Predigt zur Kirchweih: „Bassd scho“ (7. Oktober 2017) Römer 3, 23

Vor Beginn dieses Kirchweih-Gottesdienstes erwarten die Kerwa-Burschen und Kerwa-Madli die Gottesdienstbesucher und nehmen Maß: Die Körpergröße jedes Einzelnen wird gemessen, dann wird festgestellt, ob er zu den Top3 der größen oder kleinsten gehört. So entsteht am Kirchenportal eine Liste der Größen und Kleinsten, die heute in den Gottesdienst gekommen sind. An dieser Erfahrung des Gemessen-Werdens knüpft dann die Predigt an und schlägt den Bogen zur Rechtfertigung vor Gott.

Liebe Gemeinde,

so, nun wissen wir, wer die längsten und kürzesten Gottesdienstbesucher sind. Auf den Zentimeter genau haben wir das jetzt einmal gemessen.
Ein bisschen hat mich das an meine Kindheit erinnert. Da wurden die Kinder auch immer wieder mal gemessen: Dazu standen wir im Türstock und auf dem Kopf wurde waagerecht ein Stift hingehalten, mit dem dann ein Strich an den Türstock gemalt wurde. Schließlich wurde mit dem Zollstock nachgemessen, und so war klar, wie groß, bzw. wie klein man war.
Diese Striche hat keiner mehr wegradiert, so blieb an der Türe sichtbar der Strichcode vom Wachstum der Kinder.

Nun ja: Das kann ja auch etwas sein, was einen mit Stolz erfüllt, wenn man tatsächlich schöne Wachstums-Fortschritte macht.
Nicht so lustig ist es, wenn da nichts so richtig weitergeht. Wenn in der achten Klasse der Sportlehrer jedes Mal die Schüler anweist, sich der Größe nach aufzustellen – und man immer zu der Handvoll gehört, die sich am kleinen Ende hinstellen muss.

Sie merken: Wir Menschen messen gerne … aber selbst gemessen und beurteilt zu werden, finden wir weniger lustig. Denn da spürt man die damit verbundene Diskriminierung, die Unsicherheit und die eigene Verletzlichkeit.
Ehrlich gesagt: Noch viel mehr Spaß hätte es uns draußen vor der Kirche gemacht, eine Waage aufzustellen. Denn beim eigenen Gewicht sind wir, so glaube ich, noch viel empfindsamer. Da können wir es noch weniger brauchen, dass fremde Menschen das kritisch nachmessen.

„Bassd scho“ in Franken

Liebe Gemeinde,
wir wissen ja, dass wir Franken eine besonders sensible Rasse sind. Vielleicht sind wir deshalb die Erfinder der allerbesten Waffe gegen all diees Maßnehmen und Beurteilen: Nämlich das Zauberwort “Bassd scho”

“Bassd scho” verzichtet nämlich darauf, einen Menschen anhand irgendwelcher Messwerte zu beurteilen, sondern nimmt das Ganze in den Blick! Und dazu gehörten eben mehr als ein paar vereinzelte Zahlen. Wir stellen fest, dass etwas in der Summe in Ordnung ist – auch wenn es da so einige Abweichungen vom Ideal gibt.

„Bassd scho“ ist von daher eine sehr ehrliche und auch sehr gnädige Formulierung, die mehr wahrnimmt, als das, was aktuell vor Augen ist.

„Bassd scho“ – sagt der Vater zu seinem Sohn, wenn er zum ersten Mal mit einer 5 in Latein heimkommt, weil er vergessen hat, die Vokabeln zu lernen. „Das nächste Mal klappt es bestimmt wieder besser“

„Bassd scho“ – sagt die Schwiegertochter zur gebrechlichen Oma am Frühstückstisch, nachdem sie aus Versehen die viertelvolle Kaffetasse umgekippt hat. „Ich weiß doch, dass du es nicht absichtlich gemacht hast!“.

“Bassd scho” sagt der Ehemann zum neuen Kleid seiner Frau. Er sieht zwar, dass sie keine Modelmaße hat, und das Ding an der Hüfte ein bisschen eng sitzt, aber er sieht das stolze Strahlen in ihren Augen – und darum ist das Kleid der Hit!

„Bassd scho“ – das bedeutet: Du bist nicht perfekt, du machst Fehler; aber du bist mir trotzdem recht. Ich nehme dich so, wie du bist, das geht für mich in Ordnung! Weil ich dich mag und wir zusammengehören.

Liebe Gemeinde,
für diesen alltäglichen Vorgang gibt es einen Fachbegriff: Rechtfertigung. Da wird etwas für gerecht, für „in Ordnung“ erklärt, obwohl es Schwächen hat, und eigentlich nicht in Ordnung ist.

Vorhin in der Lesung haben sie bereits gehört, wie der Apostel Paulus es im Brief an die Römer beschrieben hat – wo es um unserer Verhältnis zu Gott geht:
“Denn alle haben gesündigt und erlangen nicht die Herrlichkeit Gottes und werden umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade, durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist.” (Röm 3, 23f)

Er sagt: Da hat Gott genau darauf geschaut – nachgemessen, wie es um uns Menschen steht – und gemerkt: “Das ist eigentlich weit davon entfernt, in Ordnung zu sein”. Aber dann sagt er doch “basst scho”. Gott rechtfertigt uns; er spricht uns Menschen gerecht – obwohl wir Sünder sind.

