Symbolpredigt: Die Christbaumkugel hat Geburtstag (Galater 4, 4-7) 24. Dezember 2007, Erster Weihnachtstag

LiebeChristbaumkugel Gemeinde,

die Christbaumkugel feiert heuer ihren 160. Geburtstag. Im thüringischen Glasbläser-Dorf Lauscha wurde sie sozusagen erfunden. Die Legende erzählt, dass ein armer Glasbläser zu wenig Geld hatte, um seinen Weihnachtsbaum mit Äpfeln und Walnüssen zu schmücken. Mit glitzernder Gold- oder Silberfolie hatte man sie damals eingewickelt. Aber dazu fehlten dem armen Mann die Mittel. So machte er aus der Not eine Tugend und blies kleine Glaskugeln, die er dann durch eine Bleibeschichtung an der Innenseite silbern glänzend machte.

Ob die Legende wahr ist? Auf jeden Fall wurden von da an die ersten silberglänzenden Christbaumkugeln in Thüringen hergestellt und verkauft. Zunächst nur im geringen Stückzahlen: Die erste heute noch erhaltene Rechnung aus dem Jahr 1848 berichtet lediglich von sechs Dutzend Christbaumkugeln.

Zwei Personen ist es zu verdanken, dass Christbaumkugeln heute an drei Viertel aller deutschen Weihnachtsbäume hängen:
Der erste ist Justus Liebig, der Chemiker. Er hat nicht nur „Maggi“ erfunden, sondern auch eine neue Methode entwickelt, Christbaumkugeln statt mit giftigem Blei mit ungefährlichem Silbernitrat zu verspiegeln.
Der zweite ist Frank Woolworth, der ab 1880 Christbaumkugeln nach Amerika importierte und dort in seinen Warenhäusern als Massenprodukt bekannt machte. So begann der Siegeszug der Christbaumkugel.

DER ZERRSPIEGEL

Liebe Gemeinde,

eigentlich ist die Christbaumkugel ein gebogener Spiegel. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als kleiner Junge an Weihnachten ewig vor den grünen und roten Kugeln gesessen zu haben. Ganz dicht bin ich da hin und habe da reingeschaut. Und ich habe alles gesehen: Der ganze Baum von oben bis unten hat sich in der Kugel gespiegelt. Fast alle Kerzen konnte man darin sehen. Und natürlich ich mich selber auch. Nur ein bisschen anders als in einem normalen Spiegel. Ich hatte eine riesige dicke Knollennase, breite Bäckchen, eine fliehende Stirn, die Haare waren kaum zu erkennen, genauso wenig wie die Ohren.

Wer in die Christbaumkugel hinein schaut, sieht auf Grund der gewölbten Oberfläche alles völlig verzerrt. Das, was im Mittelpunkt ist, erscheint überdimensional groß, die Dinge am Rande werden verschwindend klein oder sogar unsichtbar.
Ist das nicht überhaupt bei Weihnachten so?
Dass sich die Dimensionen bei diesem Fest im Vergleich zum normalen Leben verschieben?
Dass Dinge im Zentrum plötzlich ganz groß werden und alles andere zu verdrängen scheinen?

Ich habe das im Dezember einmal bei einer Umfrage mit Schülern zum Thema Weihnachten bemerkt:
Da wurde deutlich: Die Geschenke sind das Zentrum, dann kommt lange nichts, dann wäre es schön wenn ein bisschen Schnee da wäre, die Familie sich versteht und es Plätzen gibt. Der Gottesdienst spielt auch eine Rolle: Er stört, weil er die abendliche Bescherung zeitlich nach hinten verschiebt.

Ja, so ist das mit dem gewölbten Spiegel: Das, was man ins Zentrum rückt wird ganz groß, der Rest eher vernachlässigbar.Und wer jetzt innerlich den Kopf schütteln möchteüber diese unmöglichen Gören, die ich da befragt habe, sollte zuvor sich selber fragen: Wie oft mein erster Gedanke beim Begriff Weihnachten: „Nur noch so und so viel Tage, ich muss ja noch Geschenke besorgen…“?

Natürlich könnte es auch ganz anders sein, wenn wir einfach den Mittelpunkt verschieben. Und uns dann überraschen lassen, wie sich sofort wiederum diese Perspektive verschiebt. Wenn ich tatsächlich die Geburt Jesu in den Mittelpunkt rücke. Die alte Weihnachtskrippe wieder aufbaue … falls im Wohnzimmer dafür noch Platz ist bei all den beleuchtbaren Weihnachtsmännern, Schwibbbögen oder vollelektronisch steuerbaren Lichterketten.

Ob das geht … wieder das Geschehen im Stall von Bethlehem in die Mitte zu rücken und groß werden lassen? Oder ist es nur eine Illusion, dass man sich den Weihnachtstagen zusammensetzt um auch daheim einmal Weihnachtslieder zu singen; die Weihnachtsgeschichte oder eine Weihnachtserzählung zu lesen?

