Sommerpredigt 2025: Jona muss einfach mal raus

Predigt über Jona

In der Predigt gehen wir der Geschichte des Jonabuches entlang. An Jonas Seite besteigen wir das Schiff, ducken uns im Bauch des Fisches und sitzen neben ihm auf dem Hügel über der Stadt Ninive.

Mit einem Ticket nach Tarsis

Langsam treibt der Wind das Schiff Richtung Westen. Es ist Abend. Die Sonne war gerade vor ihm im Meer versunken. Jona steht vorn am Bug und atmet tief ein. Spürt die Seeluft in der Nase. Sein erster Tag auf dem Meer!

Die Heimat war schon wenige Stunden nach dem Ablegen hinter dem Horizont verschwunden. Egal, in welche Richtung Jona blickt: Überall der ebene Horizont des Meeres. Diese Weite spürt er auch im Herzen. Die Vorfreude auf das ihm unbekannte Tarsis.

Ganz spontan hatte er den Entschluss gefasst, dieses Schiff zu besteigen. Hauptsache raus! Raus aus der Enge seiner Stadt, seines Lebens, der gefühlten Verpflichtungen gegenüber jeder und jedem. Das musste einfach mal sein. Abstand gewinnen, Vielleicht auch wieder ein bisschen zu sich selbst kommen. Aussteigen aus dem Hamsterrad des „du sollst“, „du musst“ und dem „warum hast du nicht …?“

Jona blickt sich um, beobachtet die Männer, die auf diesem Schiff als Matrosen ihrer Arbeit nachgehen. Ohne Pflichten geht es hier auch nicht. Auch an Bord gibt es einen, dessen Kommandos unbedingt zu befolgen sind – sonst wird das nichts mit der Seereise.

Ja, die Sache mit den Kommandos. Und plötzlich spürt Jona diese seltsame Schwere in seinem Magen. „Jona! Mache dich auf und geh in die große Stadt Ninive und predige wider sie; denn ihre Bosheit ist vor mich gekommen.“ Diese Worte! Dieser Auftrag Gottes, der vor wenigen Tagen einfach so in sein Leben geplatzt ist.
Was soll ich in Ninive? Was soll ich den Menschen dort sagen? Als Unheilsprophet herumlaufen, mich belächeln, verspotten und verprügeln lassen? Ich weiß doch, wie es den Menschen ergeht, die sich im Auftrag des Herrn gegen den Gleichmut der Menschen stemmen. Selten geht das gut aus. Dankbarkeit dürfte er in Ninive nicht erwarten.

Wenn es denn überhaupt der Auftrag des Allmächtigen war. Jona steht weiterhin an Buch des Schiffs und beginnt still vor sich hin zu argumentieren: „Vielleicht hat sich da auch nur eine fixe Idee in meinem Kopf manifestiert und irgendwie darin festgefressen. Und dann gehe ich nach Ninive und dann war das alles nichts.

Das muss der Herr doch einsehen, dass ich als Mensch nie so genau weiß, ob das wirklich seine Stimme war. Gerade, wenn der Auftrag auch so ungewöhnlich und herausfordernd ist. Gott, du verstehst das schon – oder? Ich will ja nicht ungehorsam erscheinen, sondern ich bin einfach überfordert und unsicher, ob das mit Ninive wirklich ….“

Im Sturm

Da ließ der HERR einen großen Wind aufs Meer kommen, und es erhob sich ein großes Ungewitter auf dem Meer, dass man meinte, das Schiff würde zerbrechen. Und die Schiffsleute fürchteten sich und schrien, ein jeder zu seinem Gott, und warfen die Ladung, die im Schiff war, ins Meer, dass es leichter würde. Aber Jona war hinunter in das Schiff gestiegen, lag und schlief. Da trat zu ihm der Schiffsherr und sprach zu ihm: Was schläfst du? Steh auf, rufe deinen Gott an! Vielleicht wird dieser Gott an uns gedenken, dass wir nicht verderben. (Jona 1, 4-6)

Über Nacht wird aus Jonas Seereise ein Drama. Panik an Bord. Im Jonabuch wird beschrieben, wie die Matrosen verzweifelt versuchen, das Boot zu retten. Aber es kristallisiert sich heraus: Jona, der vor seinem Gott flieht, ist der Grund, weshalb sie alle in Seenot geraten sind. Die Macht dieses Gottes bringt sie alle an die Grenze des Todes. Letztlich sehen die Seeleute nur eine Option, dem Untergang zu entkommen: Jona geht über Bord.

