Predigt: Alles ist erlaubt … oder ? (1. Korinther 6, 9-20) 25. Juli 2021

1 Korinther 6, 9-20

Korinth vor 2000 Jahren – ein bisschen wie Hamburg: Elbphilharmonie, Landungsbrücken, eine gut frequentierte Reeperbahn. Und mittendrin eine kleine christliche Gemeinde.

Liebe Gemeinde,

manchmal gibt es Bibeltexte, wenn man die ohne Vorkenntnis liest, dann schüttelt man erstmal den Kopf und fragt sich: Was ist denn da los?

Denn man tut sich schwer mit Begriffen oder Themen, zu denen man selber heute keinen direkten Zugang hat. Man überlegt: Was steckt da dahinter? Und man würde gerne Mäuschen spielen, um zu sehen, was da damals geschehen ist.

Für unseren heutigen Predigttext aus dem 1. Korintherbrief müssten wir uns in diese antike Hafenstadt versetzen. So eine Art Hamburg vor 2000 Jahren. Mit allem Drum und dran.
Ein bisschen Elbphilharmonie mit anspruchsvoller Kultur, viel Übersee-Hafen und natürlich darf eine gut besuchte Reeperbahn nicht fehlen. Da ging es damals hoch her. Und mittendrin eine kleine christliche Gemeinde.

Und denen schreibt Paulus in diesem Brief folgendes:

Textlesung 1. Korinther 6,9-14.18-20 (Übersetzung: Schlachter)

(Den Text finden Sie unter www.bibelserver.de)

Ein Donnerwetter für die Korinther

Der Gemeinde von Korinth wird gehörig der Kopf gewaschen. Was war denn eigentlich los in der griechischen Hafenstadt? Was lief da schief in der jungen christlichen Gemeinde?

Man könnte folgendes vermuten: In der Gemeinde war die Botschaft von der Auferstehung Christi sehr speziell gedeutet worden. Einige Christen meinten: Als Christ habe ich das irdische Leben sozusagen im Geiste schon hinter mir gelassen. Weil ich erlöst bin, weil Gott mir meine Sünden vergibt, kann ich tun und lassen, was ich will.

Hauptsache, in meiner Seele bin ich mit Gott verbunden. Der Rest ist zweitrangig.

Also ist mein Körper auch nicht so richtig wichtig, das ist sozusagen ja nur äußerlich. 

Ja … und da kommt das Them „Hafenstadt/Reeperbahn“ ins Spiel. Wenn nur das Innere zählt, kann mein Köper ja machen, was er will. Und da haben einige der Christen in Korinth im Rotlichtbezirk mächtig über die Stränge geschlagen.

Genau darauf scheint Paulus mit seiner Liste, die wir eben gehört haben, anzuspielen: „Ehebrecher, Knabenschänder, Diebe, Habsüchtige, Trunkenbolde“ – und er droht: Die haben in Gottes Reich nichts zu suchen.

Und schon sind wir mittendrin im schönsten christlichen Kuddelmuddel!

Denn eigentlich ist Paulus derjenige gewesen, der gepredigt hat: Gott nimmt uns an! Aus Glauben sind wir vor Gott gerecht, nicht wegen unseres Lebenswandels.

Und das fällt ihm jetzt vor die Füße, wenn die Korinther sagen: Wir sind frei von der Pflicht, immer alles richtig zu machen. Also:

Alles ist mir erlaubt!

Alles ist erlaubt… aber

Ja, Alles ist mir erlaubt, Ihr habt schon recht” kontert Paulus, aber nur, solange man seine Freiheit in rechter Weise versteht und gebraucht!

Christus hat mich frei gemacht,

~ frei vom Gesetz,

~ frei von den Mächten dieser Welt,

~ frei auch von mir selbst.

Ich bin frei, weil ich Christus gehöre.

Paulus sagt:

Alles ist mir erlaubt — aber nicht alles ist nützlich! Alles ist mir erlaubt — aber ich will mich von nichts beherrschen lassen!

Wo bleibt denn eure christliche Freiheit, wenn ihr habgierig seid und nur noch dem Geld hinterherrennt, oder an der Flasche hängt?

