Predigt zur Jubelkonfirmation: Wie ein Kaktus (Symbolpredigt), 5. Mai 2013

Goldene Konfirmation, Silberne Konfirmation

Im Rückblick vieler Jahre hat ein Kaktus mit dem eigenen Leben mehr gemeinsam, als man auf den ersten Blick denken möchte. Eine Predigt die mit den Jubilaren echt Spaß gemacht hat.

Liebe Jubilare,

damals, vor 25, 50, 60, 65 (oder noch mehr Jahren), bei ihrer Konfirmation, da waren Sie die „Kleinen” in der Gemeinde. Gerade an der Schwelle zum „groß werden”, vielleicht kräftig von der Pubertät geplagt. Manchmal lieb, manchmal kratzbürstig. Eine Lebensphase, in der man wechselweise seine Eltern stolz werden lässt oder in die Verzweiflung treibt.

Ein moderner Eltern-Ratgeber für den Umgang mit Kindern in diesem Alter trägt den Titel: „Und plötzlich sind sie 13 oder: Die Kunst, einen Kaktus zu umarmen.”. (! Kaktus zeigen) Und in manchen Ländern vergleicht man tatsächlich Menschen im Konfirmandenalter mit einer Kaktusfrucht: Nach außen hin kompliziert, wiederborstig, unnahbar, und doch innen ganz weich und verletzlich.
Als kleine Kakteen sind Sie losgezogen – nach ihrer Konfirmation, die Ihnen den Segen Gottes zugesprochen hat: „Schutz und Schirm vor allem Bösen, Stärke und Hilfe zu allem Guten, damit du bewahrt wirst zum ewigen Leben”.

Manchmal stachelig … aber nicht immer

Was hat sich nicht alles in diesen Jahrzehnten getan.
Sie sind nicht der gleiche Kaktus wie damals geblieben, Sie haben sich entwickelt, jeder hat seinen eigenen Weg gefunden, jeder hat seine eigene Persönlichkeit. Um im Bild des Kaktus zu bleiben: So unterschiedlich wie die verschiedenen Gattungen dieser stacheligen Pflanze aussehen, so unterschiedlich sind Sie. Wobei das mit der „stacheligen” Pflanze eigentlich auch schon nicht ganz stimmt. Denn nicht jeder Kaktus ist voller Stacheln.

So haben Sie vielleicht auch im Laufe ihres Lebens entdeckt, dass man ohne Stacheln auch gut durchs Leben kommt, dass man gut damit fährt, wenn man Vertrauen schenkt und einem vertraut wird. Dass Beziehungen da gelingen, wo man offen ist, wo man seine Verletzlichkeit nicht verbirgt. Dass da eine Nähe und gegenseitige Verlässlichkeit entsteht, die einen manchmal an das erinnert, was Jesus in der Bergpredigt gemeint hat, wo er zum Vertrauen aufruft und zur Liebe gegenüber Freund und sogar dem Feind.

Aber vielleicht ist es auch anders gekommen, und Sie haben ihre Stacheln behalten, Ihre Wehrhaftigkeit und die offensive Bereitschaft, denen, die einem weh tun könnten Paroli zu bieten. Zu oft muss man ja erleben, dass Arglosigkeit, Offenheit und Gutmütigkeit ausgenutzt werden. Auch schon als Kind und Jugendlicher kann einem das widerfahren. Da ist so mancher lieber  ein stacheliger Kaktus geblieben.
Vielleicht so einer, der zwar Stacheln hat, aber zugleich von so einem weichen weißen watteartigen Flaum umgeben ist. Ich denke, Sie kennen diese Kakteen. Man hat Aspekte von beiden: Man will offen sein, Nähe zulassen, und zugleich nicht wehrlos sein. Das ist schwierig, weil der Andere unter dem kuscheligen Flaum den Stachel nicht sieht und man so einen anderen verletzt, ohne es zu wollen.

