Kirchweihpredigt zur Areopagrede des Paulus: „Hock dich middennei und trau dich, dei Meinung zum sogn – grad wenns umḿn Gaubm geht“
Der Predigttext für heute steht in der Apostelgeschichte, im 17. Kapitel. Darin wird berichtet, wie Paulus auf dem großen Versammlungsplatz der Stadt Athen, dem Areopag eine Rede hielt:
Da stellte sich Paulus vor alle, die auf dem Areopag versammelt waren, und rief: „Athener! Mir ist aufgefallen, dass ihr euren Göttern mit großer Hingabe dient; denn ich habe in eurer Stadt viele Heiligtümer gesehen. Auf einem Altar stand: ‚Dem unbekannten Gott.‘ Von diesem Gott, den ihr verehrt, ohne ihn zu kennen, spreche ich. Es ist der Gott , der die Welt und alles, was in ihr ist, geschaffen hat. Dieser Herr des Himmels und der Erde wohnt nicht in Tempeln, die Menschen gebaut haben.
Er braucht auch nicht die Hilfe und Unterstützung irgendeines Menschen. Er, der allen das Leben gibt und was zum Leben notwendig ist, er hat den einen Menschen geschaffen, von dem alle Völker auf der ganzen Erde abstammen. Er hat auch bestimmt, wie lange und wo jeder Einzelne von ihnen leben soll. Das alles hat er getan, weil er wollte, dass die Menschen ihn suchen. Sie sollen ihn spüren und finden können. Und wirklich, er ist jedem von uns ja so nahe! Durch ihn allein leben und handeln wir, ja, ihm verdanken wir alles, was wir sind. (…) Als Paulus von der Auferstehung der Toten sprach, begannen einige zu spotten, andere aber meinten: „Darüber wollen wir später noch mehr hören.“
Tritt frisch auf! Tu’s Maul auf! Hör bald auf! (Luther)
Liebe Gemeinde,
der Paulus, der ist schon ein Fuchs! Da stellt er sich mitten vor alle Gelehrten und Philosophen in Athen, sie meisten waren vermutlich mindestens so gescheit wie er, und fängt mit seiner Mini-Predigt an. Als Leckerli, das sie neugierig machen soll, erzählt er von diesem Sockel für den „unbekannten Gott”- denn genau vom diesem Gott will er ihnen ja berichten.
Ein strategisch kluger Schachzug: Erst mal schauen, wie die Zuhörer so ticken, um dann mit der passenden Story einzuleiten. Aber es bleibt nicht beim netten Small-Talk-Geblubber, sondern Paulus kommt zügig auf den Punkt: Er erklärt den christlichem Glauben, und zwar ohne wenn und aber. Er lässt sich auch nicht davon irritieren, das einige darüber den Kopf schütteln und lachen. Er sagt, was er für richtig hält. Redet den Leuten nicht nach dem Mund. Er bekennt seinen Glauben und hofft, dass er andere dafür gewinnen kann.
Der Bericht endet mit einer gemischten Bilanz: Ich lese da: Einige Leute, die durch seine Rede zu glauben begonnen hatten, gingen mit ihm. Darunter waren Dionysius, ein Mitglied des Gerichtshofes, eine Frau, die Damaris hieß, und manche andere.
Der Mut hat sich gelohnt. Sich da einfach hinzustellen, und dem Publikum zu sagen, was man glaubt. Offenbar hat Paulus damit einige Menschen nachhaltig beeindruckt.
Kirche auf dem absteigenden Ast
Manchmal bin ich da schon ein bisschen neidisch. Denn solche Aktionen sind nach 2000 Jahren Kirchengeschichte rar geworden. Dass Kirche sich hinstellt, den Mund aufmacht, die Leute die Ohren spitzen, was denn da jetzt an Relevanten und Überzeugenden kommt – das ist wirklich die Ausnahme. Als christliche Kirchen haben wir da häufiger eine sehr angepasste Nischenposition. Es ist gut, dass sie da ist, man könnte sie ja mal brauchen, aber sonst …?
Kirche in die Ecke gestellt, weggeräumt, am besten einen Vorhang davor gezogen, damit sie optisch nicht so stört. Fertig! Wenn man sie irgendwann brauchen sollte, kann man sie ja wieder hervorholen – wenn man denn noch weiß, wo man sie versteckt hat.
Vielleicht ist Kirche da auch ein bisschen selber schuld. Offenbar ist es eher selten, dass wir klar, eindeutig und unüberhörbar Position beziehen. Das geht ja bis in die Kirchenpolitik hinein, dass kirchliche Verlautbarungen sehr weichgespült sind. Man möchte keine unbequeme Position vertreten, keinem weh tun, niemandes Interessen übergehen.
