Zur Kirchweih nehmen wir die Kirche als Ort der eigenen Taufe in den Blick. Zur Begrüßung erhalten die Gottesdienstbesucher einen Stempelabdruck auf den Arm. Darauf das uralte (und vielen unbekannte) Siegel des ersten Kirchleins, das hier im Ort stand. Dazu eine Reihe von Verben, die beschreiben, was uns Christen vor Ort ausmacht. Die Ortsburschen und Madli, die die Dorfkirchweih mitgestalten, sind auch die Akteure des Anspiels, das den Vergleich Tattoo und Taufe entwickelt.
Szene der Ortsburschen &-Madli:
A: hat ein neues Tatto, ziemlich stolz
B: Hat ein Tatto “Juliane” am rechten (!) Unterarm
C: Ohne Tatto, hat aber etwas Besonderes vor…
Die drei Kumpels (A,B,C) treffen sich, begrüßen sich …
A: Hi, ich muss euch mal was zeigen: Schaut, da, mein neues Tattoo.
C: Mann, da ist ja echt klasse geworden. Wie lange hast du das schon?
A: So zwei Wochen. Der Tätowierer hat echt was auf dem Kasten. Der ist zwar echt nicht billig, aber dafür schaut´s dann auch wirklich gut aus. (Zu B) Und was sagt du?
B: Ja…. klar ist schon wirklich gut gemacht, auch das Motiv ist mal ein bisschen was anderes, als das, was momentan überall gestochen wird. Hmm, schon cool.
A: Klar, des ist immer ein bisschen blöd mit diesen Mode-Motiven, die sich dann jeder Kasper machen lässt, bloß weil es grade in ist. Die sollen ja schließlich ein Leben lang passen. Ich hab bei meinem Tattoo jetzt auch ewig hin und her überlegt, bevor ich mich entschieden habe.
B: Wen sagst du das, achau, hier auf meinem Unterarm:
C: Ja, da steht der Name von deiner Freundin Juliane.
B: EX-Freundin! – Sie ist weg und das blöde Tattoo ist immer noch da. So ein Mist.
A: Naja, da warst du halt schon ein bisschen arg verliebt, oder blöd – oder beides: Verliebt und blöd! Echt, schon nach 2 Monaten sich den Namen der Freundin auf Arm zu tätowieren lassen. Was hast du dir da bloß gedacht …mannomann
B: Jaja … hinterher ist man immer schlauer.
C: Ach, macht dich nicht verrückt: Da suchst du dir einfach wieder eine Freundin, die den gleichen Namen hat. Machst eine Anzeige in der Zeitung: “Suchte nette Freundin Mitte zwanzig, Aussehen egal, Hauptsache du heißt Juliane!”
A: Oder wenn es nicht klappt: dann lass dir den rechten Arm amputieren, dann bist du das ungeliebte Tatto weg. Bei dir ist das vielleicht gar nicht so schlimm, wenn der rechte Arm fehlt. Dein Chef sagt doch auch immer, dass du beim Arbeiten zwei linke Hände hast.
C: Ach red nicht so einen Quatsch! Übrigens, bin ich ganz froh, dass ihr da seid. Denn ich bin ja auch in Sachen Tatto unterwegs. Hier soll es nämlich etwas ganz ganz Neues geben: Aqua-Tattoos! Die sind angeblich in Amerika schon total angesagt.
A: Was für Tattoos? Acker-Tattoos?
C: Hör doch genau hin: Aqua-Tattoos. Hier drüben ist die Werkstatt (gehen zum Taufstein, schauen ihn sich genau an)
B: Hmm. Bist du dir sicher, dass wir hier richtig sind? Kein Werkzeug da, der Tättowierer ist auch noch nicht zu sehen. Sag mal, was sind denn das für Tattos, diese Aqua-Tattos?
C: Ja, also das Eine ist: Das soll ganz schmerzfrei sein. Und außerdem noch viel dauerhafter, als alle bisherigen. Da geht absolut gar nichts mehr weg. Also nur was für die ganz Überzeugten. Da gibts kein Weglasern oder so.
A: Echt?
C: Jaja, Im Internet hat einer geschrieben: Sogar wenn du dir den Arm amputierst, taucht es woanders dann doch wieder auf.
B: Oh Mann, mach keine Scherze … das ist ja irgendwie unheimlich!
C: Was ich gelesen habe: Da steht ein über 2000 Jahre altes Geheimwissen dahinter. Deshalb macht man das auch nur an ganz besonderen Orten. Manche sagen, es wären heilige Orte! Es soll sogar Völker geben, die machen das schon bei ihren Kindern….
A: Echt? Voll krass! Das ist ja wilder als Voodoo! Bist du dir sicher, das du das ausprobieren willst?
B: “ Ausprobieren?”, du bist gut: Wenn das so etwas für die Ewigkeit ist, da kannst du ja auch nicht schnell mal was ausprobieren. Mensch, überlege dir das noch mal ganz genau. Sag mal, wie sehen die eigentlich aus?
C: Weiß ich auch nicht so genau. Alles was ich erfahren habe: Die sind unsichtbar! Also auf den ersten Blick nicht zu erkennen!