Wir sehen, es ist nicht einfach. Es gibt nicht „die” richtige Lösung. Man muss seinen eigenen Weg finden und gehen.

Die Beharrlichkeit des Kaktus

Liebe Jubel-Konfirmanden,
zu dem Gepäck auf diesem Lebensweg gehört der Glaube an Jesus Christus. Damals haben Sie gemeinsam versprochen, diesen Glauben mit Leben zu füllen und ihr Leben mit diesem Glauben.
Erfahrungsgemäß gelingt das den Konfirmanden ganz unterschiedlich gut. Und so  komme ich wieder auf diesen Kaktus. Denn das ist ja eine Pflanze, die darauf ausgerichtet ist, sehr lange ohne Wasser, ohne Pflege und ohne Aufmerksamkeit zu überleben. Und viele Menschen kennen in ihrer eigenen Biographie Zeiten, in denen ihr Glaube eine sehr spärlich begossene Pflanze war. Wo alle möglichen Dinge die eigene Zeit und Aufmerksamkeit beanspruchten – und der Glaube, das Beten, die Gemeinde vor Ort eine Nebenrolle spielten oder gar völlig aus dem Blickfeld geraten sind.

Vorhin im Psalm 1 haben wir von einem Menschen gehört, der sich bewusst auf Gott verlässt und dessen Leben –  auch dessen Glaubensleben – so einem imposanten, früchtetragenden Baum gleicht, der seine Wurzeln tief im wasserreichen Boden hat. Es ist wunderbar, so etwas zu erleben.
Aber es gibt eben auch die Erfahrung, dass der eigene Glaube kein Apfelbaum mit saftigen Früchten ist, sondern zur unbegossenen Trockenpflanze mutiert – zum stacheligen Kaktus, der im eigenen Leben scheinbar nutzlos herumsteht.

Und doch geht er nicht ein – das ist ja das Besondere: Er hat Geduld, er geht nicht so schnell zugrunde – er trägt immer einen Vorrat an Wasser in sich, lebt auf einem niedrigen Niveau weiter. So öde und unansehnlich dieser Kaktus auch aussehen mag: Er ist da! Das Potential dieses Glaubens-Kaktus schlummert ungehoben im eigenen Leben – man sollte es eben nicht übersehen, dass es noch da ist.

Da denke ich an Berichte von Menschen, die in der Wüste verdurstet sind. Sie waren von Kakteen umgeben – aber sie haben nicht erkannt, dass in diesen Pflanzen das steckt, was sie hätte retten können. Hätten sie in ihrer Notlage den Kugelkaktus genutzt, um daraus Wasser zu gewinnen, wäre es vielleicht anders ausgegangen, hätten sie überlebt.

Heute, am Fest der Jubelkonfirmation bietet sich damit auch die Gelegenheit, neu zu überlegen, welche Rolle dieser alte Kaktus „Gaube” in ihrer gegenwärtigen Lebensphase haben soll. Mit wie viel Zeit will ich ihn gießen, mit wie viel Gottvertrauen will ich ihn düngen, mit wie viel Hingabe ihn pflegen? Soll er Kaktus sein, auf dem Abstellgleis, auf Sparflamme; für alle Fälle? Oder doch eher ein Baum, gepflanzt an Wasserbächen, der seine Früchte bringt – regelmäßig, und  nicht nur in den Krisenzeiten des Lebens?

Die Kaktusblüte
So ein Nachdenken über die Rolle des eigenen Glaubens jetzt und vor allem in Zukunft ist ein Aspekt so eines Konfirmationsjubiläums.
Ein anderer wichtiger Punkt ist der Blick zurück. Auf das, was da so alles war. Das Gute, das Schwere und das Schöne.

So ein Kaktus fristet ja ein sehr unspektakuläre Dasein.  Eher selten hat man daheim mal jemanden zu Besuch, der begeistert aufspringt und ruft: „Mensch, hast du einen wunderschönen Kaktus auf deinem Fensterbrett.” Es ist halt ein Kaktus ….
Vielleicht haben Sie auch den Eindruck, dass das eigene Leben auch nichts Besonderes, nichts außergewöhnliches war. Sie haben keine Bildzeitung gefüllt und die Massen haben Sie auch nicht bewundert. So ein normales Leben eben.

