Die Predigt zum Sendschreiben an die Gemeinde von Sardes beschäftigt sich mit der Frage, wann die Kirche eine lebende Tote ist.
Liebe Gemeinde,
unser heutiger Predigttext steht in der Offenbarung des Johannes. Darin beschreibt Johannes, dass ihm der Geist Gottes beauftragt, einen Brief an die christliche Gemeine in Sardes zu schreiben:
Schreib an den Engel der Gemeinde in Sardes: Das sagt der, dem die sieben Geister Gottes dienen und der die sieben Sterne in seiner Hand hält. Ich weiß alles, was du tust. Du giltst als lebendige Gemeinde, aber in Wirklichkeit bist du tot.
Wach auf und stärke die wenigen, deren Glaube noch lebendig ist, bevor auch ihr Glaube stirbt. Denn so, wie du bisher gelebt hast, kannst du vor Gott nicht bestehen. Hast du denn ganz vergessen, wie du Gottes Botschaft gehört und aufgenommen hast? Besinn dich wieder darauf, und kehr um zu Gott. Wenn du nicht wach wirst, werde ich plötzlich da sein, unerwartet wie ein Dieb. Und du wirst nicht wissen, wann ich komme. Aber auch bei euch in Sardes sind einige, denen der Schmutz dieser Welt nichts anhaben konnte. Sie werden immer bei mir sein und weiße Kleider tragen; denn sie sind es wert.
Wer durchhält und den Sieg erringt, der wird solch ein weißes Kleid tragen. Ich werde seinen Namen nicht aus dem Buch des Lebens streichen, sondern mich vor meinem Vater und seinen Engeln zu ihm bekennen. Hört genau hin, und achtet darauf, was Gottes Geist den Gemeinden sagt!“
Kennen Sie Krösus? Man sagt ja manchmal, wenn Dinge furchtbar teuer sind: „ich bin doch nicht Krösus”. Dieser Krösus war der Fürst der Stadt Sardes, an die dieser Brief gerichtet ist. Was ihn berühmt gemacht hat, war sein märchenhafter Reichtum.
Ob diese Stadt zur Zeit, als der Brief geschrieben wurde, noch etwas von dem Selbstgewusstsein einer einst sagenhaften Metropole hatte? Schließlich war das schon über 400 Jahre her. Wahrscheinlich war der Palast des Krösus damals schon eine verfallende Ruine. Man konnte sich etwas auf seinen alten Glanz einbilden, aber eigentlich war das schon längst vorbei.
„Ja, wir waren mal die Großen, aber jetzt …..”
Der Brief, den wir gehört haben zeigt auf das ähnlich gelagerte Problem der damaligen christlichen Gemeinde: Der alte Glanz von damals war einer ernüchternden Realität gewichen.
Sardes behauptet zwar noch von sich, dass in ihr der christliche Glaube lebendig sei, nimmt dabei aber nicht wahr, dass ihr Bild als Gemeinde Jesu Christi sehr zu wünschen übrig lässt. „Du glaubst, du lebst, dabei bist du längst schon tot“, muss sie sich sagen lassen. Ein krasses Urteil.
Fast reflexartig muss ich da an unsere Kirche denken. Ob man da auch in die Versuchung kommen könnte, das gleiche Urteil zu fällen? Immer wieder hört man ja die Kritik, dass unsere Kirche zu erstarrt sei und mehr damit zu tun habe, sich zu verwalten, als lebendige Verkündigung zu betreiben.
Seltsamerweise wird dieses pauschale Urteil oft von Leuten gefällt die schon ewig in keinem Gottesdienst mehr waren und Kirche nur aus der Zeitung kennen. Sie kennen Tebarz van Elst und regen sich über dessen Finanzen auf, erklären Kirche für erstarrt, und haben gar nicht mitbekommen, wer alles hier vor Ort im gleichen Moment mit viel Engagement Krippenspiele vorbereitet, Tische für den Seniorenkreis schmückt, auf Geburtstagen Ständchen spielt und vieles mehr. Mit einem pauschalen „Kirche ist tot”-Urteil rede ich da blanken Unsinn.
Da könnte man eher umgekehrt sagen: „Man glaubt, dass du tot bist, aber du lebst.“ Nur sehen es viele nicht. Denn viele Menschen setzen sich engagiert und erfolgreich ein für eine geschwisterliche Gemeinschaft vor Ort, für Bildung und Barmherzigkeit, auch für Gerechtigkeit und Versöhnung in aller Welt – denn darum gehts ja zum Beispiel bei der Aktion „Brot für die Welt”.
Menschen setzen damit das, was sie in ihrem Glauben als wertvoll und tragend erkannt haben, in die Tat um. Da ist sehr viel sehr lebendig. Da dürfen wir ruhig öfter mal genauer drauf schauen.
