Predigt zum Partnerschaftssonntag: Das Thema AIDS in Ostafrika , 3.Februar 2002

Liebe Gemeinde,

manche sehr komplexe Angelegenheiten werden ganz schnell schön handlich und übersichtlich, wenn man sie mit Hilfe eines Schlagwortes vereinfacht.
So hat unsere Fürstin Gloria von Thurn und Taxis vor einiger Zeit in einer Talkshow es versucht, die Aids-Problematik in Afrika auf einen simplen Nenner zu bringen:
„der Schwarze schnackselt nun mal gerne“.
Vielleicht erinnern sie sich noch, dass die Fürstin für diese vereinfachende Aussage in allen möglichen Zeitungen Prügel bezogen hat. Sie selbst hat die ganze Aufregung gar nicht so recht verstanden. Denn schließlich ist es ja sonnenklar: wo Menschen es mit der Sexualität recht locker handhaben, da hat AIDS die besten Chancen.

Ohne Frage: Da steckt viel wahres drin.
Aber  gerade so eine Partnerschafts-Sonntag mit Tansania kann uns klar machen, dass wir im gleichen Boot sitzen.
Denn bei Leibe nicht alle Schwarzafrikaner sind ausschweifend lebende Zeitgenossen.
Und eine frisch verheiratete Massai-Ehefrau kann eben nicht alles über ihren Mann , sein Vorleben oder auch sonstigen Lebenswandel wissen, und da können deutsche Ehefrauen auch keine Garantie geben – zumindest wenn man die Fremdgeh-Statistiken deutscher Zeitschriften betrachtet.

Und wer von uns wer von uns verlangt schon vom Partner einen Aids-Test ….?
Und ist ihnen schon einmal aufgefallen, dass wir so gut wie nie davon hören, dass jemand aus unserer Gegend an Aids gestorben ist. – man spricht halt nicht drüber, es war eben eine Lungenentzündung.
Im Verdrängen dieser tödlichen Krankheit sind wir und unsere afrikanischen Geschwister so etwa gleich gut.

Es ist vielleicht doch komplizierter, als die Fürstin Gloria gerne hätte.
Vor über einem Jahr hat der ökumenische Rat der Kirchen ein Aktionsbündnis gegen AIDS ins Leben gerufen. Die Missionswerke haben sich diesem Bündnis angeschlossen, weil sie ständig mit der Not konfrontiert werden, die Aids über viele arme Länder gebracht hat und bringt.

Und dieses Elend kann uns als Christen – als Partner unserer Geschwister in Tansania – nicht egal sein. Als Kirche verstehen wir uns als ein Leib, dessen Haupt Jesus Christus ist. Paulus hat gesagt: „leidet nun ein Teil des Körpers, dann leiden alle mit“. Wenn eines der Glieder am Leib Christi von Aids in Bedrängnis gebracht wird, betrifft uns das… denn wir alle gehören zu dem einen Leib.

Was unsere Partner in Tansania bewegt und vor schier unüberwindliche Aufgaben stellt, das sollten wir nicht ignorieren oder als nebensächlich abtun. Wenn wir in diesem Gottesdienst dieses heikle Thema aufgreifen, geht es nicht darum schnell eine einfache Lösung von der Kanzel herunter zu predigen. Die gibt es nämlich nicht.

Es soll uns mit hinein nehmen in das Problem unserer Glaubensgeschwister, als Menschen, die deren Problem ernst nehmen und tun, was ihnen möglich ist – durch Gebet und auch durch tatkräftige Hilfe. Sie sollen merken, dass wir um sie wissen, und sie nicht verurteilen

Da muss ich an Jesus denken, der sich auch denen zugewandt hat, die Aussätzig waren, wo Menschen sich davor ekelten, auch Angst hatten, sich anzustecken. Und Jesus hat keine Vorhaltungen gemacht. Anders als die Pharisäer hat er nicht nach der Sünde gesucht, für die die Krankheit die Strafe sein könnte.

