtenbesuch war, entschied Michel, die Leute aus den Armenhaus von Lönneberga in sein Elternhaus einzuladen und ihnen all die Köstlichkeiten vorzusetzen, die seine Eltern für den nächten Tag vorgekocht hatten. Denn da hatten sie Besuch erwartet.

Aber die ausgehungerten Armen und Alten ließen wenig übrig. Michel sagte sich: „Ich weiß, dass morgen die Leute aus Ingatorp kommen. Aber die sind doch sowieso schon satt. Es ist wohl besser, das Essen kommt dort hinein, wo es Nutzen bringt“.
Und seine Mutter schrieb am Abend des dritten Weihnachtstages in ihr Tagebuch: „Heute hat es den ganzen Tag im Tischlerschuppen gesessen, das arme Kind.  Sicher ist er eigentlich fromm, der Junge, aber manchmal glaube ich, er ist zu verrückt“.

Ja, immer wieder hat Michel es herzensgut gemeint. Er ist seinen Impuls, das Gute zu tun, gefolgt; aber hat das Ganze nicht zu Ende gedacht. Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht – das kennen wir alle.

Oder wie Michel es einmal formuliert hat: „Unfug denkt man sich nicht aus, Unfug wird’s von ganz allein. Aber dass es Unfug war, weiss man erst hinterher.”

Sünder und Gerechtfertigter

Offenbar hat Michel schon früh gelernt, dass es mit unserem Handeln nicht immer so einfach ist. Wir sind nicht perfekt – und die Ergebnisse unseres Tuns sind auch nicht!

Da wollen wir alles richtig machen und es gelingt, und wir sind stolz darauf, aber wenige interessiert es.

Beim nächsten Mal geht trotz bester Absicht etwas schief, und sofort blicke ich in vorwurfsvolle und unzufriedene Gesichter.

Ja, und manchmal geht mit mir der Gaul durch, und ich lasse mich hinreißen, hinterlistig und fies zu sein. Auch wenns mir hinterher leid tut.

Fehler und Schuld gehören zu unserem Leben dazu. Michel wandert dann mal wieder für einen Nachmittag lang in seinen Schuppen und schnitzt ein weiteres Holzmännchen. Aber am Ende des Tages geht die Türe auf und alles ist wieder gut. Michel setzt sich an den Abendbrottisch neben Alfred und Ida und weiß: Ich gehöre dazu.

Ich habe es da nicht ganz so einfach. Das Leben als Erwachsener sieht anders aus. Die Anforderungen und Erwartungen der Menschen sind andere. Und wir wären froh, wenn mit einmal Holzmännchenschnitzen alles in Ordnung zu bringen wäre.

Wir sind alle unterschiedlich. Manche entdecken den Michel in sich: Wissen, dass sie auch eher spontan ihren Impulsen folgen und nicht alles bis zum Ende durchdenken – manchmal mit Folgen, die man nicht erwartet hätte.
Andere sind kontrollierter, vorsichtiger. Sie überlegen eher dreimal, wägen ab, und müssen dennoch manchmal erleben: Ich kann noch so gut planen: Ich habe die Ergebnisse meines Handeln nicht in der Hand.

In einem Michel-Film gibt es eine Szene, wo er mal wieder im Schuppen sitzt, eine Kerze anzündet und betet: „Lieber Gott, mach doch, dass ich mit meinem Unfug aufhöre. Bittet freundlich Michel Svensson – Katthult – Lönneberga“

Aber aufhören wird es nie. Ja, ich kann meinen Gott darum bitten, dass mein Handeln gelingt. Aber es liegt in seiner Hand. Und wir alle müssen immer damit leben: Jeder Schritt unseres Lebens kann damit enden, dass ich etwas falsches getan oder gesagt habe, dass ich Schuld auf mich geladen habe.

Luther war es, der einmal gesagt habe „Sündige tapfer“. Habe keine Angst davor, Fehler zu machen. Du bist als Mensch immer ein Sünder – das wirst du nie los. Nicht zu tun, nichts zu wagen, aus Angst davor, Schuld auf dich zu laden, das ist nicht christlich. Sei mutig und vertraue darauf, dass Gott einer ist, der dir vergibt, weil Jesus deine Schuld trägt.

Mit Mut das Richtige tun

Der Roman „Michel aus Lönneberga“ endet mit einem Abenteuer, das für Michel typisch war: Gut gemeint – aber nicht zu Ende gedacht. Im tiefsten Winter hat sich der Knecht Alfred nach einer Schnittverletzung eine Blutvergiftung zugezogen. Es war ernst. Alfred lag mit Fieber und kaum ansprechbar im Bett. Aber draußen zog ein Schneesturm übers Land, der es unmöglich machte, den eigenen Hof zu verlassen. Es gab kein Durchkommen – die ganze Familie war bedrückt, ahnte dass es für Alfred kaum Hoffnung geben würde, wenn nicht ein Wunder geschehen würde.

Es war Michel, der am Alfred Bett ausharrte, viel weinte, aber dann mitten in der Nacht einen Entschluss fasste:  Er holte sein Pferdchen mit der kleinen Kutsche, schaffte es, den apathischen Alfred darauf zu bugsieren und kämpfte sich trotz des Schneesturms Richtung Mariannelund, wo der Arzt wohnte. Mit dem Mut der Verzweiflung kämpfte er sich durch, schaufelte Schneewehen beiseite, aber irgendwann ging nichts mehr. Michel war völlig erschöpft, auch von Alfred kam kein Laut mehr. Er ahnte: Das war es für sie beide. Der Schneesturm blies immer weiter.

Da kam die Rettung in Form eines Schneepflugs. Und auf dem nun geräumten Weg erreichen sie den Arzt. Alfred kam knapp mit dem Leben davon, und Michel, der bis zu seiner Genesung nicht von seiner Seite wich, kehrte mit Alfred auf dem Kutschbock zurück. Zu einer Familie, die ihn als Held feierte.

Und so endet das Buch mit einem kleinen Dialog in der Familie, als sich die Wogen einigermaßen geglättet hatten:
So sagte der Vater: „Dass Michel Präsident im Gemeinderat wird, das bezweifle ich. Aber sicher kann noch ein einigermaßen guter Mensch aus ihm werden. Wenn er am Leben und gesund bleibt und wenn Gott will.“

Die Mutter nickte zustimmend: „Ja ja, wenn Gott will“

„Und wenn Michel will“ sagte die kleine Ida.

Amen

Hinweis:
Diese Predigt ist Teil einer Predigtreihe von vier PfarrerInnen, die verschiedene „Helden der Kindheit“ in jeweils einem Gottesdienst thematisiert haben.

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