Predigt: Erfahrung schlägt Logik (1. Korinther 2, 1-10) 16. Januar 2022

1 Kor 2, 1-10

Ich brauche keinen Glauben, in dem sich alles widerspruchsfrei zusammenfügt. Ich brauche einen Gott, der an meiner Seite ist, auch wenn er mir manchmal ein Geheimnis bleibt.

Die Sache mit dem Stein

„Herr Pfarrer, kann Gott eigentlich einen Stein erschaffen, der so groß und schwer ist, dass er ihn nicht hochheben kann?“ … es gibt schon wirklich komische Fragen auf dieser Welt! Jedenfalls könnten diskussionsfreudige Konfirmanden damit prima ihren Pfarrer beschäftigen. Überlegen wir einmal:

Wenn Gott so einen Stein erschaffen würde, und ihn  nicht mehr heben könnte, dann wäre Gott ja nicht allmächtig. Weil ja schon so ein Stein ihn überfordert.
Aber wenn Gott immer alles heben könnte, dann könnte er so einen Stein nicht erschaffen, und wäre also auch sehr begrenzt in seinen schöpferischen Fähigkeiten.

Ich kann mir vorstellen, dass Gott für solche spitzfindigen Fragen, die im übrigen schon im Mittelalter diskutiert wurden, gerade mal ein müdes Lächeln übrig hat: „Oh ihr Menschen, wenn ihr wüsstet wie ich wirklich bin“

Unsere inneren Bilder

Ja, wie ist Gott denn wirklich? Da hat ja jede und jeder eigene Vorstellungen im Kopf.
Ein inneres Bild, ein Gefühl, Worte, Begriffe.
Gedanken, wie der unsichtbare Gott wohl ist,
wie er diese Welt lenkt,
wie er mit mir Menschen als himmlischer Vater umgeht.
So entsteht in mir von Kindheit an allmählich eine Vorstellung von Gott. Und manchmal überlege ich: Passt meine Idee von Gott eigentlich? Passt sie zu meinen Lebenerfahrungen mit ihm, passt sie zu den Erkenntnissen der Naturwissenschaft, zu den Gedanken der anderen Menschen (die ja die gleichen Überlegungen anstellen); und geht das noch irgendwie mit der Bibel zusammen?

Und immer wieder kommt man da schon ins Schleudern, weil das alles machmal halt so gar nicht zusammenpassen will. Fast so verrückt, wie die Sache mit dem Stein. Gott und Logik … das ist ein schwieriges Feld.

Predigttext

Der Apostel Paulus, ein durchweg sehr kluger Denker hat da in seinem ersten Brief an die Gemeinde in Korinth einmal bedenkenswerte Worte zur Logik beim Reden über Gott geschrieben:

(1. Korinther 2, 1-10)

1 Auch ich, meine Brüder und Schwestern, als ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten oder hoher Weisheit, euch das Geheimnis Gottes zu predigen. 2 Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, ihn, den Gekreuzigten. 3 Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern; 4 und mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten der Weisheit, sondern im Erweis des Geistes und der Kraft, 5 auf dass euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft.

6 Von Weisheit reden wir aber unter den Vollkommenen; doch nicht von einer Weisheit dieser Welt, auch nicht der Herrscher dieser Welt, die vergehen. 7 Sondern wir reden von der Weisheit Gottes, die im Geheimnis verborgen ist, die Gott vorherbestimmt hat vor aller Zeit zu unserer Herrlichkeit, 8 die keiner von den Herrschern dieser Welt erkannt hat; denn wenn sie die erkannt hätten, hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt. 9 Sondern wir reden, wie geschrieben steht (Jesaja 64,3): »Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.« 10 Uns aber hat es Gott offenbart durch den Geist; denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen Gottes.

Die glänzende Rhetorik beiseite legen

Paulus erinnert seine Gemeinde daran, wie es war, als er damals ihnen vom Glauben an Jesus Christus erzählt hat:

Nicht mit hohen Worten oder hoher Weisheit.
Nicht mit überredenden Worten.
In Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern.

Ein bisschen so, wie ein Schüler, der in Physik ein Referat über die Schwerkraft halten muss. Er hat zwar alles dazu fleißig gelesen, aber er merkt: So hundertprozentig hab ich das auch nicht alles verstanden. Die Schwerkraft ist da, das sehe ich jedesmal, wenn etwas zu Boden fällt. Aber so richtig gut erklären? Und was ist, wenn einer eine Frage stellt, worauf ich dann überhaupt keine Antwort habe?

Paulus weiß, dass in Glaubensfragen nicht immer alles logisch und einsichtig ist. Dass wir eben nicht die Möglichkeit haben, uns von Gott alles erklären zu lassen. Sondern wir versuchen zu verstehen, aber es bleibt uns manches eben doch rätselhaft.

