Predigt: Wenn Rechtfertigung eine Beziehung prägt (Galater 3, 1-5) Pfingstsonntag, 19. Mai 2002

Liebe Gemeinde,

ich möchte Ihnen von einer jungen Liebe erzählen: das frisch verheiratete Paar nenne ich einfach einmal Sabine und Martin. Beide haben sich vorgenommenen, ein Leben lang zusammen zu bleiben und den anderen liebevoll zu begegnen und dem anderen niemals weh tun zu wollen. „Wir wollen nichts falsch machen.“
Es lief über einige Monate ganz hervorragend – ein echtes Traumpaar – kein Streit, kein böses Wort, alles wunderbar. Bis dieser Tag kam, an dem Martin etwas schlecht gelaunt von der Arbeit heim kam. Sabine hatte Geschnetzeltes mit Reis gekocht. Martin sagte nicht, was ihn den Tag über geärgert hatte, er wollte seine Liebste nicht damit belasten. Stattdessen  stocherte er lustlos im Abendessen herum. Sabine fragte „was ist los?“. Aber als Antwort kam nur ein kurzes Knurren.
Am nächsten Morgen, als Martin ins Büro gegangen war, setzte sich Sabine an den Küchentisch und schlug ein kleines Heftchen auf. „Kein Geschnetzeltes mit Reis kochen, das mag Martin nicht“, das war der erste Eintrag in ihr Merkheft für eine gute Ehe..
Ja – Sabine meinte es sehr sehr gut mit ihrem Mann. Auf keinen Fall wollte sie ihn ärgern oder verletzten. Alles wollte sie so tun wie es ihm gefällt.

Martin war ein genau so vorsichtiger Zeitgenosse wie seine Frau. Da war es schon fast ein Wunder, dass ihm einmal eine unvorsichtige Bemerkung herausgerutscht ist, als Sabine mit einer Freundin relativ lange telefoniert hatte. Das hatte sie gekränkt, aber sie wollte ihm nichts davon zeigen, statt dessen kam wieder eine Notiz in ihr Heftchen: „lieber nur noch ganz kurz mit Freundinnen telefonieren“.
Und Martin? Er hatte bemerkt, dass er sie damit getroffen hatte, und er schwor sich, nie wieder über das Telefon zu reden, und brachte am nächsten Tag einen großen Blumenstrauß mit.
„Dankeschön mein Schatz, warum denn das?“ fragte sie ganz freudig. Aber Martin sagte nichts dazu. Denn er wollte ja auch nichts falsch machen. Und Sabine überlegte sich, ob die Blumen vielleicht deshalb da standen, weil sie zu wenig für den Blumenschmuck im Wohnzimmer sorgte.

Bei unserem Traumpaar Sabine und Martin wollte keiner etwas falsch machen. Keiner wollte den anderen um Verzeihung bitten müssen. Keiner wollte einmal zugeben müssen, dass der eine Fehler gemacht hat. Und die beiden wurden immer vorsichtiger in allem was sie taten und sagten. Bis sie am Schluss kein Wort mehr miteinander redeten und sich kaum mehr bewegten. – So schön kann Liebe sein –

Liebe Gemeinde,
in Beziehungen werden wir Menschen immer wieder Fehler begehen. Wir werden aneinander schuldig werden, auch wenn es gar keine Absicht ist. Das ist ganz normal und menschlich. Wenn wir einander Fehler eingestehen können, wenn wir um Verzeihung bitten können, und wenn wir anderen auch verzeihen können, dann ist das eigentlich auch kein Problem. Dann kann man sich auch wieder in die Augen sehen.
Tragisch wird es dann, wenn wir glauben, wir müssten alles perfekt können und dürften uns keine Fehler leisten. Denn dann beginnt eine gefährliche Spirale, so ähnlich wie bei Sabine und Martin.