Aber blicken wir doch noch einmal auf die Worte der Bibel:
Wach auf und stärke die wenigen, deren Glaube noch lebendig ist, bevor auch ihr Glaube stirbt. Denn so, wie du bisher gelebt hast , kannst du vor Gott nicht bestehen. Hast du denn ganz vergessen, wie du Gottes Botschaft gehört und aufgenommen hast?
Die Kirche soll das, was einschläft, retten. Sie ist nicht so, wie sie sein sollte.
Es ist manches im Argen, und das muss verändert werden. Es gibt Korrekturbedarf!
Und dabei gibt der Brief eine sehr bedeutsame Richtung vor: Die Gemeinde wird aufgerufen, zu dem zurückzukehren, was sie in ihrer Anfangszeit geprägt hat.
Sie soll zum Beginn zurückkehren, umkehren. Zu der Zeit, als sie entdeckten, dass es mit dem christlichen Glauben etwas Gutes auf sich hat. Zu den Momenten, als man selber Feuer gefangen hat für den Glauben. So etwas, wie die erste Liebe. Schmetterlinge im Bauch – alles erscheint in einem anderen Licht.
Das gibts ja auch mit dem christlichen Glauben. Christliche Schmetterlinge im Bauch! Viele Menschen haben ja so Momente in ihrem Leben, wo sie das Gefühl hatten: Da war Gott am Wirken, da hat mir Gott geholfen, da hat mich ein Schutzengel gerettet, da hat Gott mich einmal auf die Nase fallen lassen, damit ich endlich zur Besinnung komme. Momente, wie ganz wertvoll sind und uns in unserem Verhältnis zu Gott geprägt haben.
Sich daran zurückzuerinnern. An diese Momente, wo alles so klar, so eindeutig war. Wo man Gott intensiver gespürt hat, als vielleicht im aktuellen Kuddelmuddel. An diese Anfangspunkte oder zentralen Momente des eigenen Glaubens. Darauf zu schauen, auf diese Werte und Gedanken – und zu dieser Atmosphäre zurückzukehren.
Ich denke: Das gilt für uns als Kirche – und auch für jeden Einzelnen.
Als Kirche müssen wir uns überlegen: Was ist unser Eigentliches, wofür sind wir da. Sind wir noch auf Tuchfühlung mit dem Auftrag, den der auferstandene Jesus einst seinen Jüngern gegeben hat? Oder lassen wir unseren Blick fesseln von dem allen, was es drumherum halt auch alles gibt?
Natürlich gehört es dazu, dass wir uns in viele Bereiche hineinentwickelt haben, in karitative, soziale, gesellschaftspolitsche Ableger. Wir haben Immobilien und einen Kindergarten, betreiben Krankenhäuser und Altenheime, haben als Evangelische Kirche Bayerns 25.000 Leute auf der Personalliste.
Und doch gilt, was Jesus vom Weinstock gesagt hat: Die Kraft und das Wasser kommt aus den Wurzeln – die Früchte sind das Ergebnis, nicht die Grundlage. So grandios die Trauben auch sein mögen: Von ihnen kann der Weinstock nicht leben! Wenn wir meinen, wir können allein daraus leben, dass wir als Kirche ein so beeindruckender Organismus sind, und uns von dem Wurzelstock, von Jesus Christus lösen – dann sind wir tot, auch wenn wir es noch gar nicht gemerkt haben.
Dann sind wir ein lebender Toter – so etwas nennt man in Horrorfilmen Zombie! Kirche als geistlicher Zombie – der als Konzern ohne geistliche Grundlage existiert, das wäre wirklich eine Katastrophe!
Das auf mein eigenes kleines Leben zu beziehen ist kein Kunststück. Zumindest vom Denken her. Sich in Jesus zu verwurzeln, sich bewusst machen, wohin man gehört – darum gehts – das hält geistlich am Leben.
Dann stehe ich im Buch des Lebens, von dem dieser Brief schreibt. Wie Bürger einer Stadt in das Einwohnerverzeichnis eingetragen sind und dadurch Bürgerrecht haben, sind wir zu Gott gehörig und haben himmlisches Bürgerrecht. Das kann uns dann nichts streitig machen.
Wenn wir heute Abendmahl feiern, dann ist da ja auch ein Sinnbild für unsere Zukunft bei Gott. Dass wir auch in Gottes Reich zusammen sitzen werden, miteinander feiern werden, mit Gott in unserer Mitte. Wir, als diejenigen, die das Bürgerrecht bei Gott haben. Nicht weil wir es verdienst hätten – sondern weil Jesus es durch seinen Tod und seine Auferstehung für uns errungen hat.
Amen.