Wie die Rose von Jericho
Unser Glaube kennt – genauso wie unser ganzes Leben – Phasen der Lebendigkeit und Dürre. Manchmal leuchtet er im lebendigen Grün, ein Andermal liegt er vertrocknet in unserem Lebensregal, und wartet nur darauf, das er wieder neues Wasser bekommt.
Liebe Konfirmanden, liebe Eltern und Paten, liebe Festgemeinde,
ich habe euch und ihnen hier eine etwas ungewöhnliche Pflanze mitgebracht: Schaut sie euch einmal an.
Man findet sie in verschiedenen Wüsten und Steppen. Das mit der Wüse erscheint einem sehr plausibel. Den sie ist ja völlig vertrocknet. Leblos. Wenn man unvorsichtig ist, fängt sie auch an zu bröseln.
Dieses seltsame Ding nennt man „Rose von Jericho“. Eine etwas seltsame Rose – dieses verhutzelte zusammengerollte braune Gestrüpp.
Das Besondere der Rose von Jericho sieht man dann, wenn man diesen komischen Klumpen in eine Schale mit Wasser legt. Innerhalb von zwei Tagen passiert das etwas faszinierendes. Sie entfaltet sich, rollt ihre Ästchen auseinander und wird prächtig grün. Die scheinbar tote Pflanze entwickelt sich zu einem grün leuchtenden Schmuckstück.
Wenn ich mich an dieser Rose von Jericho satt gesehen habe, kann ich sie aus dem Wasser herausnehmen und wieder trocknen lassen. Ihr könnt euch schon denken, was dann passieren wird: Sie verliert ihre Farbe, rollt sich zusammen und wird innerhalb von ein paar Tagen wieder so einer unauffälligen braunen Kugel. … bis man sie einmal wieder ins Wasser stellt.
Als Schüler hatte ich mir einmal so eine Rose von Jericho gekauft. Ich fand die ganz toll. Aber ich hatte nicht lange Freude dran, denn eines Tages war sie aus meinem Zimmer verschwunden, einfach weg. Nach ein paar Tagen habe ich dann herausgefunden was passiert war: Meine Mutter hatte sie einfach weggeschmissen: „was soll denn das vertrocknete Ding in deinem Regal?“ Sie hat einfach nichts vom Geheimnis der Rose gewusst.
Wenn meine Mutter sie damals nicht weggeworfen hätte, könnte ich sie immer noch haben. Angeblich hat man in früheren Zeiten diese Pflanze über Generationen weitergegeben. Wenn man sie gut behandelt, im trockenen Zustand nicht zerbricht, und sie immer wieder lange Zeit trocknen lässt, kann sie Jahrzehnte überstehen.
Phasen des Lebens
Ich finde die Rose von Jericho einfach faszinierend. Weil sie zwei so verschiedene Phasen besitzt. Das grünende Leben und die Zeit der scheinbaren vertrockneten Leblosigkeit.
– Ich denke, das gibt’s bei uns Menschen irgendwie auch. Zeiten, da geht es einem gut, man ist glücklich und zufrieden, man ist im grünen Bereich.
– Und es gibt Dürreperioden, da geht nichts vorwärts, in der Schule oder in der Arbeit geht ist einem schlecht, die Freunde gehen einem auf die Nerven und im dümmsten Fall kann man sich gerade selber nicht leiden. Dann rollt man sich zusammen, will nichts mehr hören und sehen – so, wie die trockene Rose von Jericho.
Es gibt in immer: Den Wechsel von Zeiten voller Lebendigkeit und den Zeiten der Dürre.
Gerade die letzten zwei Jahre haben uns das auch spüren lassen. Da ist auch viel vertrocknet und eingegangen:
Wir hatten weniger Kontakte.
Es gab zeitweise kein Veranstaltungen.
Konfirmandenkurs war schwierig, manchmal nur digital.
Immer auf Abstand leben … das macht einen fertig … das laugt einen aus. Weil wir Menschen ja von der Nähe leben.
Aber nun kommt so langsam unser öffentliches Leben wieder in die Gänge. Wir sind noch vorsichtig, aber spüren schon, wie gut es tut, wenn ihr nun als Familie miteinander feiern könnt.
Unser Leben füllt sich langsam wieder mit Leben! Wir rollen unsere Äste aus, es grünt! Endlich!“
Der saftig grüne Start als Konfirmand
Wie ist das eigentlich in Glaubensfragen? Mit euch und eurem Gott?
Heute feiert ihr Konfirmation: Ihr sagt „ja“ zum christlichen Glauben. Euch wird der Segen Gottes zugesagt. Ihr habt eineinhalb Jahre Konfikurs hinter euch. Viel gelernt und kapiert. Einen tollen Vorstellungsgottesdienst auf die Beine gestellt. Ihr seid fit genug für das Leben mit dem Glauben an Jesus Christus.
Es läuft bei euch! Wir haben hier vier prächtige aufgeblühte grüne Jericho-Rosen sitzen.
Klar, ihr habt auch hie und da Punkte, wo ihr offene Fragen und Zweifel habt. Wo ihr Kirche auch kritisch seht. Wo ihr auch mal fragt, warum Gott manches Schlimme auf der Welt nicht verhindert. Diese Fragen gehören zum Leben als Christ dazu. Wahrscheinlich sind diese Zweifel auch ein Zeichen dafür, dass man sich wirklich mit der Frage nach Gott auseinandersetzt.