Kann man das auf das Verhältnis von uns Menschen zu unserm Gott übertragen? Oder müssen wir gegenüber dem heiligen Gott absolut fehlerlos unser Leben hinbekommen? Uns an alle kleinen und großen Gebote und Gesetze der Bibel halten?
Im Predigttext zum heutigen Tag streitet Paulus mit der Gemeinde in Galatien um genau dieses Thema:
Ich lese aus dem dritten Brief an die Galater:
O ihr unverständigen Galater! Wer hat euch bezaubert, denen doch Jesus Christus vor die Augen gemalt war als der Gekreuzigte?
2 Das allein will ich von euch erfahren: Habt ihr den Geist empfangen durch des Gesetzes Werke oder durch die Predigt vom Glauben?
3 Seid ihr so unverständig? Im Geist habt ihr angefangen, wollt ihr’s denn nun im Fleisch vollenden?
4 Habt ihr denn so vieles vergeblich erfahren? Wenn es denn vergeblich war!
5 Der euch nun den Geist darreicht und tut solche Taten unter euch, tut er’s durch des Gesetzes Werke oder durch die Predigt vom Glauben? (Gal 3, 1-5)

Liebe Gollhöfer,
so klingt Paulus wenn er in Rage ist. Er ist wütend. Es ist noch nicht lange her, dass er in der Provinz Galatien christliche Gemeinden gegründet hat. Das Evangelium hat er verkündet und den Menschen gesagt: „durch den Glauben an Jesus Christus werdet ihr Gottes Kinder. In der Taufe erhaltet Ihr den Heiligen Geist, er wird euch helfen euer Leben richtig zu führen, bis Gottes Reich kommt“.
Aber kaum hatte er diese Gemeinden verlassen, kamen andere Missionare dorthin. Die sahen die Begeisterung für den Glauben in diesen Gemeinden, und sie legten nach: „Das ist der alles schön und gut, dass ihr auf Gott vertraut. Aber damit Gott euch anerkennt, müsst ihr die Gebote unseres Gottes ganz genau befolgen. Die Zehn Gebote, und die Satzungen des Volkes Israel, die in der Bibel stehen: die Speisevorschriften, die Regeln zu den Opfern, die jüdischen Feste und die Beschneidung. Wenn ihr euch nicht daran haltet, wird euch Gott nicht annehmen. – Ganz einfach.“ – Die Galater waren von diesen Worten zutiefst verunsichert.

Wenn man es genau besieht, haben diese Missionare zu ziemlich genau das Gegenteil von dem behauptet, was Paulus ihnen damals gepredigt hat. Und in diesen Abschnitt versucht er seine Gemeinde in wieder auf seine Linie zu bekommen. Er erinnert sie daran:
„Wie war es denn, als ihr zum Glauben gekommen seid und Gott euch angenommen hat, euch den Heiligen Geist geschenkt hat ? Wie seid ihr denn Gottes Kinder geworden? War das bei eurer Taufe, als ihr euch einfach entschieden habt. Oder kam der Heilige Geist etwa erst, nachdem ihr alle Gebote des Alten Testaments befolgt habt?“

Für Paulus ist es sonnenklar: man gehört zu Gott nicht auf Grund seiner guten Werke, sondern weil man sein Vertrauen, seinen Glauben auf ihn setzt.

Wenn ich den Paulus so höre, merke ich das ich in einer ganz anderen Zeit lebe. Für uns Christen ist das, wofür Paulus hier gekämpft hat, zum Teil selbstverständlich: wir versuchen nicht durch Schlachtopfer Gottes Vergebung zu erhalten. Und die Speisegebote des Alten Testaments sind für uns bedeutungslos.
Aber trotzdem: ich spüre in mir schon immer wieder den Druck, Gott gegenüber alles richtig zu machen. Und mit dabei ist auch das Gefühl, dass ich dann, wenn es sehr gut läuft auch einer besonders guter Christ bin.
Mir geht’s zum Beispiel mit dem Sonntag oft so. Wenn es mir gelingt, ihn als besonderen Tag hochzuhalten, gar nichts tue, was irgendwie Arbeit aussieht, dann fühle ich mich irgendwie gut.
Oder wenn ich einmal nicht so knauserig war, und einem Bedürftigen etwas Gutes getan haben, habe ich für einige Zeit das Gefühl, zum Christen der Oberklasse aufzusteigen.

