Predigt zur Jahreslosung 2021: „Seid barmherzig, wie auch unser Vater barmherzig ist” (Lukas 6,36)

Lukas 6,36

Liebe, Aufmerksamkeit, Vergebungsbereitschaft … wie soll ich das alles an andere verschenken, wo ich doch selbst oft am Ende meiner Kräfte bin?
Die Predigt blickt auf ein Jahr mit zwischenmenschlichem Betonbau und eine Idee vom Bernhard v. Clairvaux.


“Seid barmherzig, wie auch unser Vater barmherzig ist” (Lukas 6,36)
Das hat Jesus seinen Zuhörern bei seiner Feldpredigt gesagt.
Barmherzig sein!
Das klingt so richtig gut.
Offen sein, rücksichtsvoll, hilfsbereit,
Fehler des Anderen verzeihen … Ja, das ist gut – das kann man brauchen! Und das weiß ich eigentlich schon lange. Dazu bräuchte ich auch gar keine extra Jahreslosung.

Das Problem ist, dass es halt so elend schwierig ist, das dann auch hinzubekommen.

Wenn der Beton alles erstarren lässt

So gut es ist, für Andere da zu sein, selbst den dümmsten Trampel zu vergeben … das kriege ich halt nicht immer hin. Das kostet oft so viel Energie.   

Und irgendwie fehlt sie mir momentan häufiger als sonst. Vielleicht, weil diese Cononasituation mich schlaucht? Vieles, was mich innerlich auftanken lässt, neue Kraft und auch Fröhlichkeit schenkt, ist schwierig geworden, oder musste sogar verboten werden: Feiern mit Freunden, Urlaub, schöne Lieder in der Kirche singen.

Liegt es vielleicht auch daran, dass das Miteinander von uns Menschen insgesamt schwieriger geworden ist? Wenn man manche Diskussionen anhört oder auch selber führt:
Oft ist da so wenig Bewegung drin.
In Facebook-Diskussionen ist das oft beeindruckend zu erkennen: Jeder kommt mit seiner Sicht der Dinge, fährt seine Argumente auf … aber dass man dann aufeinander eingeht, den Anderen ernst nimmt. Bereit ist, seine eigene Position auch mal zu hinterfragen. Das passiert immer weniger.

Oft endet das mit einem “Das ist meine Meinung! Punkt. Da werde ich mit dir nicht mehr diskutieren”.

“Punkt!” Da wird zwischen uns soviel Beton angerührt. Da geht dann nichts mehr vorwärts oder rückwärts. Da gehen alte Freundschaften in die Brüche, weil die Besserwisserei alles kaputt macht.

Wobei ich gar nicht weiß, ob hinter diesem Zementieren der eigenen Meinung nicht auch ganz viel Angst steckt. Die Angst, dass man in diesen verrückten und unsicheren Zeiten am Ende gar nicht mehr weiß, wo vorn und hinten ist, wenn man seine eigene Position einmal verlässt.

Angst vor noch mehr Unsicherheit, wenn man sich auf andere einlässt. Auf ihre Argumente, ihre Art zu leben, ihr Anderssein. – Also bauen wir auf Beton.

Und doch wissem wir: Auf Beton wächst kein Gras, gedeiht kein Pflänzchen. Das ist der Tod im Topf!

Leben im Fluss

Aber wir wollen doch leben.
Und wir können nur dort leben, wo kein Beton ist.
Wo Wasser fließt,
wo die Sonne hineinscheinen kann und der Wind etwas bewegt.

Jesus hat es vorgelebt. Offenheit ohne den Beton der scheinbaren Sicherheit
Er ist gerade auf die Menschen zugegangen, die von Anderen ausgegrenzt wurden.
Ausgegrenzt, weil andere Angst vor ihren Krankheiten hatten.
Ausgegrenzt, weil sie ein Leben geführt haben, das anderen nicht gefiel.
Ausgegrenzt, weil sie Menschen mit Schwächen und problematischen Charakterzügen waren, die für die Gesellschaft ein echtes Problem waren.