Autorität des Gerechtsprechens

Aber da höre ich sie schon. Die Freunde des gepflegten Nachmessens. Wie sie reklamieren:
“Eigentlich ist das ja absurd: Das geht doch gar nicht! Ich kann doch nicht etwas für in Ordnung erklären, obwohl es nicht in Ordnung ist. – Das ist doch irgendwie gemogelt, das ist doch nicht reell.” – Das kann Gott doch nicht machen.

Da stellt sich die Frage, liebe Gemeinde, von wem ich mir da was sagen lasse!
Wenn der Alfred seiner Luise sagt: Dieses Kleid ist tatsächlich ein Traum, dann ist das so. Dann kann die Verkäuferin die Augenbrauen hochziehen, wie sie will. Die ist da raus – weil es um Luise und Alfred geht.

Wenn die Schwiegertochter sagt: Das bassd scho, dass die Schwiegermutter am Tisch öfter ein bisschen kleckert und manchmal das Gebiss verrutscht, dann ist das so. Und da kann die Tante in der Rüschchenbluse, die grade auf ein Stück Torte reingeschneit ist, noch so pikiert dreinschauen. Die hat da nichts zu melden, wenn die Familie “bassd scho” sagt.

Und wie ist das mit meinem Leben?
Wer hat da was zu melden?
Wer hat da das Recht “bassd scho” zu sagen?
Zu meinen Fehlern, meinen Schwächen? Den großen und kleinen Verfehlungen? Wer sagt da zu mir „bassd scho“?

Ich merke: Das kann ich mir nicht selber sagen!!
Ich brauche jemanden, der mich anschaut, der über meine Fehler nicht einfach hinwegguckt. Einer, der genau merkt, was da in meinem Leben nicht so passt, der durchaus Maß nimmt, und dann dennoch urteilt: „Bassd scho“.
Und das kann nur Gott, der Schöpfer, der mir mein Leben gegeben hat.

Der Grund der Rechtfertigung

Aber warum sollte Gott sich auf so etwas einlassen? Weshalb sollte er jemanden gerecht sprechen, obwohl er ganz und gar nicht gerecht ist?

Schauen wir noch mal in den Predigttext:
„Denn alle haben gesündigt und erlangen nicht die Herrlichkeit Gottes und werden umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade, durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist.“ (Röm 3, 23f)

Dieser Satz sagt es ganz nüchtern: Wir Menschen haben eigentlich gar keine Chance als Gerechte vor Gott zu stehen. Wir können Gott nicht sagen: Guten Morgen, hier stehen die Gerechten vor dir und beantragen, in dein Himmelreich zu kommen.

Und weil das so aussichtslos ist, gibt Gott uns Menschen eine andere Chance: „Umsonst gerechtfertigt werden; aus Gnade“:
Gott sagt: Komm herein zu mir, in mein ewiges Reich – „des bassd scho”.
Das ist ein unglaubliches Geschenk. Und ich muss nichts dafür tun.

Aber …

Aber Moment … haben wir nicht vorhin – als es ums Messen und das “bassd scho” ging, festgestellt, dass das “bassd scho” das Ganze in den Blick nimmt, und auf etwas Anderes achtet, als diejenigen, die da wild herummessen?
Genau … es geht um etwas, was eben gerne übersehen wird: Der Beziehungsaspekt!

Ich möchte noch einmal zu dem Beispiel mit dem gekauften Kleid zurück.
Warum sagt Alfred zur Luise: “passt scho”? Weil nicht die Klamotten seine Luise schön machen, sondern die Liebe macht sie schön!
Und das ist der Schlüssel zur Rechtfertigung von dem, was eigentlich nicht so super ist: Weil die Beziehung zueinander das Tragende ist.

Und bei Gott geht es um den gleichen Schlüssel: Die Beziehung zu Gott; also der Glaube an Jesus Christus, das Vertrauen zu ihm. Nach dieser Logik geht Gott vor – sagt Paulus.
Mein Glaube ist die Basis, die Gott dazu bringt, „bassd scho“ zu sagen.

Luthers Entdeckung

Da bin ich Gedanken natürlich auch schnell bei Martin Luther, der als strenger Mönch vor Gott gut dastehen wollte.
Mit großem Ernst hat er versucht, Gottes Willen ganz genau zu erfüllen. Hat immer wieder bei sich selber nachgemessen und festgestellt: Das passt nicht – und für Gott kann es auch nicht passen.
Das hat ihn über Jahre hinweg immer wieder beschäftigt und in Verzweiflung gestürzt. Erst als er lange genug mit diesen und anderen Versen aus dem Römerbrief buchstäblich gerungen hatte, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Wir werden ohne eigene Leistung von Gott gerecht gesprochen – allein durch unseren Glauben.

Später schrieb er über diese Entdeckung: „Da hatte ich das Empfinden, ich sei geradezu von neuem geboren und durch geöffnete Tore in das Paradies selbst eingetreten.“

Diese Erkenntnis hat ihn verändert – hat ihm den Mut verliehen, das weiterzusagen, was er erkannt hat … und hat dazu geführt, dass die Kirche sich verändert hat.
Und darum haben wir überhaupt hier in Brunn eine evangelische Kirche: Weil Luther vor 500 Jahren genau das festgestellt hat:
Allein der Glaube an Jesus Christus, ist es, der Gott dazu bewegt, “bassd scho” zu uns zu sagen.

Amen

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