Wo bleibt die Freiheit, wenn ihr Liebe kauft, und damit Menschen ausbeutet und missbraucht?

Dann fängt der Teufelskreis von Unfreiheit von neuem an, ihr Korinther!

Schaut euch doch den Sklavenmarkt an Hafen an. So wart ihr auch, unfrei, ohne Zukunft. Sklaven eines Lebens ohne Glaube, ohne Hoffnung.

Aber Gott hat euch freigekauft. Das war nicht billig! Das hat ihm Jesu Tod am Kreuz gekostet. Aber dadurch wurdet ihr frei. Frei von eurer Schuld, frei von der Macht des Todes über euer Leben.

Jetzt denkt mal scharf nach, ihr lieben Korinther, welcher losgekaufte Sklave käme auf die Idee, sich freiwillig wieder Fesseln anzulegen zu lassen?

Aber genau das passiert, wenn ihr den falschen Weg einschlagt. Dann ist wieder Ende der Freiheit, weil ihr euch in neue Abhängigkeiten verstrickt.

Luthers Freiheitsschrift

Liebe Gemeinde, es ist schon knifflig mit unserer Freiheit, die Gott uns schenkt. Wir stehen immer in der Gefahr, auf einer Seite vom Pferd herunterzufallen:

Die einen sagen: Gott vergibt mir sowieso, und leben dann so, dass man sich fragt, was daran noch christlich ist.

Die anderen wollen alles in Gottes Augen richtig machen und kämpfen sich verbissen ab, und verlieren die Fröhlichkeit der Kinder Gottes.

Das Kunststück besteht darin, das richtig auszubalancieren.

Luther hat das ein einem seiner bekannteren Schriften einmal so ausgedrückt:

„Ein Christenmensch ist ein freier Herr aller Dinge und niemandem untertan. UND Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“

Freiheit und Verantwortung – beides muss gleichzeitig da sein!

Das ist das, was auch Paulus meint.

Wir sind Kinder des Lichts

Im Wochenspruch für diesen Sonntag heißt es:

„Lebt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.“

Ein Satz, der auch so beide Seiten hat:

„Lebt als Kinder des Lichts… „ ja, da höre ich den erhobenen Zeigefinger. Das Thema Verantwortung.

Aber „die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.“: Da wird von Früchten unseres Lebens gesprochen. Und die „müssen“ wir nicht liefern, sondern die wachsen einfach so. Die entstehen einfach, weil jemand fröhlich als Christ lebt.

Ganz ohne Kampf und Krampf.

Kinder des Lichts können und dürfen wir sein, die etwas von der Liebe Gottes ausstrahlen auf ihre Umgebung.

Was das heißen kann, schildert die folgende Geschichte:

Tobias geht mit seiner Mutter einkaufen. Auf dem Weg zum Markt kommen sie an einer großen Kirche vorbei. Tobias schaut an der Kirche hoch und sagt: „Mutti, die großen Fenster sind ja ganz schön schmutzig, die sehen aber gar nicht schön aus.“ Die Mutter sagt nichts, sondern nimmt Tobias an der Hand und geht mit ihm in die Kirche hinein. Hier sind die Fenster, die von außen grau und schmutzig aussahen, plötzlich strahlend bunt und leuchten in den hellsten Farben. Tobias ist hingerissen und sieht sich die Fenster genauer an. Vorne über dem Altar ist ein auffallend prächtiges Fenster zu sehen. Durch die dort abgebildete Figur strahlt gerade die Sonne durch. „Mutti, wer ist das?“, fragt Tobias. „Das“, antwortet die Mutter, „ist der heilige Martin. Du erkennst auf dem Bild, wie er gerade den Mantel teilt.“

Am nächsten Morgen hat die Klasse von Tobias Religionsunterricht. Da fragt der Lehrer: „Kann mir jemand unter euch verraten, was ein Heiliger ist?“ Ratloses Schweigen in der Klasse. Nur Tobias reckt den Finger in die Höhe. „Ein Heiliger, das ist ein Mensch, der eigentlich ganz schön schmutzig ist, aber durch den die Sonne scheint.“ (nach Heinrich Engel)

Amen.

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