Liebe Gemeinde,
manchmal wundere ich mich, dass es uns überhaupt noch gibt. Mit „uns“ meine ich unsere christliche Kirche. Schon viele Male haben Philosophen oder Ideologen das Sterbe-Glöcklein über der Kirche geläutet. Aber unterm Strich war es dann doch die Kirche, die sie beerdigt hat statt umgekehrt.
Sigmund Freud war es, der Kirchgänger wie sie und mich mehr oder minder zu Zwangsneurotikern gestempelt hat, die durch den wöchentlichen Gottesdienst irgendwelche inneren Defizitgefühle aufarbeiten müssten. Sein Resümee damals: Der moderne Mensch wird sich von solchen Zwängen befreien und dann auch keine Kirche mehr benötigen. Mit anderen Worten: Kaufen sie sich bloß keine Aktien von der Kirche, denn die werden in den nächsten Jahren ins bodenlose abstürzen, weil ihr Produkt keiner mehr sehen will.
Die EKD-Initiative
Doch wir sind immer noch da! Zwar jammern wir in der Kirche darüber, dass unsere Aktien nicht die allerbesten seien – weil nicht jeder von uns was wissen will – aber diese Klage gab es schon zu Luthers Zeiten.
Momentan gibt es in unserer Kirche mal wieder eine Aktion, um Kirche dem Volk ein bisschen näher zu bringen. Vielleicht haben sie die Plakate schon einmal entdeckt. Eines zum Beispiel lautet: „Woran denken Sie bei Ostern?“
a) Ferien
b) Cholesterin
c) Jesu Auferstehung
d) Langeweile mit der Familie
Falls sie die Antwort nicht wissen: Unten am Plakat finden sie die Nummer einer Telefon-Hotline, dort können sie gemeinsam mit einem kompetenten Pfarrer zum Ortstarif eine Antwort finden. Ja, ja, wir lassen uns schon das einfallen für unsere Schäfchen. Und es ist auch wichtig, dass die Leute wissen, wofür wir bei der Kirche stehen: Ob wir die Mannschaft zur Cholesterinsenkung oder Jesu Auferstehung sind.
Wozu ist Kirche gut?
Damit Kirche nicht ausstirbt, muss sie den Leuten schon sagen wozu sie gut ist. Ich selber habe in der Verwandtschaft jemanden, der mit dem Glauben nichts am Hut hat, aber mit guten Argumenten die Kirche trotzdem wichtig findet. Und da steht er nicht allein. Was sagen denn die Leute, wozu sie taugt, die Kirche?
(1) Erstens steht die Kirche, das Christentum, für bestimmte ethische Werte. Wir haben durch die Gebote Gottes und unser christliches Menschenbild relativ genaue Vorstellungen, von dem, was „gut“ und was “ böse“ oder “ schlecht“ ist. Und wenn heutzutage in Sachen Gentechnologie das Klonen von Menschen und Tieren abgelehnt wird, hat das viel mit unserem christlichen Gedankengut zu tun.
(2) Wir als Kirche sind ein sozialer Dienstleister, wir betreiben Kindergärten, Altenheime, Krankenhäuser, kümmern uns um Menschen in sozialen Notlagen. Auch wenn es heutzutage eigentlich Aufgabe des Staates ist; das Know-how liegt zu einem großen Teil immer noch bei uns.
(3) In der Kirche erlebt man eine Gemeinschaft, die man sonst immer seltener erfahren kann. Da spielt auch der Gottesdienst am Sonntagmorgen einen ganz wichtige Rolle.
(4) Die Seelsorge, der Bereich, wo wir Pfarrer gefordert sind. Wir sind zwar keine Psychologen oder Therapeuten. Aber im Gespräch mit Unsereinem kann für machen der Blick auf Gott auch einmal weiterhelfen, auch da, wo der Psychotherapeut passen muss.
(5) Ja, und dazu guter Letzt haben wir als Kirche in der letzten Zeit entdeckt, dass wir der Spezialist in “ Sinnfragen“ sind. Das woher, wohin und wozu des eigenen Lebens ist eine Frage, wo der Glaube sinnvolle Antworten parat hat.
Liebe Gollhöfer,
damit könnte ich jetzt meine Predigt eigentlich abschließen und zusammenfassend sagen: Wie gut, dass es die Kirche gibt! Ich habe da nur ein kleines Problem: Ich habe den Predigttext noch nicht gelesen! Denn dort steht etwas drin, was mich mit allen, was sich gesagt habe, in Frage stellt. Paulus klopft im 1. Korintherbrief bei mir an und erinnert mich daran, dass ich etwas ganz entscheidendes vergessen habe:
Ich lese 1. Kor 15, 19-16
Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen. Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind. Denn da durch einen Menschen der Tod gekommen ist, so kommt auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten. Denn wie sie in Adam alle sterben, so werden sie in Christus alle lebendig gemacht werden. Ein jeder aber in seiner Ordnung: als Erstling Christus; danach, wenn er kommen wird, die, die Christus angehören; danach das Ende, wenn er das Reich Gott, dem Vater, übergeben wird, nachdem er alle Herrschaft und alle Macht und Gewalt vernichtet hat. Denn er muß herrschen, bis Gott ihm »alle Feinde unter seine Füße legt« (Psalm 110,1). Der letzte Feind, der vernichtet wird, ist der Tod.
