Predigt: Nachfolge heißt: Prioritäten setzen! (Lukas 14, 25-33) 15. Juli 2001

Liebe Gemeinde, stellen sie sich vor, wir wären damals dabeigewesen, als Jesus durch Galiläa zog: er hatte von Gott erzählt und das Gleichnis vom großen Festmahl erzählt. Davon, dass Gott ist wie einer, der nicht nur die besonderen – die geladenen Gäste – auf seinem Fest haben möchte, sondern der alle haben will. Darum holt er alle möglichen Leute von den Straßen und von den Zäunen weg hinein in sein Haus, wo er mit ihnen dann feiern wird.
Jesu Zuhörer waren angetan… von ihm als Person… von seinen Wundertaten… von dem, was er über Gott sagte. Sie waren neugierig, was als nächstes kommen wird. Darum läuft ihm eine ganze Menschenmenge hinterher. Heutzutage würde man sie Fans nennen. Gar keine Frage: Jesus war enorm beliebt.
Als Jesus so durch die Straßen ging und die Leute sich hinterher ihm drängten, blieb er stehen und drehte sich zu ihnen um.
Was er da dann sagte, steht im Lukasevangelium, im 14. Kapitel:

Es ging aber eine große Menge mit ihm; und er wandte sich um und sprach zu ihnen: Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder, Schwestern und dazu sich selbst, der kann nicht mein Jünger sein.
Und wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein.
Denn wer ist unter euch, der einen Turm bauen will und setzt sich nicht zuvor hin und überschlägt die Kosten, ob er genug habe, um es auszuführen?
Damit nicht, wenn er den Grund gelegt hat und kann’s nicht ausführen, alle, die es sehen, anfangen, über ihn zu spotten, und sagen: Dieser Mensch hat angefangen zu bauen und kann’s nicht ausführen.
Oder welcher König will sich auf einen Krieg einlassen gegen einen andern König und setzt sich nicht zuvor hin und hält Rat, ob er mit Zehntausend dem begegnen kann, der über ihn kommt mit Zwanzigtausend? Wenn nicht, so schickt er eine Gesandtschaft, solange jener noch fern ist, und bittet um Frieden.
So auch jeder unter euch, der sich nicht lossagt von allem, was er hat, der kann nicht mein Jünger sein.

Liebe Gollhöfer!
Ich spare uns die Frage, was für ein Gesicht die gemacht haben die um Jesus herumstanden. Sie brauchen nur daran denken, welches Gesicht sie selbst (zumindest innerlich) gezogen haben als sie die ersten Verse gehört haben: fragende Gesichter, zweifelnde Minen, nach oben gezogene Augenbrauen, oder ein gequältes Lächeln. „Das kann doch nicht wahr sein, das kann doch nicht Ernst von Jesus sein. Zuerst lädt er alle ein, und dann diese Worte:“ Jeder unter euch, der sich nicht lossagt von allem, was er hat, der kann nicht mein Jünger sein. „Das ist ja fast schon wieder ein Rausschmiss.“
Einige bei uns in der Kirche würden solche Predigttexte wohl am liebsten in den Giftschrank sperren: so was passt nicht zum Konzept einer „Kirche für alle“ mit niederschwelligen Angeboten für kirchlich mittel-interessierte Menschen.
Jesus legt in diesen Worten die Latte zur Nachfolge hoch, wenn er davon spricht: wer sich nicht los sagt von allem, was er hat, der kann nicht mein Jünger sein.

Und was wahrscheinlich noch schwerer wiegt: Jesus redet vom hassen. Da komm ich nicht drum herum; es steht nun mal so da: Ein Jünger soll seine Familie und sich selber hassen. – Da frage ich mich: bin ich hier noch in der richtigen Bibel? Ist das der gleiche Jesus, der von der Nächstenliebe spricht, von Vergebung, von Gemeinschaft?