Und sie nahmen Jona und warfen ihn ins Meer. Da wurde das Meer still und ließ ab von seinem Wüten. Und die Leute fürchteten den HERRN sehr und brachten dem HERRN Opfer dar und taten Gelübde. Aber der HERR ließ einen großen Fisch kommen, Jona zu verschlingen. Und Jona war im Leibe des Fisches drei Tage und drei Nächte.
(Jona 1, 15; 2, 1)

Unter Wasser ändert sich alles

Vor wenigen Stunden hatte Jona noch das Gefühl der Freiheit genossen. Seine Wege selbst gewählt, war nach Tarsis aufgebrochen, hatte die frische Seeluft geatmet. Eben die ganz normale Leichtigkeit des Seins. So machen es die Menschen um ihn herum doch auch

Gehörte es auch zu dieser Leichtigkeit, Gottes Auftrag zu hören, und ihn dann doch irgendwie zur Disposition zu stellen? Eigentlich glaubt Jona zu denen zu gehören, die sich die Worte ihres Gottes eher zu Herzen nehmen als viele Andere um ihn herum. Er nimmt in Kauf, sich damit das Leben nicht gerade leichter zu machen. Darum hat er auch den Ninive-Auftrag eben nicht einfach an sich abperlen lassen. Aber unterm Strich war er froh gewesen, sich Freiheit und Leichtigkeit irgendwie doch zu erhalten. Auch die Freiheit, beherzt die Fahrkarte nach Tarsis zu lösen.

Aber jetzt, hier in der Tiefe, im Bauch des Fisches, ist alles anders. Kein Weite. Ohne Horizont. Eine Sackgasse ohne Handlungsoptionen. Jonas Flucht ist hier unten zu Ende. Es ist der Moment der Kapitulation.
Und Jonas Mund formt einen Psalm.
Er beklagt seinen buchstäblichen Untergang. Poetisch wendet er sich an seinem Schöpfer. Besingt seine Gefühle und Eindrücke. Er drückt aus, wie es ist, wenn alle Sicherheiten und Alternativoptionen abhandenkommen. Besingt die Ernüchterung, wenn man merkt: Es ist gerade nicht der Moment, um mit einem Augenzwinkern mit dem Allmächtigen zu verhandeln.


Aber gerade da, wo Jona sich bewusst wird, wie wehrlos er seinem Gott ausgeliefert er ist, keimt neues Vertrauen. Diese Höhle im Bauch des Fisches wandelt sich vom Gefängnis zum bergenden Schutzraum. Von hier aus streckt Jona leise seine Worte dem Schöpfer entgegen. Die vorsichtige Frage, ob es denn doch ein Erbarmen für ihn gibt. Eine zweite Chance.

Ja, er spürt Gottes Faust, die sich unentrinnbar um ihn geschlossen hat. Er fühlt sich hart angepackt. Aber es ist Gottes Faust. Diesem Gott hat er bisher vertraut; warum sollte es jetzt anders sein? Würde er jetzt noch leben, wenn Gott endgültig den Stab über ihn gebrochen hätte? Allein der Klang seines aufgeregt pochenden Herzens hier in der Stille des Fischbauchs lässt ihn hoffen. 

Und so findet Jona neue Worte. Worte des Vertrauens und der Gewissheit, dass Gottes Geschichte mit ihm noch nicht fertigerzählt ist:

Du warfst mich in die Tiefe, mitten ins Meer, dass die Fluten mich umgaben. Alle deine Wogen und Wellen gingen über mich, dass ich dachte, ich wäre von deinen Augen verstoßen, ich würde deinen heiligen Tempel nicht mehr sehen.  Wasser umgaben mich bis an die Kehle, die Tiefe umringte mich, Schilf bedeckte mein Haupt. Ich sank hinunter zu der Berge Gründen, der Erde Riegel schlossen sich hinter mir ewiglich. Aber du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, HERR, mein Gott! 8 Als meine Seele in mir verzagte, gedachte ich an den HERRN, und mein Gebet kam zu dir in deinen heiligen Tempel. Die sich halten an das Nichtige, verlassen ihre Gnade. Ich aber will mit Dank dir Opfer bringen. Meine Gelübde will ich erfüllen. Hilfe ist bei dem HERRN. Und der HERR sprach zu dem Fisch, und der spie Jona aus ans Land.
Und es geschah das Wort des HERRN zum zweiten Mal zu Jona: Mach dich auf, geh in die große Stadt Ninive und predige ihr, was ich dir sage! Da machte sich Jona auf und ging hin nach Ninive, wie der HERR gesagt hatte.
(Jona 2, 4-11; 3, 1-3a)

Auf dem Hügel über Ninive

Sechs Wochen später: Es ist Abend. Jona sitzt vor seiner kleinen Hütte auf einem Hügel am Ostrand der großen Stadt Ninive. Die untergehende Sonne taucht die Stadt in ein bezauberndes orangefarbenes Licht. Neben ihm lodert ein Feuerchen. Das kleingehackte Holz einer vertrockneten Rizinusstaude brennt knisternd vor sich hin.