Liebe Gemeinde,
wenn wir nur das jetzige Leben auf der Erde im Blick haben, dann gehören wir zu denen, die völlig am Ziel vorbei gelaufen sind. – So sagt es Paulus.
Der Tod läßt alle Errungenschaften zerbröseln
Wenn ihr euch als Christen etwas auf eure ethischen Normen, auf euer soziales Engagement, euer Gemeinschaftsgefühl, eure Seelsorge oder euren Platz eins auf dem Markt der „Sinnanbieter“ einbildet, dann habt ihr eigentlich überhaupt nichts kapiert.
Der Wert eures Glaubens steht und fällt mit der Auferstehungshoffnung. Auf dem ersten Blick erscheint das furchtbar pauschal, was der Apostel Paulus da schreibt. Man hat den Eindruck, er fegt die guten Argumente, die ich Ihnen vorher dargelegt habe einfach so vom Tisch. Und dabei ist er ja nun wirklich kein undifferenziert denkender Teenager, für den etwas entweder „supertoll“ oder „voll assig“ ist.
Er hat offensichtlich abgewägt, was für den Glauben spricht und kommt zu einem ganz nüchternen Ergebnis: Alles, was der Glaube für unser Leben bringt, endet spätestens mit dem Tod. Angesichts des Todes zerfällt dann jede christliche oder kirchliche Errungenschaft zu Staub.
Wenn es keine Hoffnung auf das Leben nach dem Tod gäbe, dann wären wir die elendsten unter den Menschen, weil wir auf Dinge gebaut haben, die dann letztlich doch nicht von Dauer sind.
Das Paradigma von Adam und Christus
Der Apostel Paulus möchte in diesem Predigttext mit Adam und Christus deutlich machen, wo der Weg entlang geht, der zur Auferstehung der Toten führt. Adam – mit ihm hat das ganze Schlamassel angefangen. Er ging als Mensch plötzlich eigene Wege, er fragte nicht nach Gott und dessen Fürsorge. Er wollte ohne Gott genauso schlau sein, und setzte sich über dessen Gebote hinweg.
Die Folge war der Verlust des Paradieses – von nun an gehörte der Tod zum Leben dazu. Wie ein Fluch haftet er von da an an allen Menschen. Er macht am Ende eines Lebens alles zunichte, was war. Alle nachfolgenden Generationen bis zu uns müssen mit diesen Bedingungen unserer Existenz fertig werden.
Der alte Begriff von der „Erbsünde“ macht das ganz anschaulich: Der Tod wird immer weiter vererbt; keiner kann sich ihm entziehen. Sowie durch diesen einen Adam der Tod zu uns kam, so kam durch die eine Person Jesus Christus die Auferstehung der Toten als Möglichkeit in unsere Welt. So war es Gottes Entscheidung: Jesus Christus sollte der erste sein, der den Tod überwinden sollte. Der Erstling, der Pionier. Durch ihn ist die bislang unüberwindliche Macht des Todes gebrochen.
Am Kreuz hat er sich der Wirklichkeit des Todes gestellt. Und am Ostermorgen hatte er den Tod besiegt.
Unser Altar von Johann Auwera schlägt ja diesen Bogen von Adam zu Christus. Am Fuß des Kreuzes liegt der Adamsschädel. Durch ihn ist der Tod in die Welt gekommen. Sogar die Schlange, die Adam und Eva damals in Versuchung geführt hat, schlängelt sich noch um den Kreuzesstamm. Und am Kreuz hängt Jesus Christus der den Tod besiegt hat.
Keine Erb-Auferstehung
Paulus schreibt von einer Reihenfolge der Auferstehung: Jesus Christus war der erste und danach kommen die, die ihm angehören. Bei dem Tod gibt es die Logik: Wir erben den Tod – einfach so, weil wir als Menschen geboren sind. Bei der Auferstehung wird der Toten gibt es eine andere Logik: Auferstehen werden die, die Jesus angehören. Nicht die Zugehörigkeit zur Spezies Mensch macht uns zu Auferstehungskandidaten, sondern die Zugehörigkeit zu Jesus Christus. Und zu Jesus Christus gehöre ich, wenn ich getauft bin und an ihn glaube.
Das ist für Paulus eine Bedingung, und die wir Menschen nicht herum können.
Wozu Kirche
Liebe Gemeinde,
Ich möchte noch einmal zu diesem Plakat zurückkommen. Liebend gerne würde ich dieses Plakat ein bisschen umgestalten:
Woran denken sie bei Ostern? Mein Vorschlag: 2 Kästchen zum ankreuzen!
Jesu Auferstehung und Auferstehung der Toten – das scheint da irgendwie jemand vergessen zu haben!
Und drunter würde ich schreiben: Lassen Sie uns gemeinsam Glauben leben, damit auch sie etwas von der Auferstehung der Toten haben.
Amen