Predigt: Der neue König meidet den großen Auftritt (Sacharia 9, 9-10) Erster Advent

Sacharia 9

Der Friedenskönig zieht durch das Stadttor in den Corona-Advent 2020 ein. Er verzichtet auf Macht und Glanz. Gerade in diesem Jahr entwickeln sich daraus Gedanken für die kommenden Wochen.

Predigttext: Sach 9,9-10
9 Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin. 10 Denn ich will die Wagen vernichten in Ephraim und die Rosse in Jerusalem, und der Kriegsbogen soll zerbrochen werden. Denn er wird Frieden gebieten den Völkern, und seine Herrschaft wird sein von einem Meer bis zum andern und vom Strom bis an die Enden der Erde.

Der nur scheinbar große Auftritt

Liebe Gemeinde,

Manchmal lieben wir den großen Auftritt.
Klar, dass die Braut am Hochzeitstag die schönste Frau sein will und entsprechend in ihre Ausstattung investiert.
Manche Personen des öffentlichen Lebens schaffen es, durch Outfit, Körperhaltung und ihre Art, mit anderen zu reden, den Eindruck zu erwecken, dass man es bei ihm oder ihr mit einer wirklich ganz besonderen Persönlichkeit zu tun hat.
Und Autoverkäufer wissen, wie viel Geld manche Normalbürger bereit sind zu investieren, um mit einem Auto vorzufahren, das bei den Leuten Bewunderung hervorruft.

Der “große” Auftritt gehört scheinbar zum Leben dazu. Und genauso oft stößt uns solches Imponiergehabe auch einfach ab. Weil wir Protzerei nicht mögen, vor allem, wenn sie uns selber klein erscheinen lassen will. Manchmal merken wir auch, wie der Neid dabei langsam in uns hochkriechen möchte – und wir ahnen, dass Neid eigentlich nie für irgendetwas gut ist.
Oder wir schütteln den Kopf, weil wir wissen, was an Defiziten hinter dem großen Auftritt mancher Zeitgenossen versteckt ist.

Der ganz andere König

Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel. – Was der Prophet Sacharia da ankündigt, ist offenbar das absolute Gegenteil von einem großen, beeindruckenden Auftritt.

Ein neuer König … nein! DER NEUE König … wird ganz anders sein, und das ist dann nicht nur eine coole Image-Idee seiner Berater. Der neue König wird wirklich alles anders sein, als wir das bisher gekannt haben.

Der sparsame, leise Auftritt wird Programm sein. Und Gott selber war es, der das so geplant hat. Das laute Getöse der bisherigen Herscher war Gott leid. Das kraftmeierische Gehabe der Mächtigen hat ihn angewidert. Darum wird er seinen neuen König schicken.

Einen Friedenskönig. Der keine fremden Völker erobern und ausplündern muss, um sich als mächtiger Herrscher zu fühlen.
Einer, der arm ist. Ohne Glitzer und Glamour. Einer der nicht mehr hat, als seine Untertanen. Wenn sie ihn bewundern wollen, dann werden sie genauer hinsehen müssen, um seine verborgenen Qualitäten zu entdecken.
Einer, der auf einem Esel reitet. Er nutzt kein Pferd, von dem aus man auf die anderen herabschauen kann, dem man die Sporen geben kann, dass die kleinen Leute den aufgewirbelten Staub der Hufe schlucken. Ein Esel ist sein Tier – dieses eigeninnige Vieh, das manchmal einfach stur stehen bleibt und damit seinen Reiter verzweifeln lässt. Und es lässt ihn lernen: Es geht nicht immer alles nach deinen Wünschen – auch wenn du dich auf den Kopf stellst.

Ein Gerechter. Einer, der genau überlegt, was er tut. Dem der Satz “wo gehobelt wird, fallen Späne” nicht über die Lippen kommt – weil er den einzelnen Menschen sieht.

So wird er sein, der neue, ganz andere König, den Gott seinem Volk verspricht.

Jesus zieht in Jerusalem ein

Jahrhunderte später zieht Jesus in Jerusalem ein. Ein starker Auftritt! Oder vielleicht doch ganz anders?

Nicht hoch zu Ross, sondern auf einem Esel.