Da hat Jesus Mauern niedergerissen.

“Seid barmherzig, wie auch unser Vater barmherzig ist” hat er gesagt.

Und das war nicht sein einziger Satz – es kommt noch dicker:

Liebt eure Feinde und tut Gutes und leiht, ohne etwas dafür zu erhoffen. So wird euer Lohn groß sein, und ihr werdet Kinder des Höchsten sein; denn er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen.

Da klingt auf den ersten Blick noch überfordender als “seid barmherzig” – denn da höre ich gleich so viel, wo ich gefühlt in Vorleistung gehen soll:

Feinde lieben – Gutes tun – etwas leihen, ohne Gegenleistung zu erwarten: Da gerate ich derart in so eine Art Gutmenschen-Zugzwang, dass ich gleich aufgeben möchte. Weil mir da so viel – zu viel abverlangt wird.

Aber bei dem Problem waren wir grade schon.

Perspektivwechsel: Sei eine Schale

Darum mal kurz ein Perspektivwechsel!
Wer sagt denn, dass es da die ganze Zeit um mich geht? D steht ja auch:

“Seid barmherzig, wie auch unser Vater barmherzig ist.” Und: “ihr werdet Kinder des Höchsten sein; denn er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen”

Vielleicht fließt da noch viel mehr?
Kann es ein, dass nicht ICH derjenige sein muss, der all das “Gute” aus sich selber rausquetschen muss, sondern es weiterreicht, weil er es schon von Gott bekommen hat?

Wie eine Schale: Aus der kommt nie etwas von alleine, sondern erst wenn ein Anderer etwas hineinfüllt, kann sie etwas weitergeben.

Das würde heißen: Erst einmal muss ich selber in meinem Leben die Liebe Gottes, seine Fürsorge, seine Hilfe spüren. Immer wieder. Und irgendwann ist in mir soviel da, dass ich das auch wieder weitergeben kann. An jeden, der es braucht. Ob er es verdient oder nicht. Egal! Ich habs ja auch von Gott geschenkt bekommen.

Bernhard von Clairvaux – ein Möch auch dem 12. Jahrhundert – hat einmal geraten, es mit dem Schale-sein langsam angehen zu alssen:

Er sagt: “Wenn du vernünftig bist, erweise dich als Schale (…) die wartet, bis sie gefüllt ist. Auf diese Weise gibt sie das, was bei ihr überfließt, ohne eigenen Schaden weiter. Lerne auch du, nur aus der Fülle auszugießen, und habe nicht den Wunsch, freigiebiger zu sein als Gott.”

Wäre das nicht eine gute Strategie fürs nächste Jahr.

Die eigenen Fühler ausstrecken nach der Liebe Gottes. Entdecken, wo man selbst wirklich von Gott beschenkt ist – trotz all meiner Schwächen.
Natürlich gibt es immer was zum Jammern, aber es tut mir immer gut, ganz bewusst auf das Gute zu schauen, das mir ja auch geschenkt worden ist.

Auch im Rückblick auf 2020! Wenn ich mal das wegschiebe, was an Ärger und Frust herumliegt, kann ich darunter viele gute Momente entdecken.
Tage, die einfach schön waren
Momente, wo ich den Eindruck habe, dass Gott mich da behütet hat.
Entwicklungen, die besser gekommen sind, als gedacht.

Und dann wirds die Gelegenheit geben, wo jemand es braucht, dass ich zu ihm so liebevoll, großzügig und vergebungsbereit bin, wie Gott es zu mir ist.
Und dann kann ich aus der Schale meines Herzens etwas weitergeben. Und damit etwas gutes entstehen lassen:
Offenheit
Herzlichkeit
Liebe
alles das, was besser ist als Beton.

Amen

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2 Kommentare

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