Predigt zur 1. Korinther 1, 26f.: Weshalb Gott nicht immer den Besten, den Schönsten und den Beeindruckendsten sucht.
Predigttext 1. Korinther 1, 26-31: 26 Seht doch, liebe Brüder, auf eure Berufung. Nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Mächtige, nicht viele Angesehene sind berufen. 27 Sondern was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er die Weisen zuschanden mache; und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er zuschanden mache, was stark ist; 28 und das Geringe vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt, das, was nichts ist, damit er zunichte mache, was etwas ist, 29 damit sich kein Mensch vor Gott rühme. 30 Durch ihn aber seid ihr in Christus Jesus, der uns von Gott gemacht ist zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung, 31 damit, wie geschrieben steht (Jeremia 9 ,22.23): «Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn!»
Liebe Gemeinde,
es scheint ein grundlegendes Bedürfnis von vielen Menschen zu sein, dass man angenommen, geliebt, anerkannt, respektiert oder sogar ein bisschen bewundert wird. Und meistens tun wir auch einiges dafür.
Haste was, biste was
Psychologen sagen: Brave und liebe Kinder sind oft deshalb so lieb, weil sie gemerkt haben: Wenn ich lieb und nett bin, bekomme ich viel positive Zuwendung, werde gemocht und anerkannt. In der Welt der Erwachsenen muss man für den Respekt und die Anerkennung schon ein bisschen mehr tun. Das ist stark abhängig von der Situation und den Kreisen, in denen man sich eben bewegt. Um im Sportverein die Anerkennung und Respekt der anderen zu erwerben braucht man andere Fähigkeiten und Verhaltensweisen als in der Geschäftsführungsebene eines Unternehmens oder im Haifischbecken der Wertpapierbroker.
Aber die Struktur ist immer die gleiche: Ich muss etwas vorzuweisen haben! Im Sportverein mögen es hervorragende sportliche Leistungen oder ein großer Teamgeist sein. In der Geschäftsführung muss ich womöglich großes Verhandlungsgeschick, analytische Begabung und Führungsstärke ausweisen. Beim Wertpapierhandel mag es Entschlusskraft, psychische Belastbarkeit und angeborenes überdurchschnittliches Gewinnstreben sein. Unterm Strich: Du musst etwas vorweisen können! Haste was, biste was! Und je mehr du hast an Fähigkeiten, Kompetenzen, Besitz oder Macht, umso besser.
Wie gesagt: Das ist nichts spektakulär Neues, das ist uralt und hat sich irgendwie auch bewährt – von daher möchte ich das gar nicht schlechtreden – wenn da nicht ein paar Nebenwirkungen wären, die doch nicht zu übersehen sind. – Da reicht schon ein Blick in unser unmittelbares Umfeld.
Wenn sich Kindergarteneltern im Frühling gegenseitig erzählen, wie weit ihre Vorschulkinder schon sind. Was sie alles können – und da gibt es immer ein paar Eltern, denen ist es besonders wichtig, dass ihr Kind besonders viel kann und den anderen voraus ist. Blöd stehen die dann dabei, deren Kinder um ein Jahr zurückgestellt wird.
Wenn Geschäftsleute feststellen dass beim Autokauf und Hausbau das Sozialprestige der Produkte immer wichtiger wird. Der Nachbar soll respektvoll das Auto oder den Neubau bewundern. Da ist man dann auch bereit, finanziell mehr zu investieren als eigentlich notwendig wäre.
Auch im kirchlichen Bereich ist das nicht anders: Wenn Kirchengemeinden einen Pfarrer suchen, liest man häufig Listen von Eigenschaften, die der Kandidat oder die Kandidatin erfüllen soll … da wird einem mitunter schwindelig. Mit jung und alt soll er es gut können, logistisches und betriebswirtschaftliches Geschick genauso mitbringen wie seelsorgerliches Feingefühl und Durchsetzungskraft. Man ahnt: Auf solche Stellen bewerben sich dann solche Kollegen, die sich selber maßlos überschätzen.
Hie und da habe ich de Eindruck: Das Motto „Haste was, biste was”, beziehen wir auch auf Glaubensfragen. Mein Glaube ist dann etwas wert, wenn ich etwas (vor mir selbst) vorweisen kann:
Ich gehe ganz oft in de Kirche,
ich glaube an jeden Buchstaben des Glaubensbekenntnisses und der Bibel,
ich habe nicht den Hauch eines Zweifels an der Güte Gottes,
ich bete täglich und lese täglich in der Bibel….