DER ZERBRECHLICHE

Die Christbaumkugel lebt gefährlich. Hauchdünn ist ihre Glasschicht, ein halber Millimeter nur. Schon ein etwas unachtsamer Handgriff verwandelt das Kunstwerk in einem Scherbenhaufen. Die Christbaumkugel ist ein ganz
zerbrechliches Objekt, trotz allem ihrer Eleganz und Schönheit.
Damit passt sie eigentlich zu Weihnachten – denn es ist wohl auch das zerbrechlichste der Fest, das wir haben.

Mancher, der alles vorbereitet, seine Gäste einlädt, Verwandtenbesuche plant, der hat eine gewisse Ähnlichkeit mit einem thüringischen Glasbläser. Ganz vorsichtig muss man da bisweilen zu Werke gehen, darf nicht zu viel Druck ausüben, keine unerwarteten Aktionen starten, nirgends anstoßen. Bloß keine Empfindlichkeiten der Verwandten ansprechen, ja nicht die Idylle gefährden, nur keinen Streit anfangen – sonst schepperts!

Weihnachten ist zerbrechlich!

Wen wundert? Schließlich ist auch die Botschaft von Jesus Christus eine ganz zerbrechliche: Als kleines, hilfloses Kind wird er geboren. Nur knapp entkommt er seinen Verfolgern, die König Herodes beauftragt hat. Als Erwachsener findet er viele Anhänger, aber die Mehrzahl der Menschen nehmen ihn nicht wahr oder nehmen ihn nicht ernst. Im Garten Gethsemane, bei seiner Verhaftung, letztlich am Kreuz wird die Zerbrechlichkeit dieses Gottessohnes unübersehbar.

Genauso empfinde ich meinen eigenen Glauben als einen zerbrechlichen. Er nicht unerschütterbar, kennt offene Fragen und Zweifel. Da ist es wohl gut, wenn ich mit meinem Glauben so umgehe wie mit einer Christbaumkugel: vorsichtig, behutsam.
Und ich werde aufpassen, dass nicht irgendjemand unqualifiziert darauf herum trommelt, der davon keine Ahnung hat.
Einem Zweijährigen würde ich keine wertvolle Christbaumkugeln die Hand zum spielen geben – denn ich weiß, was passieren würde
Da frage ich mich, warum Menschen manchmal recht leichtfertig solchen Leuten Gehör schenken, die ohne Sachverstand aus reiner Dummheit oder manchmal auch Bosheit, versuchen den christlichen Glauben lächerlich zu machen.

DER PARADIESBAUM

Liebe Gemeinde,
ich möchte zum Schluss noch einmal zurück zum Ursprung der Christbaumkugel. Ich habe davon erzählt, dass in früheren Jahrhunderten mit Silberfolie umwickelte Äpfel am Weihnachtsbaum hingen.  Denn der Weihnachtsbaum wurde als Symbol für den Baum in Paradies verstanden. Der Baum, der im Garten Eden stand, mit den Früchten, die so gut zu Essen aussahen. Er erinnerte an Adam und Eva, die nicht auf Gottes Verbot geachtet haben und darum aus dem Paradies vertrieben wurden. Der Sündenfall – das Ur-Problem von uns Menschen – stand in Form des Christbaums im Wohnzimmer der Menschen der vergangenen Jahrhunderte.
Weihnachten und Sündenfall? Dass das zusammen?
Na klar! Denn Weihnachten ist Gottes Antwort auf dem Sündenfall.

Seit Adam und Eva zieht sich das Problem zwischen Gott und Menschen als roter Faden durch die Geschichte: Dass Menschen Gott nicht verstehen oder nicht verstehen können, dass es ihnen schwer fällt, seinem Wort zu folgen.Propheten versuchten in Gottes Auftrag immer wieder zu vermitteln, und sind letztlich doch gescheitert.

So ist die Geburt seines Sohnes in unsere Welt hinein Gottes letztgültige Antwort. Der Predigttext für den ersten Weihnachtsfeiertag versucht es deutlich zumachen:

„Aber zu der von Gott festgesetzten Zeit sandte er seinen Sohn zu uns. Christus wurde wie wir als Mensch geboren und den Forderungen des Gesetzes unterstellt.  Er sollte uns befreien, die wir Gefangene des Gesetzes waren, damit Gott uns als seine Kinder annehmen konnte.  Weil ihr nun seine Kinder seid, schenkte euch Gott seinen Heiligen Geist, denselben Geist, den auch der Sohn hat. Deshalb dürft ihr jetzt im Gebet zu Gott sagen: «Lieber Vater!»
Ihr seid nicht länger Gefangene des Gesetzes, sondern Kinder Gottes. Und als Kinder Gottes seid ihr auch seine Erben, denen alles gehört, was Gott versprochen hat. (Galater 4, 4-7, “Hoffnung für Alle”)

Darum steht ein Paradies-Baum seit Jahrhunderten in unserem Wohnzimmer an Weihnachten: Weil er uns daran erinnert, dass wir durch Jesus Christus und durch den Glauben man ihn Gottes Kinder sein dürfen.

Amen

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