Aber hie und da ist dann doch alles anders. Zumindest beim Kaktus: Es kündigt sich schon ein bisschen vorher an: Eine unscheinbare Knospe …  und dann entdeckst du: Mein Kaktus blüht. Er, dieses langweilige Pflänzchen am Fenster, er bringt eine wundervolle, bezaubernd farbenprächtige Blüte hervor, mit filigranen Blättern, die fast jeden in ihren Bann ziehen.  Manchmal sind diese Blüten sogar größer als der Kaktus selbst.
Und eigentlich weißt du gar nicht, wie das jetzt dazu kommt: Es ist einfach passiert, ohne dein Zutun.

Schauen Sie zurück auf die Kaktusblüten Ihres Lebens . Auf die schönen, die guten Zeiten, die ihnen geschenkt wurden. Manches Besondere war vielleicht auch hart erarbeitet, durch Entbehrungen erkauft – aber oft ist vieles ein Geschenk.
Dass Mühen sich gelohnt haben.
Dass man nach langer Zeit doch noch den richtigen Partner gefunden hat.
Dass eine bedrohliche Krise ausgestanden wurde.
Zu oft vergessen wir über den Dingen des Alltags den Blick auf das, was wirklich gut war, und damit auch die Dankbarkeit, die damit verbunden ist, und die Kraft, die darauf entspringen kann.

Was man alles braucht und nicht braucht

Liebe Jubel-Konfirmanden,
unser Kaktus ist ja eine Wüstenpflanze. Er ist da ganz speziell. Er braucht nicht alles, was diese Welt zu bieten hat, für sein Glück. Er kommt mit sehr sehr wenig aus. Es muss halt das Richtige sein: Wasser, einige Mineralien. Die Frage, was im Leben wirklich zählt, ist für ihn grundlegend.

Und ein bisschen fühle ich mich ertappt, weil mich oft in der Versuchung stehe, mein Leben mit allerlei Dingen anzufüllen und dann hoffe, dass mein Leben aufblüht. Aber dann merke ich: Vieles ist Kosmetik und Ästhetik – das, was man wirklich braucht, sind einige Basics, wie beim Kaktus; dann kann das Leben auch im kargen Boden Blüten entfalten.

Sie als Diamantene, Eiserne und Goldene Konfirmanden haben da allein durch ihre Biographie und Lebenserfahrung und durch das eigene Erleben von Zeiten des Mangels oft schon ein sehr direktes Gespür für das, was wirklich im Leben zählt.
Beim 25-jährigen Jubiläum ist die Situation sich ein bisschen anders: Wir sind ja eine Generation die in Zeiten der wirtschaftlichen Aufschwungs groß geworden ist. Entbehrung ist eher selten ein Lebensthema: Eher die Frage, wie es jetzt weitergeht, wo doch einiges erreicht ist, und man überlegt, wohin die Reise weitergehen soll. Welche Ziele stecke ich mir? Und welche alten Erwartungen und Phantasien muss oder kann ich von meiner To-Do-Liste streichen. Weil ich inzwischen erkannt habe: Alles geht nicht; ich muss mich entscheiden, was wirklich wichtig für mich ist.
Und da sind manchmal die eigenen Kinder, für die Älteren von Ihnen sinds die Enkel, die einem manchmal bewusst werden lassen, was wirklich im Leben wichtig ist.
So wünsche ich ihnen für ihren Weg Mut und Vertrauen auf Gott, damit er sich auch weiterhin begleitet: Dass er dabei ist, wenn Sie Ihre Wege wählen, und sie beschützt, wenn sie diese Wege dann gehen.
Amen

Foto oben: _M.v.S._Scheherazade /pixelio.de

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