Es ist nicht zu verstehen –  Bei Jesus kommt es ganz anders als erwartet. Statt die Menge der Menschen um ihn herum weiter für sich zu begeistern verprellt er sie mit einem unglaublich hohen Anspruch und kaum verstehbaren Forderungen.
Aber wir sind nicht hier zusammengekommen um über solche Worte zu jammern, sondern um sie zu verstehen. Ich denke es ist ganz sinnvoll diese kurze Rede Jesu nicht gleich bei diesen spitzen Hörnern anzupacken, sondern an einer Stelle, wo uns der Einstieg leichter fällt: bei dem Beispiel von jemanden, der sich einen Turm bauen will.

Das Beispiel vom Turmbau

Es geht darum einen, der einen Turm bauen will. Vielleicht einen Wachturm für seinen Weinberg. Für so ein anspruchsvolles Projekt muss er schon lange vor dem ersten Spatenstich überlegen: Wie soll der Turm aussehen, wie viel Geld brauche ich, was kann ich selber bezahlen und woher bekomme ich einen Kredit? Erst wenn die Finanzierung sicher ist, wenn der Bauherr weiß, worauf er sich einlässt, kann er mit seinem Projekt beginnen.
Wer vor lauter Begeisterung einfach mit dem Bauen anfängt, dem kann es passieren dass er schon an der Oberkante des Kellers den Bodensatz in seinem Geldbeutel sieht. Dann geht es nicht mehr weiter, zurückbleibt eine Bauruine, über die jeder spottet, der vorbei läuft. So ein bitteres Scheitern kann man vermeiden wenn man eben vorher nachdenkt und die Kosten überschlägt.

Dieses Beispiel hält Jesus seinen Anhängern vor die Nase. Er fragt sie:“ seid ihr euch im Klaren darüber, auf was ihr euch einlasst, wenn ihr mir nachfolgt? Überlegt es euch gut… ich will keine Fans, sondern Jünger. Ich brauche Leute, die mit mir mitgehen und auch entsprechend in ihrem Leben Prioritäten setzen.
Ja, um die Prioritäten geht es! Was ist ganz obenauf der Liste, und was ist zweitrangig und drittrangig in meinem Leben? Dem oberen Ziel muss alles andere untergeordnet werden. Die Schlüsselfrage lautet da “ verträgt sich dies oder jenes mit meinem Ziel?“
Beispielsweise: Verträgt es sich mit der Finanzierung meines Hauses, wenn ich noch Schulden für ein schickes Auto aufnehme? Wenn es schief geht, wenn es sich nicht verträgt, dann ist dann schnell beides futsch: Haus und Auto.

Also: Jesus fordert von seinen Jüngern: wenn ihr mir nachfolgen wollt, dann soll das das erste Ziel in eurem Leben sein.. Alles andere ist zweitrangig und ihr müsst nachzusehen, ob es sich mit diesem Ziel verträgt.

Auch heute Prioritäten setzen?

Der Predigttext redet nicht nur zu den Jüngern von damals, sondern auch zu uns. Durch ihn fragt Jesus auch bei uns nach, seid ihr euch im Klaren auf was ihr euch einlasst mit dem Glauben? Seid ihr bereit, alles dem Vertrauen auf Gott unterzuordnen?

Diese Antwort haben immer wieder Menschen mit einem ja beantwortet.
Manche von ihnen haben das ganz radikal getan.
– Unter den ersten Christen vor zweitausend Jahren waren radikale Wanderprediger. Sie haben versucht ihr Leben auf das Notwendigste zu beschränken, haben von Jesus gepredigt und alles andere als nutzlos abgelehnt.
– Der Apostel Paulus gehört zwar nicht zu ihnen, aber auch er hat ganz klar in seinem Leben Prioritäten gesetzt: um in ganz Europa von Jesus weiter sagen zu können, hat der auf vieles, wie eine Familie oder ein festes Einkommen, verzichtet.
– Ähnlich ist das heute noch bei Diakonissen und Ordensleuten.
– Eine ganz moderne Version davon sind die Jesus-Freaks. Junge Leute, oft aus der Rockmusik-Szene, manchmal mit einer Drogenkarriere hinter sich, die zum Glauben gekommen sind und ganz entschieden ihr Vertrauen auf Gott in ihrem Leben obenanstellen.
Bei allen diesen Leuten ist es ganz offensichtlich: sie haben in ihrem Leben einen Schnitt gemacht, und von da an ihr Leben dem großen Ziel – dem Glauben – untergeordnet.