A+H: Häääää?
C: Ihr habt schon richtig gehört. Man munkelt, man kann sie nicht sehen, aber man spürt den Menschen oft ab, dass sie eines haben. Die sind manchmal ein bisschen anders als andere.
A: Sorry, das ist mir irgendwie zu unheimlich, ich geh dann mal lieber…
B: Nimmst du mich mit? Ich weiß auch nicht so genau.
(Beide gehen)
C: Hmmmm, als irgendwie wüsste ich schon gerne, was es damit auf sich hat.
Ansprache
Liebe Gemeinde,
kann man unsere Taufe wirklich mit einem unsichtbaren Tattoo vergleichen, das wir lebenslang an uns tragen? Vielleicht ist der Gedanke ja gar nicht so abwegig.
Die Taufe bleibt
Denn sie bleibt uns ja wirklich ein Leben lang. Wer getauft ist, ist getauft. Das kann ich nicht rückgängig machen. Ich kann mich nicht ent-taufen!
Selbst wenn ich mich von Gott lossagen würde: Ich bleibe getauft! Ich kann aus der Kirche austreten. Ich kann versuchen, alles was mit Glaube und Kirche zu tun hat, aus meinem Leben zu verbannen … letztlich kann ich Gott nicht davon abhalten, zu sagen “Ich liebe dich trotzdem, und werde weiterhin dir nachgehen und hoffen, dass du zu mir zurückkehrst.”
Von daher ist die Taufe so ein Tattoo für zwei: Weil Gott sich mit der Taufe ja auch festlegt: “Du und ich – Wir gehören zusammen” Er hat mit meiner Taufe ja auch so eine Art Tattoo bekommen, wo mein Name steht – damit er nicht vergisst, dass ich zu ihm gehöre.
So ein Tattoo als dauerhafte Kunst hat je die Eigenschaft, dass sie sich nicht von aktuellen Stimmungsschwankungen beeindrucken lässt: Wenn Eltern die Namen ihrer Kinder auf dem Arm tätowiert tragen, heißt dass ja nicht, dass es auch mal ordentlich daheim Ärger geben könnte. Man fetzt sich, aber das Tattoo bleibt.
Da ist das mit der Taufe auch nicht viel anders: Gottes “ja” zu mir bleibt. Auch, wenn ich gelegentlich über mich selbst ärgere, über meinen Schwächen und Fehlern am Verzweifeln bin: Sein “ja” zu mir ist unverrückbar. Da bin ich wirklich froh, dass Gott mich nicht aufgibt und dass ich mir das selber dann sagen kann. Und so trage ich mein Getauftsein mit mir herum – wie eine unsichtbare Tätowierung. Auf Schritt und Tritt ist – egal, wie seltsam und düster die Wege gerade sind, auf denen ich gehe. Wie ein Zeichen, das nur Gott sehen kann, leuchtet sie ihn an; zeigt ihm, wo ich gerade bin, damit er mich ja nicht aus den Augen verliert.
So wie in der Geschichte vom verlorenen Sohn, die Jesus erzählt hat: Gottes Liebe als eine, die mit unendlich viel Geduld ausgestattet ist und sich von unserer Widerspenstigkeit nicht irre machen lässt. Eben ein unsichtbares Tattoo für die Ewigkeit.
Für die Ewigkeit – auch nach dem Tod
“Für die Ewigkeit” – damit ist ja nicht nur gemeint, dass uns die Taufe niemals verloren geht. Es geht ja auch um unsere Zukunft. Wenn wir Kinder hier taufen, dann sagen wir: “Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Der allmächtige Gott und Vater stärke dich durch seinen Heiligen Geist, erhalte dich in seiner Gemeinde und bewahre dich zum ewigen Leben.”
“Bewahre dich zum ewigen Leben!” Mit der Taufe im Namen Jesu verbinden wir uns mit Jesus Christus – mit seinem Leben und auch mit seiner Auferstehung.
Als man die Menschen beim Taufen untertauchte, war das noch viel deutlicher zu erkennen: Das Untergehen im Wasser und das Wiederauftauchen zu einem neuen Leben.
So, wie Jesus am Karfreitag untergegangen ist – gestorben und begraben – und am Ostersonntag auferstanden.
So erwarte ich auch, dass ich als Nachfolger Jesu so wie er untergehe und sterbe, aber danach wieder auferstehe zu einem Leben, das ein ganz neues, anderes und ewiges sein wird.
In diesem Sinn ist unsere Taufe wirklich ein Tattoo für die Ewigkeit.
Meine Kirche als Ort meiner Taufe
Weil wir gerade bei den frühen Christen waren: Die haben getauft, wo es sich gerade angeboten hat. Sogar in der Bibel finden wir die Erzählung von der Taufe eines äthiopischen Staatsmanns, der von Philippus getauft wurde. Irgendwo auf der gemeinsamen Kutschenfahrt war ein passender Ort mit Wasser – und der Mann ließ sich dort taufen.