Wenn ich so denke, dann muss sich mir von Paulus sagen lassen: Lieber Pfarrer, da denkst du fleischlich, aber nicht geistlich.
Ja, sie haben mich schon richtig verstanden: fleischlich handeln, das hat für Paulus nichts mit  Fleischeslust zu tun. Fleischlich ist der ihn unser Handeln, wenn wir uns etwas auf unser eigenes Können und Tun einbilden. Wenn du glaubst, durch gute Taten vor Gott gut dazustehen, dann ist das fleischliches Verhalten.
Geistliches Verhalten ist es, wenn ich allein auf Gottes Gnade hoffe; ohne auf eigene Verdienste zu bauen.

Der Apostel ist da absolut unnachgiebig. Schon gleich im ersten Vers unseres Predigttextes ist zeigt er auf Jesus: “ ich habe euch doch Jesus Christus als den Gekreuzigten vor Augen gemalt“ – als denjenigen, der für eure Verfehlungen schon gestorben ist. Er hat euch mit Gott versöhnt. Eure guten Werke sind darum überflüssig geworden.
Euer Glaube, eure Zugehörigkeit zu Jesus Christus, das ist der Maßstab, der vor Gott gilt. Darum seid ihr auch nicht dem Gesetz des Alten Testaments unterworfen.

Wenn ihr glaubt, dass ihr durch eure guten Werke vor Gott gerecht sein könnt, dann ist Jesus umsonst gestorben, dann braucht ihr euch nicht Christen nennen. So einfach ist die Rechnung des Paulus.

So, und was kommt unterm Strich bei dieser Rechnung heraus?
„Mach, was willst…. Gott ist es sowieso egal?“

Nein, ganz bestimmt nicht. Das merken wir spätestens, wenn wir zurück zu unserm Beispiel vom Anfang kommen. Zu Sabine und Martin, unserm Liebespaar. Das möchte ich noch einmal herholen, denn auch die Beziehung von Gott zu uns Menschen ist letztlich eine Liebesbeziehung.

Stellen wir uns vor, dass sich die beiden, – Sabina und Martin –  aus der Lähmung der Über-Vorsichtigkeit befreit haben. Sie haben sich ausgesprochen und gelernt:
Es kann passieren, dass wir aneinander schuldig werden,
und wir können auch einander verzeihen.
Heißt das, dass Martin künftig bei jeder Gelegenheit genau das Gegenteil von dem tun wird, was seine Frau möchte? Nein, wenn diese Beziehung intakt ist, werden sie weiterhin darauf achten einander nicht weh zu tun. Sie werden Fantasie aufwenden und das tun wollen, was dem anderen und ihrer Beziehung gut tut. Aber wenn einmal etwas schief geht, wird einer den anderen um Entschuldigung bitten und Vergebung empfangen.
Und vielleicht werden sie dabei spüren, das es  nicht der vorauseilende Gehorsam ist, der sie verbindet, sondern die Liebe zueinander, die eben auch Verletzungen übersteht.

Unsere Beziehung zu Gott kann da ganz ähnlich aussehen.
Wir dürfen uns von unserer Bibel sagen lassen:
Gott verurteilt und beurteilt uns nicht nach unseren Taten.
Aber der Heilige Geist, den wir als Glaubende haben, wird uns leiten damit wir das Rechte tun.

An Pfingsten feiern wir den Heiligen Geist. Die Kraft Gottes, mit der er uns ermöglicht, so zu handeln, wie es unserer Beziehung zu Gott entspricht.

Aus dieser Kraft Gottes können wir ohne Angst vor Fehlern den Weg des Glaubens beschreiten. Ich wünsche uns, dass uns dieser Tag wieder Mut dazu macht, auch unsere Beziehung zu unserm Gott zu gestalten.

Amen

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