Ein schönes Zeichen für ein Kirche auf diesem Weg sind Abendmahlgottesdienste, wie Sie einzelne Gemeinden auch in Deutschland speziell für Aidsinfizierte anbieten.
Das sind Schritte auf dem Weg, den Paulus im Römerbrief (Römer 12, 10-17) uns vorzeichnet:
“ Die brüderliche Liebe untereinander sei herzlich. Seid nicht träge in dem, was wir tun sollt. Nehmt euch der Nöte der Heiligen an, übt Gastfreundschaft.
Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden . Seid eines Sinnes untereinander“

Liebe Gemeinde,
solche geschwisterliche Verbundenheit kann wachsen, wenn wir von den Nöten unserer Geschwister erfahren. Pfarrer Gerhard Richter aus Tansania war im vergangenen September in unserem Dekanat. Er hat beim Gemeindefest in Martinsheim gepredigt und Filme über die Massai gezeigt. In der letzten Woche kam ein Brief von ihm im Dekanat an in dem beschreibt er folgende Begebenheit:

„Als ich im Mai nach Deutschland abgereist bin, habe ich unseren Doktor aus dem diakonischen Zentrum verabschiedet. Er klagte über Mattheit und Abgeschlagenheit. Aber es sei wohl nur die viele Arbeit, meinte er. Er war ein sehr zuverlässiger und gewissenhafter Arzt, was hier nicht immer selbstverständlich ist. Er hat mich selbst mehrfach behandelt und einmal sogar am Kopf eine Platzwunde genäht.
Als ich im September wieder kam, wurde ich an sein Krankenbett gerufen. Er war bis zur Unkenntlichkeit abgemagert, sodass man den Eindruck hatte, das Größte an ihm sei sein Kopf.
Eines Sonntags würde ich noch vor dem Gottesdienst zu ihm gerufen um ihm das Abendmahl zu reichen. Er wurde dann auch nach Arusha ins Krankenhaus gebracht, was aus meiner Sicht überflüssig war. Zwei Wochen später haben wir ihn beerdigt. Seine Frau bleibt mit drei Kindern zurück. Bei der Beerdigung sprach keiner der drüber dass der Doktor Aids gehabt hat. Stattdessen wird umschreibend von einer langen anhaltenden Krankheit gesprochen, die schließlich zum Tod führte. Notfalls werden andere Krankheiten, die den geschwächten Körper rasch überwältigen als Todesursache präsentiert: Malaria, TBC oder Krebs.
Niemand spricht davon, dass die Frau sehr wahrscheinlich auch infiziert ist. Wer weiß, was aus den Kindern wird? Das Haus, dass sie sich bauen wollten, steht halb fertig unweit seines Grabes.“

Wo mich solche Nachrichten erreichen, ja eigentlich buchstäblich auch treffen, da bleiben mir dann die einfachen Lösungen im Halse stecken.
Fürstin Glorias „Schnackselspruch“ passt anscheinend doch überhaupt nicht.
Und ich selber spüre, wie solche einfachen Lösungen diesen Menschen Unrecht tun. Menschen, die manchmal nicht einmal wissen, wo sie sich angesteckt haben.

Für Pfarrer Richter ist dieser Fall typisch für seine Erfahrungen:

Im diakonischen Zentrum in MtoWaMbu führt eine Frau Beratungsgespräche über HIV. Dort werden auch Aids-Tests gemacht. Manche lassen sich testen, weil sie heiraten wollen, oder weil eine Schwangere ihr Kind schützen will.
Erschreckend: jeder zweite Test ist positiv. Diese Stadt ist ein gefährliches Pflaster“
Die christlichen Gemeinden sehen mit Aids eine enorme Herausforderung auf sich zukommen. Das Geld für ärztliche Hilfe ist knapp. Und manchmal stellt man sich die Frage, ob man die verfügbaren Mittel für die Behandlung der Aids-Kranken aufbrauchen soll, oder lieber für die Hinterbliebenen, die Witwen und Waisen.
Christlichen Gemeinden versuchen dort zu helfen, wo Kinder Waisen geworden sind, weil beide Eltern an Aids gestorben sind und keiner in der Verwandtschaft sich um sie sorgen kann.

Liebe Gemeinde,

in allem, was in diesen Meldungen auch beängstigend ist:
Es ist auch entlastend zu sehen, wie sich Gemeinden angesichts dieser Situation als Gemeinde Jesu Christi zeigen, die in seiner Nachfolge handeln.  Nächstenliebe üben, vorbehaltlos, wie es Jesus vorgelebt hat, wie der Apostel Paulus es uns ins Stammbuch schreibt:
“ Die brüderliche Liebe untereinander sei herzlich. Seid nicht träge in dem, was wir tun sollt. Nehmt euch der Nöte der Heiligen an, übt Gastfreundschaft.
Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden . Seid eines Sinnes untereinander“

Amen

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