Nicht geschmückt mit Gold und Edelsteinen, sondern Menschen wedeln mit Palmzweigen.
Kein Trommelwirbel – aber Menschen begrüßen ihn mit Segensworten.

Jesus – der ganz andere König, der da kommt. So anders, dass in all den Jahren viele ihn gar nicht als König wahrgenommen haben; eben weil das, was man üblicherweise mit einem “König” verbunden hat (und über das man sich meist geärgert hat!) bei ihm nicht zu finden war.

Es hat schon einen Grund, weshalb wir am Ersten Advent den Einzug Jesu nach Jerusalem als Evangelium hören.Wir erinnern uns: In Jesus sehen wir das erfüllt, was Sacharia da angekündigt hat. Das Kommen eines neuen Königs, dieses Gottessohnes, der uns ganz neue Perspektiven eröffnet hat. Gerade auch zur Frage, wie denn das mit der “königlichen Macht” ist. Denn der arme König auf dem Esel hat auch eine ganz neue Sicht auf unsere menschliche Macht und Machtlosigkeit eröffnet.

An so vielen Stellen hat Jesus uns angeregt, auf Machtausübung zu verzichten, die eigene Machtlosigkeit auszuhalten. Und da höre ich auch die Worte des Sacharia als Echo: “Denn ich will die Wagen vernichten in Ephraim und die Rosse in Jerusalem, und der Kriegsbogen soll zerbrochen werden. Denn er wird Frieden gebieten den Völkern, und seine Herrschaft wird sein von einem Meer bis zum andern und vom Strom bis an die Enden der Erde.”

All das Kriegswerkzeug soll verschwinden – stattdessen wird es Zeit, sich auf den Weg zu machen, ohne Machtausübung, ohne einen “starken Auftritt” zurecht zu kommen.

Machtlosigkeit im Advent

Liebe Gemeinde,

Nun zieht Jesus – der andere König – auf dem Esel  nach Jerusalem ein … und hinein in unseren Corona-Advent 2020. Was bringt er da mit, bei seinem unspektakulären Auftritt?

Naja, der Friedenskönig, seine Worte könnten wir momentan gut gebrauchen. Wo wir uns wegen des Tragens von Masken Straßenschlachten liefern. Wo man sich gegenseitig als Covidiot und un-informiertes Schlafschaf beschimpft.
Ob wir da nicht mal abrüsten könnten? Auch wenn man die Gegenseite gerade gar nicht versteht? Liebe deine Feinde – hat Jesus gesagt. Wie wollen wir auf ein friedliches Weihnachten zugehen, wenn wir uns gerade in sozialen Medien niedermachen, als wären wir im Mittelater?

Auch der arme König zieht durch unser Tor. Jesus, der manchmal nicht wusste, wo er am nächsten Abend schlafen würde. Er, der diese Unsicherheit für sich selber so haben wollte begegnet in diesen Tagen Menschen, denen in diesen Monaten ihre bisherige Lebens-Sicherheit abhanden gekommen ist. Existenzängste, weil sie nicht wissen, wie sie selber die nächsten Wochen und Monate als Selbstständige, Unternehmer oder als Arbeitnehmer überstehen können.
Ach, wie würde ich mir wünschen, dass sie mit diesem Jesus da ins Gespräch kommen könnten. Dass sie ihm ihr Herz ausschütten könnten – und er ihnen etwas von seinem Vertrauen in die Zukunft und Fürsorge Gottes schenken könnte.

Ja, und da ist der Verzicht auf den glamourösen Auftritt. Da fällt mein Blick auf unsere glänzende und glitzernde Advents- und Weihnachtstradition. Wo wir merken, was uns in diesem Jahr alles fehlen wird.  An Begegnungen, an Festen, an Singen und Musizieren. Da spüre ich ein bisschen den grauen Esel, der bockig sagt: “Vergiss es, diesmal gehe ich mit dir einen anderen Weg als sonst. Da kannst du auf meinem Rücken noch so zappeln und schimpfen”.

… Aber er zieht dennoch ein, dieser König. Wir feiern Advent. Und vielleicht spüren wir in diesem Jahr die Advents-Sehnsucht, – das Warten auf seine Nähe, seine Wärme und seine Worte intensiver als bisher.

Amen

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Ein Kommentar

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