Trockenphase
So weit so gut. Die allgemeine Erfahrung sagt uns, dass nach der Konfirmation für etliche Konfirmanden eine Phase kommt, die man bei der Rose von Jericho Trockenzeit nennen würde.
Mit der Konfirmation hat man die Pflichtveranstaltungen wie Konfi-Kurs und Gottesdienstbesuche hinter sich. Dann lassen es viele eher locker angehen. Ex-Konfis gehören eher zu den seltenen Gästen im Gottesdienst.
Und bei manchen geht das noch weiter, da wird überhaupt das Thema Glaube erst einmal auf Pause gestellt. So, als würden sie heute nicht nur Konfikreuz und Urkunde, sondern auch ihren Glauben mit heimtragen und erst einmal im ein Regal legen. Abgehakt und aufgeräumt.
Was dann passiert: Wie die Rose von Jericho rollt sich sich mein Glaube langsam zusammen. Verliert seine Farbe, wird zu einer kleinen unscheinbaren braunen Kugel.
Die Phase der Trockenheit ist ein weit verbreitetes Phänomen. Die Pfarrer und die Gemeinden kennen das und müssen damit leben.
Und wir hoffen natürlich immer, dass nach einer gewissen Zeit einer oder eine unserer Konfirmanden-Rosen glaubensmäßig wieder Wasser an die Wurzel bekommt, wieder aufblüht und wieder bei uns in der Kirchengemeinde auftaucht.
Das ist unsere Hoffnung, aber wir machen uns schon immer ein bisschen Sorgen, weil wir wissen dass diese Trockenphase auch riskant ist.
Wisst ihr noch, was mit meiner Rose von Jericho damals passiert ist? Meine Mutter hat sie einfach weggeschmissen: „Was willst du denn mit diesem grässlichen braunen vertrockneten Ding? Ich hab das mal zusammengedrückt, und dann sind schon die Ästchen weggebröselt“
Liebe Konfis.
Ich meine: Unser Glaube hat da ganz große Ähnlichkeit mit so einer Rose von Jericho. Wenn er trocken gelagert wird, wenn er also nicht gelebt und praktiziert wird, dann ist er staubtrocken, unattraktiv und langweilig.
Haben vielleicht deshalb so viele Menschen wenig mit dem Glauben am Hut, weil sie ihn nur in der Form einer vertrockneten Pflanze kennen? „Was soll ich mit so einem grässlichen altmodischen Zeug?“
Und ganz schlimm ist es dann, wenn man dieses vertrocknete Ding soweit weggeräumt hat, dass man es dann nicht mehr findet. Dann wird es für so jemanden schwierig, noch einmal Leben in seinem Glauben zu bringen.
Glaube will blühen
Aber Gott sei Dank passiert es immer wieder, dass jemand nach einer gewissen Zeit nach Gott fragt, Und dann merkt man, wie robust diese Pflanze „Glaube“ doch ist.
Dass ein Mensch der das Thema Gott eigentlich für sich abgehakt hatte, sich an das erinnert, was ihm Glaube alles geben kann. Das Gefühl, von Gott geborgen zu sein – auch in einer schweren Krise.
Das Vertrauen, dass Jesus recht hat, mit dem, was er über Nächstenliebe gesagt und uns vorgelebt hat.
Wem das passiert, dass sein Glaube richtig grünt, der kann sich eigentlich gar nicht vorstellen, wie es „ohne“ gehen soll. Grün ist für den Glauben ja sowieso eine wichtige Farbe: die Farbe des Wachstums und der Hoffnung.
Liebe Konfirmanden,
ich wünsche euch, dass es euch gelingt euren Glauben wie so eine Pflanze zu hegen und zu pflegen. Sicherlich wird es irgendwann auch Phasen der Trockenheit geben. Die erlebt jeder Mensch.
Ich wünsche euch, dass ihr erfahrt, wie schön es ist, einen Glauben „im grünen Bereich“ zu haben.
Wo ihr spüren könnt, dass Gott euch schützt und begleitet. Dass Vertrauen in einen himmlichen Vater Hoffnung geben kann – auch in ganz schwierigen Situationen.
Dass ihr ihn dadurch schätzen lernt, dass ihr dehalb ganz von alleine darauf achten werdet, dass er euch nicht vertrocknet.
Nicht dem Pfarrer zuliebe, nicht den Eltern zuliebe ; sondern weil ihr es selber wollt. Weil ihr spürt wie wunderbar es sein kann, wenn man Gott an seiner Seite hat. Amen
Infos
Für den Gottesdienst ist es sinnvoll, zwei oder gar drei Exemplare vorzubereiten: Eine trockene, eine vollständig entfaltete und vielleicht auch eine zwischendrin. Natürlich liegt es nahe, jedem Konfirmanden eine Rose von Jericho mitzugeben.
Einkaufstipp: Die Firma Yakeba bietet 10er-Packs mit mittelgroßen Exemplaren an. Sie sind von guter Qualität. Sie sind einzeln in einer schönen Schachtel verpackt (ähnlich solcher Schachteln, in denen man am Asia-Imbiss seine gebratenen Nudeln bekommt). Preis: knapp 4 Euro pro Stück.
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Pingback:Predigt zur Konfirmation 2002: Die Rose von Jericho, 24. März 2002 – Pastors-Home