„Allen Menschen recht getan ist eine Kunst, die keiner kann.” Und es ist auch die Frage, ob das ein sinnvoller Weg ist. Denn wir sind als Kirche ja keine gesellschaftliche Gruppe, die darauf aus sein soll, den größtmöglichen Konsens herzustellen, sondern wir sind Gott gegenüber verantwortlich in dem, was wir sagen und tun.
Es geht darum, dem EINEN recht zu tun, und dann zu hoffen, all die Anderen auf diesem Weg mitzunehmen,
Das Erbe der Hugenottenkirche
Wir sitzen heute nicht in irgendeiner evangelischen Kirche, sondern in unserer Hugenottenkirche. Unser Dorf, diese Kirche wurde aufgebaut von Menschen, die um ihres Glaubens willen fast alles zurückgelassen hatten. Sie waren nicht bereit, ihren reformierten Glauben zu verleugnen und sind deshalb aus Frankreich geflohen. Sie haben ihre dortige Existenz aufgegeben, haben sich auf eine lange und gefahrvolle Reise begeben. Sie haben alles riskiert – für ihren Glauzben!
Diese Konsequenz dieser Menschen nötigt mir größten Respekt ab. So steht unsere Hugenottenkirche eben auch für eine Kirche und für Christen, die offen und selbstbewusst zu ihrem Glauben stehen – nötigenfalls auch gegen den gesellschaftlichen Mainstream, gegen den Zeitgeist oder gegen politische Interessen.
Liebe Wilhelmsdorfer,
inzwischen sind wir alle evangelisch-lutherisch hier, aber dennoch sollten wir uns nicht verstecken. Weder unsere Kirche, noch uns selber als Christen. Mir gehören mittenhinein in unsere Welt. „Hock dich middennei und trau dich, dei Meinung zum sogn – grad wenns umḿn Gaubm geht”.
Darum gehts! Das ist bei Paulus nicht anders als heute. Und da brauche ich auch keinen Areopag, sondern da reicht auch eine Biertischgarnitur. Mittenrein! Wie das dann geht? Das muss man einfach ausprobieren!
Wobei mir da schon etwas Wichtiges am Herzen liegt. Ich habe schon selbst erlebt, wie fromme Leute ihre Gesprächspartner durch ihre innere Haltung verprellt haben: Wo derjenige, der von seinem Glaubens-Überzeugungen redet, so von oben herab seine Weisheit auf die Anderen herablässt. Auf so etwas will kein Mensch hören, selbst wenn es noch so wahr ist!
Paulus hat gewusst: Diejenigen, die mir zuhören, sind zum Teil viel intelligenter als ich. Er hat deren Gedanken nicht arrogant verworfen (obwohl er anderer Meinung war), sondern positiv daran angeknüpft und signalisiert: „Ich kenne eure Überzeugungen. Aber ich möchte euch verraten, woran ich glaube. Und ich habe gute Erfahrungen damit gemacht. Wenn ihr mir zuhört, kann es sein, dass ihr entdeckt, welcher Schatz in meinem Glauben liegt.”
Ich muss die Anderen nicht belehren. Aber ich sollte mich auch nicht verstecken. Ein Bekannter von mir, ein Metallbau-Ingenieur, war vor vielen Jahren einmal geschäftlich zu Verhandlungen in Brasilien. Am Abend ist man dann noch gemeinsam in eine Bar gegangen. Und es dauerte nicht lange, bis klar war, diese Einladung des Geschäftspartners läuft auf einen gemeinsamen Bordellbesuch hinaus.
Da zu sagen: Danke, aber ich gehe jetzt in mein eigenes Bett ins Hotel, ich will als Christ meine Frau nicht betrügen – das fand ich stark.
Er hätte auch einfach so ablehnen können. Aber da dazu zu stehen, dass unser Handeln etwas mit unseren Glaubensüberzeugungen zu tun hat. Das machen wahrscheinlich wir alle viel zu selten. Oft ist es uns halt doch irgendwie peinlich. – Schade eigentlich!
Wir brauchen uns nicht verstecken, und wir brauchen unser Fähnlein nicht in den Wind drehen. Daran sollen uns auch diese Winddreher erinnern, die unsere Konfirmanden im Juni auf der Fishlife-Freizeit gebastelt haben. Aus dort ging es um die Frage: Schwimmst du immer mit dem Strom? Oder traust du dich auch, mal dagegen zu schwimmen?
Mit dieser Frage im Rücken wünsche ich uns allen eine schöne Kirchweih.
Amen