Und so hat Paulus damals entschieden: Ich stelle mich nicht als derjenige hin, der euch mit mitreißenden Worten und brillianter Logik davon überzeugt: Gott ist da, Jesus ist sein Sohn, und wenn ihr an ihn glaubt, wird euer Leben gelingen. Ihr werdet von euren Krankheiten geheilt und euer Leben wird mit Erfolg und Beruf und Familie gesegnet. Kommt her! Entscheidet euch und lasst euch taufen.

Hätte Paulus machen können. Schließlich hat Jesus ja viele Menschen geheilt und in der Bibel finden wir viele Erfolgsgeschichten von Menschen, die Gott vertraut haben. Aber Paulus wusste: So einfach ist das nicht.

Glaube erweist sich

„Ich will,  dass euer Glaube nicht auf Menschenweisheit beruht, sondern auf Gottes Kraft“ betont Paulus. Darum gibt’s bei ihm nicht die coolen Siegergeschichten, sondern die Erzählung vom gekreuzigten und auferstandenen Jesus. Diese Geschichte, die uns an die Grenzen bringt, weil Jesus am Kreuz selber verzweifelt schreit „mein Gott, warum hast du mich verlassen“ – und drei Tage später geschieht das Unglaubliche am Ostermorgen.

Ja. Ostern war Gottes Überraschungsmoment. Damit hat keiner gerechnet. Das widerspricht jeder Logik. Und doch ist genau  diese Auferstehung der Dreh- und Angelpunkt unseres christlichen Glaubens.

Es sind nicht logische Überlegungen, die unseren Glauben tragen, sondern unsere Erfahrungen. Die Erfahrungen, die wir in unserem Leben mit dem Glauben, mit unseren Gebeten und unserem Gottvertrauen machen.

Ob unser christlicher Glaube „wahr“ ist, zeigt sich nicht darin, dass wir quasi mathematisch seine Widerspruchslosigkeit beweisen könnten. Seine Wahrheit zeigt sich von ganz alleine, wenn wir ihn erfahren.

Wenn ich erlebe, welche Auswirkungen mein Glaube auf mein Leben hat. Wenn ich die Kraft spüre, die ich aus dem Vertrauen auf einen mächtigen Gott für mein Leben ziehe. Wie das ist, wenn ich in Lebensphasen mit Gott im Streit, bin weil ich nicht verstehe, weshalb er Schlimmes zulässt. Und wie sich das anfühlt, wenn man dann wieder Frieden damit schließen kann. Was in mir passiert, wenn einst völlig unverständliche Bibelstellen in einer bestimmten Situation mir ein Licht aufgehen lassen.

Glaube ist Lebenserfahrung. Stück für Stück wird man schlauer, erkennt mehr oder erkennt, dass es anders ist, als man vorher gedacht hat.

In das Geheimnis Gottes hineinwachsen

Liebe Gemeinde,
vieles bleibt geheimnisvoll.  Und vielleicht gehört es zu jeher zu Gottes Geheimnis, zu seiner Strategie, dass er die größe Stärke in der Schwachheit versteckt hält.

Für mich ist die Bergpredigt von Jesu eines der schönsten Beispiele.

Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.
Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar.
Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen
.

Durch die Jahrhunderte haben sich kirchliche Denker abgekämpft, um solchen Sätzen eine gewisse Logik abzugewinnen. Wer will schon allen Ernstes nach einer Watschen gleich die andere Backe hinhalten? Nicht mal im übertragenen Sinn erscheint das ratsam.

Aber es hat immer wieder Menschen gegeben, die genau so etwas getan haben, und damit Unglaubliches bewirkt haben. Gestern vor 93 Jahren wurde Martin Luther King geboren. Mit ganz vielen Gedanken der Bergpredigt hat er die damalige Bürgerrechtsbewegung angeführt. Hat dafür gekämpft, dass seine Demonstranten nicht zurückgeschlagen haben wo sie von den Sicherheitskräften misshandelt wurden. Und wir wissen, heute, dass dieser Weg zwar schmerzhaft war, aber sein Land in vielen Bereichen verändert hat.

„Ich will,  dass euer Glaube nicht auf Menschenweisheit beruht, sondern auf Gottes Kraft“ diese Wort des Paulus könnten ein gutes Motto sein.  Um mutig zu sein und auf Gott zu vertrauen, gerade auch da, wo die menschliche Weisheit sagt: „Das wird nichts“. Denn nicht nur unsere Bibel ist voller Geschichten, wo Gott für ganz unerwartete Wendungen gesorgt hat.

Amen

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