Aber weil das bei mir nicht der Fall ist, dann ist mein Glaube auch nichts, worauf ich stolz sein kann. Dann ist mein Gottvertrauen nicht der Rede wert – und das im wahren Sinn des Wortes: Dann verstecke ich meinen Glauben, und rede auch nicht drüber – schließlich ist das eher peinlich mit meinen offenen Fragen, Krisen und Zweifeln.
Die Sackgasse des Scheins
Liebe Gemeinde,
sie merken es: Unsere Tendenz, nur das wertzuschätzen, was erfolgreich, beeindruckend oder machtvoll daherkommt, die leitet uns in eine Sackgasse. Wenn wir das Spiel mitspielen, wenn immer alles „besonders” und „toll” sein muss, dann bleibt letztlich Ehrlichkeit, Authentizität und Vertrauen auf der Strecke. Weil jeder auf den schönen Schein achtet und keiner sich eine Blöße geben will.
Wie wäre es, wenn wir die Affäre um unseren Bundespräsidenten einmal von dieser Seite her lesen? Ist es nicht illusorisch, von einem Politiker zu verlangen, dass er in jedem Moment jeden Schritt seines Handelns, auch im Umgang mit seinen guten Freunden, dahingehend überprüft, dass man ihm einmal einen Strick draus drehen kann? Nur der glänzende Politiker ohne Fleck auf seiner Weste wird wertgeschätzt – oder genauer gesagt: Der, dessen Flecken noch keiner gefunden hat.
Die Blöße, die sich Präsident Wulff durch reichlich ungeschicktes Handeln im Nachhinein nun noch gegeben hat, degradiert ihn in den Augen vieler vollends. Wir mögen halt lieber das Perfekte, den Kompetenten, den Starken, die Weise, den Mächtigen bewundern – auch wenn wir ahnen, dass Manches doch nur schöner Schein ist.
Gottes Gegenmodell
Paulus schreibt dazu:
Nein, denn Gott hat sich die aus menschlicher Sicht Törichten ausgesucht, um so die Klugen zu beschämen. Gott nahm sich der Schwachen dieser Welt an, um die Starken zu demütigen. Wer von Menschen geringschätzig behandelt, ja verachtet wird, wer bei ihnen nichts zählt, den will Gott für sich haben. Aber alles, worauf Menschen so großen Wert legen, das hat Gott für null und nichtig erklärt.
Das ist Gottes Gegenmodell.
Der Heiland der Welt stirbt am Kreuz. – Und so erlöst er die Welt von ihrer Schuld.
Johannes der Täufer selbst spürt bei Jesu Taufe: Eigentlich bin ich unwürdig, diesen Jesus zu taufen: Aber Jesus sagt zu ihm: Es ist in Ordnung, „lass es nur geschehen”.
Petrus hat Jesus verleugnet – ein Totalversagen in der Krise! Und genau den ernennt der auferstandene Jesus zum Chef der 12 Jünger.
Paulus, der jüdische Heißsporn, der bei der Ermordung des ersten christlichen Märtyrers noch begeistert dabeistand, der wird zu einem der maßgeblichen Missionare des Glaubens an Jesus Christus.
So eine Mannschaft…. das ist keine, mit der man angeben kann. Da hat keiner eine Weiße Weste! Und doch hat Gott das genau so geplant. Gott, der uns Menschen sowieso durchschaut, weiß wie sinnlos es ist, wenn wir uns aufblasen und Eindruck schinden wollen.
Liebe Wilhelmsdorfer, lieber Brunner/Hohholzer,
eigentlich sind das Zeilen, die uns Mut machen.
Mut, gegen die Tendenz der Welt, gerade das Gewöhnliche im Leben, das nicht Perfekte, das Defizit und sogar das Misslungene ins eigene Leben zu integrieren.
Und das in aller Offenheit und Ehrlichkeit vor sich selber und auch vor anderen.
Ich muss nicht so tun, als wären meine Fehler und Schwächen nicht meine. Die gehören zu mir. Und ich habe einen Gott, dessen Liebe so groß ist, dass er sich davon nicht abschrecken lässt.
Auch wenn ich zu denen gehöre, die nur alle 8 Wochen in die Kirche gehen: Ich darf froh sein, dass ich letztlich doch an Gott festhalte, gegen alle inneren Zweifel und aller offenen ragen. Ich bin dennoch Gottes Kind.
Mit Angebern, mit den scheinbaren Oberhelden und Perfekten, auch im geistlichen Sinn, mit denen kann Gott nichts anfangen.
Worüber er sich freut:
Wenn wir vor Gott und voreinander Fehler und Schwächen eingestehen.
Damit wir einander realistisch wahrnehmen.
Wir einander Fehler verzeihen können.
Und bereit werden, uns von Gott im Alltag helfen zu lassen.
Amen