Predigt: Der Kelch steht herum (Symbolpredigt) 5. April 2012, Gründonnerstag

gruendonnerstag12Gründonnerstag: Gedanken zum Kelch bei Jesu letzten Abendmahl. Ein Gang durch die Jahrhunderte.

Szene 1 in Jerusalem

Ein Kelch steht herum! – Einsam in diesem Zimmer im ersten Stock eines Hauses in Jerusalem. 13 Männer haben daraus getrunken. Außerdem Brot gegessen, auch Lammfleisch. Es war schließlich Passahfest.
Und jetzt sind sie weg. Unerwartet schnell waren sie aufgebrochen – die 12 Männer mit ihrem Meister, in Richtung der östlichen Stattmauer, da wo der Garten Gethsemane liegt.

Die Frau des Hauses räumt die liegengeblieben Reste weg. Ein paar Stückchen Brot, einige Knochen vom Lamm. Jedes Jahr zum Passahfest stellen sie ihren oberen Raum für Pilger, die in Jerusalem feiern wollen zur Verfügung. Das Geld, das sie dafür kassiert, kann sie gut gebrauchen.

Da fällt ihr Blick auf den Kelch. Ganz ausgetrunken haben sie den Wein. Schon komisch, dass die Männer nur einen einzigen Kelch gebraucht haben. Sie hätte ihnen noch drei andere geben können – aber ihr Meister hatte es so gewollt. Aber ihr soll es recht sein. So braucht sie nur diesen einen Kelch abwaschen. So nimmt sie ihn mit einer schnellen Bewegung und eilt die Treppenstufen hinab in den Hof.
Unten spült sie ihn ab. Reibt ihn mit einem Tuch trocken. Jetzt ist er sauber wie zuvor. So als wäre er nie verwendet worden, für dieses denkwürdige Mahl Jesu mit seinen Jüngern. Diese Frau hatte nichts davon mitbekommen, dass das diesmal anders war als sonst. Und auch die Jünger, die dabei waren, brauchten wohl noch einige Tage, bis ihnen nach Karfreitag und Auferstehung Jesu bewusst wurde, was die Worte Jesu zu bedeuten hatten, die er an diesem Abend gesagt hatte:
Mein Leib, für euch gegeben.
Mein Blut, für euch vergossen.
Es war eben mehr als ein Passahmahl – viel viel mehr.

 

Szene 2 – im Mittelalter

Ein Kelch steht herum. Hinter Gittern, in einem prachtvoll und doch auch sorgsam geschmückten Raum eines Schlosses in Sachsen. Schwarzer Samt, muffiger Geruch alter Bücher. Der Kelch des letzten Abendmahls Jesu wird hier gut gesichert verwahrt und verehrt. Ein Vermögen hat er seinem Besitzer gekostet. Über tausend Jahre alt müsste er jetzt sein. Dafür sieht das Stück aber ziemlich gut erhalten aus.
Aber die Skepsis des Fürsten wurde von dem Händler der Reliquie wortreich besänftigt. Und was viel schwerer wog: Die Sehnsucht nach diesem besonderen Schatz, nach etwas Sichtbaren, etwas Begreifbaren aus dieser Welt des Glaubens an einen unsichtbaren Gott.
Einmal im Leben diesen Kelch in der Hand halten – so wie es Jesus und seine Jünger getan haben. Dafür wäre so mancher bereit gewesen sein Leben zu geben.

Zugleich weiß der Fürst: Auch andere wären bereit mit viel Gold diesen Schatz zu bezahlen. Und er ahnt: Auch andere haben viel Geld hingelegt und verwahren nun diesen einen heiligen Kelch in ihrem Gemäuer. Ein Kelch, und noch ein Kelch und noch ein Kelch ….  im Heiligen römischen Reich deutscher Nation.
Aber Zweifel will er sich nicht leisten, der wackere Fürst.