Von daher könnten auch wir eigentlich auch im Albach oder in der Aurach taufen, oder im heimischen Garten. Da wären wir in guter biblischer Gesellschaft. Und doch hat es durchaus seinen Sinn, wenn wir zur Taufe hier in der Kirche zusammenkommen: Weil wir damit einen Ort der gemeinsamen Erinnerung an unsere Taufe haben. Das ist schon ein gemeinschaftstiftender Faktor: Die meisten von uns sind hier, an diesem Ort getauft worden. Ihr, eure Eltern, die Generationen vor euch seit über 300 Jahren. Wir haben alle haben Anteil an dieser einen Taufe. Das verbindet uns. Und gerade angesichts dessen, dass heutzutage alles immer individueller, spezieller und oft auch eigenbrötlerischer wird, ist so ein gemeinsamer Ort etwas sehr Wertvolles.
Und dann betrachte ich das alte Siegel der ersten kleinen Hugenottenkirche, das Sie als Eingangsstempel auf Ihre Hand oder Ihren Arm bekommen haben: Ich sehe diesen Regenbogen. Das Symbol der Erzählung von der Sintflut. Das Zeichen des Bundes Gottes mit der Menschheit. Das Zeichen, das besagt: Auch wenn ihr Menschen immer wieder Gott vergesst und gegen seinen Willen handelt: Er bleibt euch treu, er wird diese Erde nicht vernichten.
Und auch da sehen wir, wie sich hier das Motiv wiederholt: Die bleibende Zuwendung Gotte zu uns – die wird sichtbar im bunten Regenbogen – und bleibt unsichtbar aber beständig in unserer Taufe.
Taufe leben
Liebe Gemeinde, ich komme nochmal zurück zu dem, was wir bei der Taufe sprechen: Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Der allmächtige Gott und Vater stärke dich durch seinen Heiligen Geist.
“Stärke dich durch seinen Heiligen Geist” – ach, das ist eine der Formulierungen, mit denen wir uns so gerne schwer tun. Weil Geist so schlecht fassbar ist, und das oft verwendete Symbol der Taube halt euch nicht immer weiterhilft.
Aber wie hat einer vorhin in der Szene über dieses Tauf-Tattoo gesagt? “ Man munkelt, man kann es nicht sehen, aber man spürt den Menschen oft ab, dass sie eines haben. Die sind manchmal ein bisschen anders als andere.”
Als Christen vertrauen wir, dass die Taufe eben mehr ist als ein Zeichen. Dass dahinter die Erfahrung steckt: Gott ist in uns Menschen wirksam. Er gibt Kraft und Orientierung. Und dieses Wirken Gotten in einem Menschen nennen wir “Heiliger Geist” .
Manchmal nimmt man es selber gar nicht wahr.
Manchmal ist man überrascht über die Kraft, die man aufbringt, obwohl man eigentlich dachte: Das schaffe ich nie.
Manchmal spürt man eine innere Unruhe, die einem sagt, was nicht in Ordnung ist.
Gottes Geist, seine Kraft hat ganz viele Facetten, in denen er wirksam ist.
Als ich versucht habe, den Stempel für heute zu gestalten, habe ich gedacht: Ein knalliger Slogan zum Thema Kirche und Taufe wäre gut. Aber: Irgendwie ist mir nichts eingefallen, was wirklich passte. Da habe ich gemerkt: Das lässt sich nicht auf ein plakatives Schlagwort reduzieren. Weil dieser Geist Gottes in den Getauften Christen unserer Gemeinde so vielfältig wirksam ist.
Darum habe ich gedacht: Schreibe doch einfach mal auf, wie du erlebst, dass Menschen in unserer Kirche ihre Taufe leben. So entstand in ein paar Minuten eine Liste, die viel zu lang für so einen Stempel war.
Für den Stempel habe ich sie dann noch mal kräftig kürzen müssen und habe einfach die Verben genommen. – Aber doch will ich diese Liste Ihnen am Ende meiner Predigt einfach mal vorlesen. Als kleinen Blick über unsere Kirchengemeinde, die heute den “Geburtstag” ihrer Hugenottenkirche feiert:
In unsren Kirchenmauern können Menschen Hoffnung schöpfen und Vertrauen wagen. Sie öffnen ihre Herzen, um Liebe zu empfangen und weitergeben, sie öffnen ihren Geist um Fragen zu stellen und Antworten zu suchen.
Wir erlauben uns Traurigkeit zulassen und wollen Tränen trocknen.
Im Miteinander wollen wir Konflikte aushalten, nach einem Streit einander die Hand reichen um gemeinsam Zukunft zu gestalten.
Wir öffnen unsere Augen, wollen die Schönheit der Schöpfung wahrnehmen, sie bewahren und dankbar frohe Lieder singen.
Vor Gott kann jeder sein Herz ausschütten, sich stärken lassen, wenn wir Brot und Wein teilen um dann mit Kraft, Liebe und Besonnenheit seinen Weg weiterzugehen.
Wir scheuen uns nicht Enttäuschungen zu riskieren und Verantwortung zu über-
nehmen.
Wir wollen unseren Kindern von unserem Glauben erzählen, fleißig an Gottes Reich mitbauen und uns dabei selbst nicht zu wichtig nehmen.
AMEN