Jona trinkt einen Schluck Tee und lässt seine Gedanken kreisen. Wie so oft in den letzten Wochen. Immer noch ist ihm diese Stadt Ninive fremd. Wie das halt so ist – so weit in der Ferne. Eine andere Kultur und Mentalität. Menschen, die so ganz anders tickten als er. Wie deplatziert und fremd er sich fühlte, als er dort auf den Straßen das Strafgericht Gottes ankündigte: „Es sind noch vierzig Tage, so wird Ninive untergehen.“ Er, der Prophet mit der zweiten Chance.

Die Reaktion der Menschen in Ninive hatte ihn vollends irritiert: Eine gewaltige Welle der Betroffenheit und der Umkehr rauschte durch diese fremde Stadt. Menschen, die ihr Leben neu sortierten und das mit Beten und Fasten zum Ausdruck brachten. Klein und groß fühlte sich von Jonas Worten getroffen. Sogar das Königshaus machte die tätige Reue zur Chefsache. Hier, in dem fremden Land, wirkte das so unwirklich wie im Traum. In seiner Heimat hätte Jona das nie für möglich gehalten. Wohl auch, weil er ja selbst noch die Bilder seiner eigenen störrischen Flucht aufs Schiff nach Tarsis im Kopf hatte.

Genau diese Erinnerung hat ihn später über seine große Krise hier in Ninive hinweggeholfen. Über die Enttäuschung, dass Gottes Strafgericht über diese Stadt ausgeblieben ist. Hatte Gott sich doch glatt über diese einst ruchlos sündige Stadt erbarmt. Hatte ein Nachsehen, weil sie so innig um eine zweite Chance gefleht hatten.
Genau diese göttliche Barmherzigkeit war für Jona eine Last, der sich gerade in der Rolle des wirkmächtigen Gottesmanns ganz wohl gefühlt hatte. Anerkannt, mit göttlichem Nimbus. Mit Gottes Erbarmen war diese Rolle für Jona erledigt. Er war wieder auf Normalgröße geschrumpft. Sein Schöpfer hatte seine Mühe gehabt, ihn erkennen zu lassen, dass Jona nicht weniger als Ninive auf Gottes Vergebung angewiesen ist.

Jona trinkt einen Schluck seines Tees. Inzwischen war die Sonne untergegangen. Ja, der Weg in die unbekannte Ferne hierher hat sich gelohnt.  Ob Ninive seine neue Heimat werden könnte? Dieser Ort, an dem er so viel Prägendes erlebt, gelernt und erlitten hat? Bei diesen fremdartigen Menschen, die ihm doch so ähnlich sind. Er ahnt: Den Zauber dieser Reise wird er nicht konservieren können. Egal, ob er in die Heimat zurückkehren oder hierbleiben wird.

Aber keinesfalls wird er in sein altes Leben zurückkehren können. Zu viel hat er in diesen Monaten gelernt. Über seine eigene Angst vor dem Unbekannten, das Gott ihm abverlangt. Fast lächerlich kommt er sich vor, wenn er daran zurückdenkt, wie er in Jafo die Fahrkarte nach Tarsis dem Kapitän hektisch in die Hand gedrückt hatte. Beim Gedanken an die drei Tage unter Wasser muss er tief durchatmen, damit die Augen nicht zu feucht werden.
Und Ninive? Diese Stadt, die ihre Rettung seiner Predigt verdankt? Jona stellt die leere Tasse neben das Rizinusfeuer. „Nein, diese Menschen verdanken ihr Leben höchstens ihrer eigenen Bereitschaft, ihr Leben zu ändern.“ Jona spricht diese Worte laut aus, als müsse er sie sich immer wieder selbst sagen: „Eine zweite Chance ist immer ein Geschenk Gottes.“

Amen

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Ein Kommentar

  1. Ja, tolle Geschichte mit dem „Aussteigen“ wollen.
    Aber als CHRIST ist man kein „Aussteiger“, sondern immer
    schon ein „EINSTEIGER“ , weil GOTT in mir wohnt!!

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