Aber die Frage „verträgt sich dies und jenes mit meinem Ziel“ muss nicht immer heißen, dass alles andere abgelehnt wird.
– Paulus war wohl eng befreundet mit dem Ehepaar Aquilla und Priscilla. Sie waren verheiratet, möglicherweise wohlhabend, und dennoch engagierte Christen. Der Glaube hatte oberste Priorität, sie haben sich wohl selbst überlegt, ob das verheiratet sein, ob ihr Reichtum, ob ihr Lebensstil sich mit ihrem Glauben vertragen kann. Und sie gestalteten dann ihr Leben dem Glauben gemäß.
– Und wir Evangelischen haben mit Martin Luther auch einen ganz profilierten Vertreter dieser Gruppe. Anders als Paulus hat er für sich entdeckt, dass sich das heiraten mit seinem Glauben gut verträgt, genauso wie das Wittenberger Bier und ein Schweinebraten.

Dass sie mich nicht falsch verstehen: Martin Luther war deshalb kein halbseidener Christ im Vergleich zu Paulus.  Beide haben sich die gleiche Frage gestellt: “ Was verträgt sich mit meinem Glauben?“
– Für Paulus lautete die Antwort: zu heiraten verträgt sich nicht mit meinem Auftrag als Missionar.
– Luther hat erkannt: die klösterliche Selbstbeschränkung verträgt sich nicht mit einem Leben im Vertrauen darauf, dass Gott ohne meine Leistung mich annimmt.

Entscheidungen sind dran!

Aber Vorsicht: selbst wenn Luther und Paulus so verschieden waren – die Entscheidung, was sich mit dem Glauben verträgt ist nicht beliebig. Beide sind Jesus Christus nachgefolgt und haben jeweils entschieden: „das ist für mich wegen meines Glaubens dran – auch wenn es mir nicht leicht fällt“.
Prioritäten setzen – Entscheidungen fällen – das fordert Jesus von seinen Jüngern in diesem Predigttext.

Jesus spitzt diese Forderung zu und sagt letztlich: Wenn du prüfst, was in deinem Leben sich mit dem Glauben verträgt, dann kann das Folgen  haben für dein eigenes Leben oder für das Verhältnis zu deiner Familie.
Dieser anstößige Satz mit dem „Hassen der Eltern“ ist vielleicht verständlicher, wenn ich ihn in einer neueren Übersetzung vorlese: dort heißt es “ wenn einer mit mir gehen will, so muss ich für ihn wichtiger sein als alles andere in seinem Leben. Wichtiger als seine Eltern, seine Frau, seine Kinder, seine Geschwister, ja wichtiger als das Leben selbst.“
Eine Forderung die hart klingt. Aber es geschieht wohl eher selten, dass eigene Glaube dazu führt, dass man sich mit der eigenen Familie überwirft. Viel öfter aber erinnert mich dieser Satz daran, in den Kleinigkeiten meines Lebens, bei meinen Eigenheiten und Besonderheiten zu prüfen: „Verträgt sich das noch mit meinem Glauben“ – und dann auch Abschied zunehmen von Dingen, die dem Glauben, meiner Beziehung zu Gott, widersprechen. Das ist nie leicht, manchmal ein langes Ringen mit Rückschlägen. Gut zu wissen, dass Gott mir gerade auch bei meinen Niederlagen nahe ist und wir immer wieder neue Kraft gibt.
Amen

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