Nur am Gründonnerstag abend, wenn er mit seiner Familie und den Größen seines Herrscherhauses in der Schlosskapelle das heilige Abendmahl feiert, da spürt er etwas ganz seltsames. Wenn der Priester den goldenen neu gestifteten Kelch während der Einsetzungworte zum Himmel erhebt, wird der teure  „echte”  Kelch im Reliqienschrein im Schlossturm ganz unwichtig. Dieser Kelch, der da in ihrer Mitte zum Abendmahl verwendet wird, dieser ist der Kelch, in dem ihm Jesus Christus nahekommt. Die Worte, das Ritual, die Lieder. Jetzt fühlt er sich als Jünger Jesu – als Teilnehmer dieser Gemeinschaft des Herrn mit den Seinen. Sein Blut, sein Leib, seinen Gegenwart.
Nein, eigentlich braucht er keinen alten Kelch mit zweifelhafter Herkunft.

 

Szene drei – heute

Liebe Gemeinde,
ein Kelch steht herum. Natürlich auch heute bei uns. Wir leben nicht mehr im Mittelalter. Wir hängen nicht an Reliquien. Wir wissen, was das Heilige Abendmahl ausmacht: Die Vergegenwärtigung Jesu in Brot und Wein. Indem wir das Brot teilen, den Kelch einander weitergeben ist Jesus Christus mitten unter uns. Er in uns, wir in ihm.

Und wir lösen uns zugleich zunehmend auch von dem, was an äußeren Formen lange Zeit damit verbunden war:
Die Anmeldung zum Abendmahl.
Wir gehen im schwarzen Anzug – oder auch in Jeans.
Wir können uns vorstellen, dass auch mit unvergorenem Traubensaft Jeus Gegenwart gefeiert werden kann.
Und in manchen Gemeinden erhält jedes Gemeindeglied einen einzelnen kleinen Kelch, und man trinkt gemeinsam.

Aber der Kelch, als gewichtiges Symbol, der bleibt. Der hat die vergangenen zwei Jahrtausende überdauert.

 

Blick in die Zukunft

Aber da ist noch etwas Anderes:
Da steht immer noch ein Kelch herum – und zwar dieser erste, der von Jesu letztem Passahfest mit seinen Jüngern. Wir wissen nicht, was auch ihm geworden ist; höchstwahrscheinlich ist er irgendwann zerbrochen und wurde weggeworfen. Die Jünger Jesu oder andere Menschen hatten damals keinen Grund, dieses Gefäß irgendwie zu verehren.

Es ist weg – aber er wird doch noch einmal gebraucht! Denn Jesus hat gesagt: Ich werde von nun an nicht mehr von diesem Gewächs des Weinstocks trinken bis an den Tag, an dem ich von neuem davon trinken werde mit euch in meines Vaters Reich. (Mt 26,29)

Da steht ein Kelch und wartet darauf, dass Jesus ihn im Reich Gottes wieder in die Hand nimmt! Dann, wenn seine Geschichte mit der Welt an ihr Ende gelangt ist.
Wie das aussehen wird, weiß ich nicht – aber der Kelch, den ich beim Abendmahl in die Hand nehme, erinnert mich daran: Das kommt noch etwas auf uns zu. Wir erinnern uns nicht nur nach hinten – wir denken auch an die Zukunft, die Gott mit uns vor hat.

Wir sind Gottes Volk in der Zeit.
Wir stehen da in der Nachfolge der Jünger, die mit Jesus kurz vor seinem Tod zusammen waren und Brot und Wein geteilt haben.
Wir stehen auch da, als diejenigen, die jetzt schon im Vorgriff Anteil haben an der Gemeinschaft der Kinder Gottes in einer Welt, die uns einmal erwarten wird.

Und für den Weg dazwischen soll uns das gemeinsame Abendmahl eine innere Stärkung und Vergewisserung sein.

Amen

 

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